Corona – eine Momentaufnahme

Corona – eine MomentaufnahmeGölitz, 20. Oktober 2020. Von Thomas Beier. So langsam aber sicher dämmert es manchem: So ganz ohne ist das mit der Corona-Pandemie wirklich nicht. Bei wem die Behandlung der Erkrankung an Covid-19 einen schwereren Verlauf genommen hat, der muss oft genug mit den Folgen leben.

Abb.: Lockdown ist auch keine Lösung
Symbolfoto: Gabriele Lässer, Pixabay License (Bild bearbeitet)
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Für Erwachsene nötig: Warum, wieso, weshalb?

Mehr als ein halbes Jahr nach dem ersten Nachweis des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Deutschland darf man näher hinschauen, wie mit der Pandemiegefahr umgegangen wird. Einzukalkulieren ist dabei, dass Regierung, Verwaltungen, Gesundheitsdienstleister und nicht zuletzt viele Bürger im Umgang mit dem Virus gelernt haben. Bei den Bürgern zeigt sich das in der Akzeptanz von Vorsichtsmaßnahmen: Während vor der Anordnung die Mund-Nase-Abdeckung eine eher exotische Erscheinung war, wird sie heute teils übertrieben gehandhabt, wenn etwa ein einsamer Spaziergänger sich – Wen sonst? – auf diese Weise zu schützen versucht.

Gezeigt hat sich: Je mehr Vorsichtsmaßnahmen im Detail vorgeschrieben werden, um so öfter zeigen sich Situationen, in denen sie wenig sinnvoll erscheinen. Ausweg ist es, an die Vernunft der Bürger zu appellieren und sich selbst auf angemessene Weise vorsichtig zu verwalten, zum eigenen Schutz und dem anderer. Doch die Corona-Krise hat gezeigt, dass Vernunft und Rücksicht im Volke bei großen Gruppen nicht sonderlich verbreitet sind, was man übrigens schon immer auf den deutschen Autobahnen nachvollziehen kann.

Insbesondere ist die Akzeptanz des Pandemiegeschehens und seines vergleichsweise hohen Gefahrenpotentials – im Vergleich zu Grippeviren verfügt SARS-CoV-2 über eine deutlich höhere Infektiosität, schwere Krankheitsverläufe sind häufiger – gering. Dazu tragen stereotype Verlautbarungen aus Verwaltungen ebenso bei wie das Trommelfeuer der Medien, die sich auf das Thema Corona eingeschossen haben und einander zu übertreffen versuchen. Offenbar gibt es auch eine verwaltungstypische Angst, etwas Falsches zu verkünden, weshalb zu wenig erklärt wird. Das öffnet Tür und Tor für Pseudoinformationen in den sozialen Medien, in deren Menge seriöse Information schnell untergehen.

Eine ganze Liga hat sich zusammengefunden an unqualifizierten Wissenschaftsleugnern, die sich darauf berufen, dass sich auch Wissenschaft irren könne, ohne Arbeit nach wissenschaftlichen Maßstäben zu kennen, an Esoterikern, die glauben, über bessere Erkenntnisse als andere zu verfügen und die Infektionsgefahr mit innerer Einstellung in Zusammenhang bringen, und jenen, den alles Recht ist, was dazu beiträgt, die Demokratie in Misskredit zu bringen. Wer heute gegen Freiheitseinschränkungen im Zusammenhang mit Anti-Corona-Maßnahmen protestiert weiß vermutlich nicht, wie ein Leben in Unfreiheit aussieht. Zum gegenwärtigen Pandemieverlauf hat ganz wesentlich beigetragen, dass sich eben viele in den Situationen, in denen es nötig gewesen wäre, nicht an die einfachen AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Mund-Nase-Abdeckung) gehalten haben. Übrigens hat ein Staat, der stark auf Überwachungskameras und Gesichtserkennung setzt, ganz gewiss kein Interesse daran, dass seine Bürger mit Mund-Nase-Abdeckungen herumlaufen.

