Sicherheit und Recht und Ordnung
Görlitz, 14. Mai 2019. Von Thomas Beier. Nicht mehr lang, dann kommt der Weltuntergang, denkt so mancher Görlitzer angesichts der bevorstehenden Wahlen. Während die Konsequenzen des Wahlausgangs am 26. Mai im Europaparlament nur scheinbar weit weg liegen, geht es in Görlitz richtig zur Sache: Neben dem Kreistag schlägt hier auch für Stadtratskandidaten, Ortschaftsratsbewerber und Oberbürgermeisterkandidaten, jeweils auch die Innen, die Stunde der Wahrheit. Eine Momentaufnahme.
Abbildung: Das könnte im Ergebnis von konservativen Vorstellungen zu Ordnung und Sicherheit wieder aufleben: Ein auf Görlitz verfälschtes Plakat aus "DDR"-Zeiten. Beispielhafte Stichworte sind angestrebte, DNA-basierte Ermittlungen gegen Hundehäufchenverursacher und -nichtbeseitiger (CDU), Kameraüberwachung (AfD und CDU), Grenzzaun zum polnischen Teil der Europastadt (AfD)
Wer schon im Wahlkampf abgucken muss, wie soll der Politik gestalten?
Thema: Oberbürgermeisterwahl Görlitz
Am 26. Mai 2019 wird in Görlitz im ersten Wahlgang über einen neuen Oberbürgermeister resp. eine neue Oberbürgermeisterin abgestimmt. Amtsinhaber Siegfried Deinege tritt nicht noch einmal an.
- Glückwunsch und Wunsch nach Veränderung [17.06.2019]
- Ursu dankt seinen Wählern [17.06.2019]
- Weißer Rauch über dem Görlitzer Rathaus [17.06.2019]
Gerade an der Wahl der neuen Oberbürgermeisterin oder eines neuen Oberbürgermeisters entzünden sich im Neißestädtchen die Gemüter, als würde hier die Weltpolitik entschieden. Obgleich: Immerhin hat eine Bewerberpartei den Marsch über die Rathäuser als Weg in Richtung Bundesregierung erkannt. Außerdem registriert die Welt sehr wohl, wie das Görlitzer politische Stimmungsbild, das sich im Wahlergebnis ausdrücken wird, aussieht.
Der interessierte Wahlbürger kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass im Wahlkampf gern geschielt wird, wie die Mitbewerber vorgehen, was dann versucht wird, zu kopieren. So haben Franziska Schubert und ihre Unterstützer vom Kommunalpolitischen Netzwerk Motor Görlitz e.V. auf die Kraft klarer Videobotschaften gesetzt: Motor Görlitz präsentiert so die Kandidaten seiner "Freien Liste Motor Görlitz" und Schubert punktet seit einigen Tagen mit einem Küchenvideo, in dem die waschechte Oberlausitzerin nicht nur ihre Bodenständigkeit beweist, sondern nebenher im Gespräch erläutert, wie und mit welchen Zielen sie das Amt als Oberbürgermeisterin von Görlitz ausfüllen möchte.
Dass man mit Speck Mäuse fängt, hat nun auch die AfD erkannt: "Wippel kocht im Bürgergespräch" heißt es dort, was allerdings ein wenig doppeldeutig klingt. Die Doppeldeutigkeit zwischen Außendarstellung und inneren Zuständen hingegen haben eine Akteurin, die sich fünf Jahre engagiert für die AfD Görlitz eingesetzt hat, zum Austritt bewogen. "Vetternwirtschaft, betreutes Denken, Meinungsdiktatur und ein totalitärer Führungsstil prägten zunehmend das politische Alltagsgeschäft", wirft sie ihren Ex-Parteifreunden vor, unterscheidet aber zwischen aufrichtigen Mitgliedern und jenen, die es wohl nicht sind. Da möchte man gar nicht weiter nachstochern.
