Wieder Stadtratsbeschluss rechtswidrig

Görlitz-Zgorzelec. Wie die Stadtverwaltung Görlitz am 1. April 2008 mitteilt, ist auch der Beschluss Nr. 637a-07 des Stadtrates der Kreisfreien Stadt Görlitz vom 31. Januar 2008 rechtswidrig. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Dresden (RP) ging der Stadt Görlitz am Vortag zu. Die Stadt Görlitz wird darin aufgefordert, den rechtswidrigen Beschluss innerhalb von sechs Wochen aufzuheben. Für den Fall, dass die Stadt dieser Anordnung nicht nachkommt, wird die Ersatzvornahme angedroht.

Anzeige
cms[SKYSCRAPER]

Gemeindevermögen soll geschützt werden

Mit Beschluss Nr. 637a-07 hatte der Stadtrat den Oberbürgermeister beauftragt, das Angebot des ehemaligen Geschäftsführers der Stadtreinigung Görlitz GmbH i.L. anzunehmen, den mit Urteil des Oberlandesgerichtes Dresden vom 27. Juni 2006 zugesprochenen Betrag in Höhe von 153.262,34 Euro vollständig zu zahlen. Dagegen hatte der Görlitzer Oberbürgermeister Joachim Paulick Widerspruch eingelegt und den Vorgang zur Entscheidung dem RP Dresden vorgelegt.

Das RP begründet seine Entscheidung damit, dass das Angebot des ehemaligen Geschäftsführers als Vergleichsangebot zu verstehen ist. Die Anweisung an den OB zur Annahme dieses Angebotes verstößt gegen § 89 Abs. 1 SächsGemO. Demnach soll das Vermögen der Gemeinde unter Berücksichtigung seiner Bedeutung für das Wohl der Allgemeinheit ungeschmälert erhalten bleiben. Zum Vermögen gehört auch das Betriebsvermögen der wirtschaftlichen Unternehmen der Gemeinde einschließlich der Beteiligungen. Dem Betriebsvermögen als Teil des gemeindlichen Vermögens sind auch Forderungen der Betriebe sonstiger Art zuzuordnen. Die Verpflichtung zur pfleglichen und wirtschaftlichen Vermögensverwaltung gemäß § 89 SächsGemO ist eine Spezifizierung der Grundsätze zur wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung nach § 72 Abs. 2 SächsGemO. Diese Grundsätze sind verbindliche Rechtsnormen für die gesamte Gemeindewirtschaft.

Der Stadtrat hat, so heißt es im Bescheid des RP, folgende Gesichtspunkte nicht berücksichtigt: „Für ein Vergleichsangebot ist grundsätzlich dann Raum, wenn sich die Ausgangssituation so darstellt, dass beide Vergleichsparteien nicht oder nur schwer abwägbare Risiken zu tragen haben, die es angezeigt erscheinen lassen, von den jeweiligen Maximalforderungen abzuweichen, um einen Vergleich eingehen zu können.

Vorliegend hatte aber das Landgericht Görlitz durch noch nicht rechtskräftiges Schlussurteil vom 11.01.2008 aufbauend auf dem Teil- und Grundurteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 27. Juni 2006, den ehemaligen Geschäftsführer sowie die ehemaligen Aufsichtsräte gesamtschuldnerisch verurteilt, der SRG GmbH i.L. weitere 222.934,75 Euro zu leisten. Insoweit bestand und besteht zunächst keine wirtschaftliche Notwendigkeit seitens der Stadt, von vornherein auf einen bestimmten Teil der schlussendlichen Schadenersatzsumme zu verzichten. Dies auch vor dem Hintergrund, dass das Gutachten der Rechtsanwälte Thümmel, Schütze & Partner vom 3. Januar 2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass der ehemalige Geschäftsführer im Innenverhältnis der verurteilten Herren Thoms, Keller, Schmidt, Lehmann, S. Lechner und Gottschling den Schaden alleine zu tragen habe. Soweit der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion auf einen möglichen Schadenersatzanspruch des ehemaligen Geschäftsführers gegen die Stadt abhebt und gegen diesen gleichsam aufrechnen möchte, handelt es sich dabei um die bloße Möglichkeit der Geltendmachung eines Anspruchs.“

Ob die Rechtsaufsichtsbehörde von ihrem Beanstandungsrecht Gebrauch macht, obliegt ihrem pflichtgemäßen Ermessen Die Beanstandung und Aufhebung des Beschlusses Nr. 637a-07 liegt im öffentlichen Interesse. Die Verletzung von Rechtsvorschriften des Freistaates Sachsen durch die Stadt Görlitz ist von grundsätzlicher Bedeutung. Der Stadtrat als das von den Bürgern gewählte kommunalpolitische Führungsorgan der Stadt entscheidet über alle wesentlichen Angelegenheiten der Stadt Görlitz und ist an Artikel 20 des Grundgesetzes gebunden. Dies verpflichtet ihn, die Gesetze und das objektive Recht bei seinen Beschlussfassungen zugrunde zu legen.

Die im Freistaat Sachsen verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltung steht dem nicht entgegen. Sie ist jedoch nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet. „Damit ist es nicht vereinbar, dass der Stadtrat einen Beschluss fasst, der Vorschriften der Sächsischen Gemeindeordnung verletzt. Vorliegend ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Stadtrat zum wiederholten Male in Bezug auf die Frage der Haftung des ehemaligen Geschäftsführers sowie der ehemaligen Aufsichtsräte der SRG GmbH die Grundsätze der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung nicht oder nur unzureichend beachtet. Da das öffentliche Interesse auf die Einhaltung der Gesetze gerichtet ist, kann das rechtswidrige Wirken des Stadtrates nicht hingenommen werden.“, führt das RP in seinem Bescheid aus. Die Androhung einer Ersatzvornahme sieht die Rechtsaufsicht als erforderlich an, da der Stadtrat sich in der Vergangenheit geweigert hat, vom RP beanstandete Beschlüsse aufzuheben.

Kommentare Lesermeinungen (0)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Schreiben Sie Ihre Meinung!

Name:
Email:
Betreff:
Kommentar:
 
Informieren Sie mich über andere Lesermeinungen per E-Mail
 
 
 
Weitere Artikel aus dem Ressort Weitere Artikel
  • Quelle: /red | Erstveröffentlichung 01.04.2008 - 20:07 Uhr
  • Erstellt am 01.04.2008 - 19:59Uhr | Zuletzt geändert am 01.04.2008 - 21:50Uhr
  • drucken Seite drucken