Das Buch: Die neue Görlitzer Synagoge
Görlitz, 18. Juli 2021. Von Thomas Beier. Gestern erlebte das Kulturforum Görlitzer Synagoge am Abend seine erste öffentliche Veranstaltung, angekündigt als Buchvorstellung des Bandes "Die Neue Görlitzer Synagoge" von Alex Jacobowitz. Was tatsächlich über die Bühne ging, war ein hochinteressanter Gesprächsabend.
Quartett auf der Bühne
Thema: Jüdisch
Juden hatten und haben einen großartigen Anteil an der Entwicklung Deutschlands in Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft. Leben ist undenkbar ohne die Erinnerung an die Zeit, als es in Deutschland ausreichte, Jude zu sein, um verhaftet, deportiert und umgebracht zu werden, wenn man nicht rechtzeitig geflohen war.
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Dass das Buch nun fertig ist und endlich – nach der Eröffnung der als "Kulturforum Görlitzer Synagoge" wiedereröffneten, mit Geduld und Akribie sanierten Neuen Synagoge – verkauft werden darf, war letztlich ein schönes Beiwerk der Veranstaltung. Klar nutzten viele die Gelegenheit, das Buch nach Hause zu tragen, höchst persönlich signiert vom Autor, dem Vorsitzenden und Kantor der Jüdischen Gemeinde Görlitz/Zgorzelec und Umgebung e.V., Alex Jacobowitz.
Bemerkenswert gestaltete sich der Abend bereits durch die vier Gesprächpartner auf dem Podium, die zwar die Liebe zur Stadt Görlitz eint, die jedoch zugleich entsprechend ihrer Herkunft ganz unterschiedliche Bezüge zu Neißestadt haben.
Mit der obigen Abbildung vor Augen seien die Vier vorgestellt, von rechts beginnend, um links zu enden: Los geht's mit dem aus der Schweiz stammenden, in Männedorf an der sagenhaften Goldküste des Zürichsees geborenen Dr. Marius Winzeler. Den verschlugen gleich ab 1990 Praktika nach Dresden, von wo er sich – stark gekürzt geschildert – in Richtung Oberlausitz vorarbeitete. Seit 2015 leitet er die Sammlung Kunst an der Nationalgalerie in Prag (Praha). Sein erster Eindruck von der Synagoge: Als manche Görlitzer sie für eine Ruine hielten, erkannte er die bewahrenswerte, weitgehend erhaltene wertvolle Substanz. Zugleich würdigte Dr. Winzeler das Wirken des Förderkreises Görlitzer Synagoge e.V., für den die Neue Synagoge Herzenssache ist.
Neben ihm Dr. Nora Pester, Eigentümerin des Leipziger Verlags für jüdische Kultur und Zeitgeschichte Hentrich & Hentrich. Eigentlich sollte sie gemeinsam mit dem Dipl.-Journalisten Sebastian Beutler, Redaktionsleiter der Sächsischen Zeitung und einer der Geschäftsführer der Redaktions- und Verlagsgesellschaft Neiße mbH, die Moderation übernehmen, doch Beutler als einziger Teilnehmer der Runde mit Görlitzer Stallgeruch aus "DDR"-Zeiten war gezwungen, eher die Zeitzeugen-Rolle auszufüllen.
Dann Alex Jacobowitz, für den die Veranstaltung ein inneres Fest gewesen sei muss. Wie anders soll man sich denn fühlen, wenn binnen weniger Tage mehrere große Träume aufgehen? Erst die feierliche Wiedereröffnung der Neuen Synagoge als Kulturforum und nun als erste Veranstaltung im Hause die Präsentation seines Buches. Und er war es, der die Veranstaltung zum Erlebnis werden ließ, mit dem Fiedler auf der Empore, seinem Gesang und seinem Marimbaspiel, am Ende seinem Gebet für die Unwetteropfer und schließlich der kleinen, höchst fachkundigen Führung durch die Wochentagssynagoge. Die darf vor den Jüdischen Gemeinde zwar genutzt werden, aber nur zu den Öffnungszeiten des Hauses von 10 bis 18 Uhr – für einen eigenen Schlüssel reicht das Vertrauen der Stadtoberen noch nicht aus.
Jacobowitz, in New York geborener US-Amerikaner mit israelischem Pass, kam 2008 nach Görlitz, nachdem er von der Synagoge gehört hatte. Rückblickend erzählte er von den Wirren um das Haus und seine Nutzung, denen schließlich Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der die Erhebung zum "Kulturdenkmal von nationalem Rang" einleitete, genau damit ein Ende setzte und den Sanierungsprozess ermöglichte.
Sebastian Beutler konnte als einziger in der Runde als Zeitzeuge berichten, ob die Neue Synagoge, zu "DDR"-Zeiten profan genutzt und dem Verfall preisgegeben, überhaupt noch im Bewusstsein der Görlitzer verankert war. Keine einfach Aufgabe gegenüber Leuten, die den "DDR"-Alltag nicht erlebt haben, aber vielleicht meinen, sich ihn vorstellen zu können, was ein ziemliches Glatteis ist. So war es nur richtig, vor einer Perspektive aus heutiger Zeit zu warnen, die vielleicht den Zerfall der Neuen Synagoge isoliert betrachtet ohne einzubeziehen, dass die gesamte Vorkriegs-Bausubstanz der Stadt im Zuge der sozialistischen Idee dem Verfall geopfert wurde. So kam auch zur Sprache: Während vor 1990 die Görlitzer Altstadt ein Quartier der sozialen Verelendung war, ist sie heute ein gefragtes und hochwertiges Wohngebiet. In Bezug auf die Neue Synagoge wies er darauf hin, dass in den späten Achtzigerjahren bei unterschiedlichen Gruppen – von der sozialistischen Freien Deutschen Jugend bis ins christliche Millieu – das Interesse am Bauwerk auf der Otto-Müller-Straße erwachte.
Das hat die Gesprächsrunde spannend gemacht: Aus ganz unterschiedlichen Erfahrungsperspektiven ein gemeinsames Thema so zu behandeln, dass eine Zukunftsorientierung entsteht. Das Gebäude ist fertig saniert, seine neue Entwicklung beginnt jetzt.
Prädikat: Unbedingt kaufen!
Alex Jacobowitz: Die Neue Görlitzer Synagoge,
erschienen bei Hentrich & Hentrich, 2021,
ISBN: 978-3-95565-463-4, 29,90 Euro
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- Quelle: Thomas Beier | Fotos: © BeierMedia.de
- Erstellt am 18.07.2021 - 00:03Uhr | Zuletzt geändert am 18.07.2021 - 02:23Uhr
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