Wo isser denn?

Görlitz. Stell Dir vor, Du unterschreibst einen Arbeitsvertrag und gehst am ersten Tag nicht hin. Steigern lässt sich das noch, wenn Du Dich für ein öffentliches Amt wählen lässt und dann nicht pünktlich antrittst. Da ist dann von Anfang an weniger Zug drin. Wer am Montag, dem 2. Juli 2012 dem neuen Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege seine Aufwartung machen und zum Amtsantritt gratulieren möchte, kann sich das sparen: Vorerst ist die Stadt kopflos. Deinege will erst am 16. Juli 2012 antreten.

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Görlitz kopflos - eine schlüssige Erklärung gibt es nicht

Die Görlitzer Wählerinnen und Wähler mögen mit allem Möglichen für die Amtszeit des neuen Oberbügermeisters gerechnet haben, dass er aber erst einmal überhaupt nicht kommt, löst schon Fragen nach dem Umgang mit dem Wählerauftrag aus.

Zunächst hatte Deinege den Widerspruch eines Görlitzers gegen das Wahlergebnis angeführt. der war zwar vom Landratsamt Görlitz abgelehnt worden, aber immerhin war formal noch der Widerspruch des Bürgers gegen den Bescheid möglich. Doch der hatte auf diese Möglichkeit schon am 22. Juni 2012 verzichtet (der Görlizer Anzeiger berichtete am 22. Juni 2012: Bahn frei für Deinege). Auch das Landratsamt Görlitz hatte bestätigt, dass Deinege am 1. Juli 2012 antreten könne.

Wahre Gründe im Dunkeln

Somit dürfte der Wahlwiderspuch nur vorgeschoben sein. Wo aber liegen die wahren Gründe für die gleich vierzehntägige Verschiebung des Amtsantritts? Offen gesagt: Keine Ahnung - allerdings stimmt das so auch nicht, Ahnungen gibt es schon. Leser hatten in Zuschriften gleich mehrere Gründe mitgeteilt, weshalb ein pünktlicher Amtsantritt undenkbar sei. Veröffentlicht hat das der Görlitzer Anzeiger mangels Belegbarkeit nicht.

Bleibt also abzuwarten, ob sich die Hintergründe der Görlitzer "drôle de gouvernement" im Nachhinein erhellen. Ein öffentliches Wort an die Görlitzer und Görlitzerinnen zum erwarteten Tag des Amtsantritts wäre ein kleiner Lichtstrahl gewesen.

Doch vorerst tappen wir weiter im Dunkeln,

Ihr Fritz R. Stänker

Kommentare Lesermeinungen (6)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Na, da isser ja!

Von Jens am 08.07.2012 - 22:36Uhr
Oder etwa doch nicht?

Jedenfalls kündigt unsere geliebte Tageszeitung für heute den Görlitzer Oberbürgermeister im Amte an: "Der neue Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege (parteilos) wird das Warschauer Panda-Weibchen begrüßen. Es ist seine erste offizielle Amtshandlung, noch bevor er am 16. Juli die Rathausgeschäfte übernimmt", schreibt sie.

Wie geht das denn: "Es ist seine erste offizielle Amtshandlung, noch bevor er am 16. Juli die Rathausgeschäfte übernimmt"? Die erste offizielle Amtshandlung bevor... also des inoffiziellen oder informellen (...) Oberbürgermeisters? Nun verstehe ich das Ganze erst recht nicht mehr, warum fängt er denn nicht am 1. Juli an? Wissen wir nicht.

An der Zeit kann es nicht liegen, denn er nimmt ja offiziell repräsentative Auftritte wahr, gemeinsam mit dem Bürgermeister aus Zgorzelec, der ja im Amt ist.

Lieber Herr Deinege, sagen Sie uns doch bitte, welches Spiel sie hier mit uns und unserer Stadt spielen, vielleicht können wir es verstehen, so dumm sind wir nämlich nicht. Sie können ja vorher auch noch die Herren Kretschmer und TIllich fragen.

Da hat doch gestern ein Freund mit mir wetten wollen, dass der Herr D. auf ein ordentliches Hochwasser wartet, um da mit ordentlichem Tatütata und Sirenengeheul sein Amt zu beginnen.

Das glaube ich ja nun aber doch nicht, oder?

Unter der Filzdecke

Von Jens am 04.07.2012 - 20:25Uhr
Richtig Ernst, wo bliebt die Aufklärung.

Es ist nicht nur der Rechtsaufsicht egal, was man ja noch zuordnen kann (Landrat Lange ist stellv. Vorsitzender der Sachsen-CDU), es ist scheinbar auch der Presse egal, wo sind die Chefaufklärer der Nation, wo ist die BILD, der Focus, gibt es keine investigativen Journalisten mehr in Sachsen? Oder stecken die auch schon mit unter diese Decke aus Filz, die gerade über Görlitz gelegt wird?