Die Macht des Videos hat auch Octavian Ursu von der CDU erkannt. Auf facebook sponsert er Videobotschaften, die – bei allem guten Willen – ein wenig in die Irre führen: Über den Videos ist jeweils zu lesen "Mein Name ist Octavian Ursu und ich kandidiere am 26." und dann tauchen meist nicht mehr ganz junge Gesicher auf, die aber nicht Herr Ursu sind. Dass er die Farbe Grün für Logo und Schrift wählt, aber die CDU nicht erwähnt, steigert die Verwirrung weiter. Hauptsache, Farbe im Spiel!
Die CDU ist ja der Klassiker, wenn es um Wirtschaft geht: Keine andere Partei ist so intensiv mit Unternehmern verbandelt, die MIT Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (Update: jetzt Mittelstands- und Wirtschaftsunion, hier zum Vorgehen in der Corona-Pandemie), die auch einen sächsischen Landesverband hat, und der Wirtschaftsrat der CDU stehen dafür. Allerdings greift Ursu mit seinen Vorstellungen von einem Technologiepark mit Gründerzentrum und Start-Ups in die Mottenkiste gescheiterter Förderversuche, zumindest attestierte der Sächsische Rechnungshof im Jahr 2010 den Technologie- und Gründerzentren einen hohen Anteil bilanzieller Überschuldungen. Für die CDU spricht ihre Handlungsfähigkeit, der etablierte Strukturen von Parteibuchinhabern zugrunde liegen.
Was Wirtschaft betrifft, punktet aber auch Franziska Schubert, unterstützt unter anderem von ihrer Partei, den Bündnisgrünen, dem Bürger für Görlitz e.V., dem Kommunalpolitischen Netzwerk Motor Görlitz e.V. und – nachdem sich alle Kandidaten auf Mitgliederversammlungen vorgestellt hatten – der SPD Görlitz; in ihrem Netzwerk finden sich Protagonisten, die engagiert Projekte zum Wohle der Stadt umsetzen. Besonders die Selbständigen auf der Freien Liste Motor Görlitz verkörpern eher die moderne Arbeitswelt jüngerer Erwachsener, immerhin sind mehr als die Hälfte der Stadtratskandidaten von Motor Görlitz Unternehmer. Hinzu kommt: Der Haushaltsexpertin Schubert macht auch in der Wirtschaftsentwicklung nicht so schnell jemand etwas vor, anstelle von Symbolpolitik und neuer Gebilde setzt sie auf konkrete Schritte und auf pragmatische Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg: verbindlich und zuverlässig. Erwähnenswert: Schubert punktet auch bei Wählern aller Altersgruppen außerhalb ihres Bündnis-Milieus, wozu ihre unkompliziert-freundliche, aber auch klare und direkte Art beitragen.
Von der Oberbürgemeisterkandidatin der Linkspartei Jana Lübeck dringt wenig nach außen, außer dass die Linken sie auf Plakaten abbilden und damit sagen: Wir sind auch noch da! Das ist schade, handelt es sich doch um eine engagierte Kulturmanagerin, die besonders bei sozialen Themen durchaus eine Stimme im Wahlkampf sein könnte.
