Geschenk für die Görlitzer Sammlungen
Görlitz, 11. April 2021. Nachdem die Lokalausgabe einer Tageszeitung über den Görlitzer Maler und Schriftsteller Johannes Wüsten berichtet hatte, kam es vor drei Tagen aus Görlitzer Privatbesitz zu einer Schenkung an die Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur: Den Besitzer wechselte eine Fotografie des jugendlichen Johannes Wüsten aus dem Jahr 1913. Johannes Wüsten hatte sein Konterfei damals seiner Freundin Charlotte Kuhnt geschenkt, nicht ohne es mit einer Widmung zu versehen.
Johannes Wüsten – ein Flüchtlingsschicksal
Thema: Ausstellungen in Görlitz und Umgebung
Görlitz verfügt nicht nur über fast 4.000 Baudenkmale, sondern ist eine Stadt der Museen und Ausstellungen. Hier befinden sich beispielsweise das Kulturhistorische Museum, das Schlesische Museum zu Görlitz, das Museum der Fotografie und das Senckenberg Museum für Naturkunde, im polnischen Teil der Europastadt das Lausitz-Museum. Darüber hinaus gibt es häufig Sonderausstellungen an anderen Orten, auch im Umland der Stadt sowie in der Dreiländerregion von Sachsen, Tschechien und Polen.
- Finissage in der Kunsthalle Görlitz [24.09.2022]
- Naturkundemuseum Görlitz für Blinde [09.08.2022]
- Bye, bye, Weltenwanderer [16.06.2022]
Die Widmung auf der Rückseite der Fotografie verrät den jugendlich-heiteren Charmeur:
Wo Du bist und wo ich sei
Ferneweg und nahe bei.
Überall und auch indessen
Werd‘ ich Deiner nicht vergessen.
Selbst im dicksten Publikum
schwebt mein Geist um Dich herum.
Zum Andenken an Joh. Wüsten.
Im unteren Teil des Bildes hat der 1896 in Heidelberg geborene Wüsten selbstbewusst mit seinem Autogramm verziert.
Stationen im Leben des Johannes Wüsten
Nach seiner Geburt war die Familie nach Görlitz umgezogen. Hier besuchte Wüsten das Gymnasium, von dem er allerdings wegen seiner Teilnahme an einem Revolverschießen flog. Seine nächsten Stationen waren Dresden und Worpswede. Aus dem Dienst als Weltkriegssoldat demobilisiert ließ er sich in Hamburg nieder. Nach einer Studienreise durch die Niederlande gründete Wüsten in Görlitz eine Manufaktur für Keramik und Fayencen, 1929 übernahm er das Atelier der Portraitmalerin Erna von Dobschütz, bei der er Malschüler war, auf der Kahle, der heutigen Johannes-Wüsten-Straße.
Seit 1930 war Johannes Wüsten im Antifaschistischen Kampfbund organisiert, seit 1932 in der KPD. 1934 emigrierte Wüsten nach Prag, 1938 nach Paris. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs würde Wüsten in Frankreich interniert, jonnte 1940 aber fliehen. Als seine Flucht in Richtung England an der französischen Atlantikküste scheiterte, ging er zurück nach Paris. An Tuberkulose erkrankt durfte Wüsten von französischen Ärzten nicht behandelt werden und musste deshalb in ein Wehrmachtskrankenhaus gehen, wo er nach seiner Genesung der Geheimen Staatspolizei übergeben wurde. In Deutschland wurde ihm vor dem "Volksgerichtshof" künstlerische Arbeiten als Vorbereitung zum Hochverrat ausgelegt, das Urteil lautete 15 Jahre Zuchthaus. Im Zuchthaus Brandenburg-Görden, wo auch der spätere "DDR"-Staats-und Parteichef Erich Honecker von 1937 bis 1945 einsaß, erkrankte Wüsten erneut an Tuberkulose und starb am 26. April 1943 im Gefängniskrankenhaus.
Kunst als Bedrohung in der Diktatur
Auch in der "DDR" fühlten sich die Machthaber von Kunst bedroht, sofern sie sie nicht als Auftragskunst instrumentalisieren konnten. Schon allein die Beschäftigung mit der Freiheit der Kunst und des Denkens reichte nach entsprechender Denunziation für Verhaftung und Verurteilung. So wurde – als einer der insgesamt wohl mehr als 200.000*) politischen Gefangenen des sozialistischen Staates – 1969 verhaftete Kunststudent Jörg Beier samst seiner Familie bis zum Ende der Stasi 1989 systematisch bespitzelt. "Wir wussten, dass von euch keine Gefahr ausgeht", so einer der Stasileute Jahre später. Vorsorglich überwacht und protokolliert wurde trotzdem.
*) Unterschiedliche Quellen gehen von 200.000 bis 280.000 aus politschen Gründen verhafteten und zu Freiheitsentzug verurteilten Gefangenen in der "DDR" aus.
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- Quelle: red | Bildquelle: © Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur
- Erstellt am 11.04.2021 - 08:12Uhr | Zuletzt geändert am 11.04.2021 - 09:23Uhr
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