Schaut man auf Politik und Verwaltung, so darf man eine gewisse Phantasielosigkeit und inzwischen auch Lösungsinkompetenz, die sich im Delegieren von Verantwortung nach unten zeigt, attestieren (Update vom 3. März 2021: Das hat sich geändert, denn die Mittelstands- und Wirtschaftsunion drückt auf Tempo, siehe den Artikel "Flexibel gegen die Corona-Pandemie"). Was beim Bürger und bei Unternehmen ankommt, das sind vor allem Vorschriften, sprich Einschränkungen, und finanzielle Hilfen, inzwischen auch die Forderung nach noch mehr Eigenverantwortung. Wie wäre es aber, wenn man zur Unterstützung der Gesundheitsämter nicht nach Polizei und Militär rufen, sondern ein Beschäftigungsprogramm für Berufsgruppen, die wegen der Vorsichtsmaßnahmen zur Tatenlosigkeit verdammt sind, auflegen würde? Warum soll ein Eventmanager nicht befähigt sein, Kontakte nachzuverfolgen? Und wie wäre es, statt Veranstaltungsabsagen und anstelle von drastischen Reduzierungen von Besucherzahlen, die in Kultur, Gastronomie und Sport vieles unmöglich machen, pandemieangepasste Konzepte zu entwickeln und zu propagieren, so dass sie multipliziert werden können? So hat etwa die Stadt München anstelle der abgesagten Wiesn zugelassen, dass Verkaufsbuden und Schausteller sich über das Stadtgebiet verteilen dürfen – das hilft nicht jedem, aber vielen.

Überhaupt zeigt sich, dass Kommunikation einer der großen Schwachpunkte in der Coronakrise ist. Dafür ist das sogenannte "Beherbergungsverbot" ein Beispiel, ein Wort, das selbst von Journalisten unbedacht benutzt wird. Ein generelles "Beherbergungsverbot" gab es nämlich nie, sondern nur den Versuch, im Falle einer Übernachtung bei einem gewerblichen Anbieter die Vorlage eines Gesundheitszeugnisses, das nicht älter als 48 Stunden sein sollte, durchzusetzen – und das ist eben etwas anderes als ein pauschales Verbot. Ob die Vorlage eines Gesundheitszeugnisses angesichts der sonstigen AHA-Vorsichtsmaßnahmen und der organisatorischen Vermeidung von Gedränge am Bufett überhaupt sinnvoll ist, sei dahingestellt – vielleicht bringen die Createure solche Vorschriften eine Auswärts-Übernachtung automatisch mit schummrigen Situationen zusammen?

Aber auch die – vermutlich meisten – Nutzer der sozialen Netzwerke tragen dazu bei, ein verzerrtes Meinungsbild zu erzeugen. Als gestern die Meldung kursierte, in einer Erzgbirgsstadt hätten Ordungsamt und Polizei bei einer gemeinsamen Kontrolle Gaststätten geschlossen, weil weder ein Hygienekonzept vorlag noch irgendwelche Regeln eingehalten wurden, lautete der schnelle Vorwurf: Jetzt schließen sie schon Gaststätten ohne Vorwarnung! Abgesehen vom verallgemeinernden "sie" ist das vergleichbar einem besoffenen Autofahrer, den man "ohne Vorwarnung" zum Verlassen des Fahrzeugs auffordert.

Die Parlamente stärker in die Steuerung des Coronageschehens einzubeziehen, kann der Stimmung gegen "die da oben" entgegenwirken – allerdings muss man fragen, weshalb die Volksvertretungen nicht von selbst daraufgekommen sind.

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  • Quelle: red | webentwicklerin / Gabriele Lässer, Pixabay License (Bild bearbeitet)
  • Erstellt am 20.10.2020 - 09:46Uhr | Zuletzt geändert am 03.03.2021 - 09:36Uhr
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