Beim Görlitzer Anzeiger eingereichte Wahlkampftermine:
Die AfD heißt alle interessierten Bürgerinnen und Bürger herzlich willkommen:- Donnerstag, 16. Mai 2019, von 9 bis 10 Uhr und von 14 bis 17 Uhr:
Hagenwerder an der Sparkasse: Info-Mobil mit dem OB-Kandidaten Sebastian Wippel - Donnerstag, 16. Mai 2019, von 11.30 bis 13.30 Uhr,
Mehrgenerationenhaus Landheimstraße in Görlitz-Weinhübel: Wippel kocht im Bürgergespräch - Freitag, 17. Mai 2019, von 14 bis 18 Uhr,
Marienplatz Görlitz: Info-Mobil der AfD-Stadtratskandidaten - Sonnabend, 18. Mai 2019, von 9 bis 12 Uhr,
Marienplatz Görlitz: Info-Mobil der AfD Kreistagskandidaten
Eine Alternative sind die Termine der Oberbürgermeisterkandidatin Franziska Schubert, die sich über neugierige Fragen zu ihrer Politik und ihrem angestrebten Amt freut:
- Dienstag, 14. Mai 2019, von 11.30 bis 12.15 Uhr,
Hochschule Görlitz: Policy Slam der vier Oberbürgermeisterkandidaten bzw. -kandidatinnen - Mittwoch, 15. Mai 2019, 18 Uhr,
esta e. V. / Wartburg: Wahlforum - Gespräch mit Jugendlichen - Donnerstag, 16. Mai 2019, 10 Uhr,
Regenbogen-Grundschule (Szkoła Podstawowa "Tęcza" w Zgorzelcu, ul. Boh. II AWP 16, 59-900 Zgorzelec): Europa-Picknick - Donnerstag, 16. Mai 2019, 13 Uhr:
Steinstraße 1, 02826 Görlitz: Bürgersprechstunde - Donnerstag, 16. Mai 2019, 19 Uhr,
Steinstraße 1, 02826 Görlitz: Frauenabend "Einfach Machen" - Freitag, 17. Mai 2019, 18 Uhr:
Literaturhaus Alte Synagoge, Langenstraße 24, 02826 Görlitz: "Mobilität in Görlitz: Gut unterwegs sein" – eine Veranstaltung zum Mitmachen anhand des Görlitzer Verkehrsplans - Sonnabend, 18. Mai 2019, 11.30 Uhr,
Lebensschule Bautzener Straße: Franziska zu Gast beim Nachbarschaftsbrunch (private organisiert) - Sonnabend, 18. Mai 2019, 14 Uhr,
Stadthallengarten Görlitz: Franziska zu Gast beim Kinderfest - Sonntag, 19. Mai 2019, 12 Uhr,
Franziska macht mit bei der Bündnis-Demo "Ein Europa für Alle" in Görlitz - Sonntag, 19. Mai 2019, 18.30 Uhr,
Stadthallengarten: Franziska trifft Robert Habeck – Was braucht gute Politik?
Kandidat Ursu
Von Jens am 14.05.2019 - 11:21Uhr
Ja, ja, der Octavian und die Überwachungskameras, die sind ja beide seit Tagen überall in Görlitz präsent, zum Glück bisher nur auf übermächtigen Plakaten. Hab mich bei der ersten Sichtung richtig erschrocken. Da fiel mir auch gleich sein Spitzname aus alten Theaterzeiten ein: Octavian "(...)" Ursu.
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Anmerkung der Redaktion:
In Wahlkampfzeiten geht es auch rau zu. Dennoch möchten wir bestimmte rote Linien nicht überschreiten, besonders dann, wenn ein Kandidat übermäßig diskreditiert würde, indem man ihn in offensichtlich nicht bestehende oder nicht überprüfbare Zusammenhänge rückt. Wir haben deshalb den Spitznamen entfernt.
Allerdings halten wir es für befremdlich, wenn sowohl CDU als auch AfD ihre Oberbürgermeisterkandidaten vor Überwachungskameras präsentieren. Mit Überwachung erzeugt man Ausweichverhalten, löst aber kein Problem. Das musste schon die Stasi lernen, mit einem Unterschied: Während früher "hinter vorgehaltener Hand" gesprochen wurde, setzt man heute beim Spaziergang die Kapuze auf.
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- Quelle: Thomas Beier | Abbildungen: Foto Plakat und bearbeitung: Görlitzer Anzeiger, Abbildung Ursu-Werbung: Screenshot von facebook
- Erstellt am 13.05.2019 - 19:24Uhr | Zuletzt geändert am 03.03.2021 - 09:17Uhr
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