Ich glaube, das sind die Netzwerke, die Herr Deinege in seinen Wahlkampfauftritten immer Gebetsmühlenartig erwähnte. Ich nenne das Filz, in Italien hat man noch ein anderes Wort dafür.

Wir dürfen uns wohl auf was gefaßt machen, deshalb wachsam bleiben, meint

Jens

Totschweigen

Von Ernst am 04.07.2012 - 13:19Uhr
Was laufen da für Spielchen, wenn ein gewählter Oberbürgermeister - ohne auch nur eine halbwegs offizielle Begründung - sein Amt mit zwei Wochen Verspätung antritt?

Wird da etwas vertuscht? Welche Verbindungen laufen da im Hintergrund, wenn das Ausbleiben des ersten Mannes der Stadt einfach schweigend hingenommen wird?

Auch der Rechtsaufsicht scheint es egal zu sein, ob der Gewählte pünktlich antritt.

So erhalten Gerüchte Nahrung.

Wo isser denn? Grund für Schadensersatz?

Von Rolf Domke am 04.07.2012 - 09:19Uhr
Wenn sich jemand in ein Amt wählen lässt, gewählt wird, der fixe mögliche Dienstantrittstermin bereits bei Kanditatur bekannt ist, dann aber ohne zwingenden Grund den Antrittstermin nicht wahr nimmt, ist das doch Arbeitsverweigerung, in der freien Wirtschaft ein Grund zur fristlosen Kündigung. Ebenfalls ein Grund zur Schadensersatzforderung.

Warum scheint das bei dem Amte eines Oberbürgermeisters anders zu sein? Weiß das jemand?

Fließt da vielleicht trotzdem schon das Gehalt des Oberbürgermeisters? Weiß das jemand?

Dass hier die örtliche Redaktion der Sächsischen Zeitung wieder mal kläglich versagt, von dort hätten die Antworten schon längst recherchiert und veröffentlicht sein müssen, ist nichts Neues. Dass sich die Deinege-Wahlvereine CDU, Bürger für Görlitz(?), FDP, Grüne hinter ihren eigenen Peinlichkeiten verstecken, ist auch nichts Neues.

Dass Herr Deinege aber selbst schweigt, ist die neue Dimension der Görlitzer Skandalgeschichte.

Ich höre aus den Hinterzimmern schallen: Liebes Volk, Du hast abgestimmt wie wir wollten, also tun wir auch was wir wollen. Ätsch.

Amtspflicht

Von Jens am 02.07.2012 - 23:58Uhr
Richtig, Herr Stänker, wir tappen im Dunkeln.

Stellen wir uns doch mal vor, dass wäre vor sieben Jahren passiert. Ja, unvorstellbar. Aber wären da nicht ein Dr. Weidle und ein Ahrens mit Schaum vor dem Mund durch die Stadt gelaufen und hätten eiligst eine Stadtratssitzung einberufen, um die Abwahl von Herrn Paulick einzuleiten? Ich glaube auch, das wäre richtig gewesen, genauso wie es heut richtig wäre. Einen Oberbürgermeister, der uns Wähler von Anfang an täuscht, der uns nicht die Wahrheit über sich und seine Verhältnisse sagt, der sollte dieses Amt nicht innehaben. Es wird durch einen solchen Menschen beschädigt.

Aber es ist anders. Man hört nichts von den selbsternannten Wächtern der Tugend in Görlitz. Wo sind die Herren Fraktionsvorsitzenden der "Großen Koalition", wo der Landrat, der die Rechtsaufsicht hat, wo die anderen Wächter von Recht und Ordnung? Wo ist die Presse, die im Auftrag der Leser als vierte Gewalt das Verborgene aus den Hinterzimmern zerrt? Mit unserem "(...)", der SZ (...) brauchen wir wohl nicht rechnen. Und wo bleibt der Aufschrei der Bürgerschaft, die so hinter das Licht geführt wird? Stille.

Stille, die einem Angst macht, vor dem was noch kommen wird.

Unfassbare Nichtachtung der Wähler

Von Dr. P.Sander am 02.07.2012 - 13:02Uhr
Warum bin ich nicht überrascht, mit welcher Konsequenz die Unfähigkeit der "Wahlsieger" im Stadtrat meiner Heimatstadt weiter fortschreitet?

Gründe für Terminverlegungen jeglicher Art sind natürlich immer möglich, aber die Nichtachtung der Wähler ist einfach unfassbar. Keine der vorher mit breiter Unterstützung aufgetretenen Fraktionen scheint tatsächlich Vorstellungen über die Handhabung demokratischer Rechte und Pflichten zu haben.

Die "comitia centuriata" hat ja den höheren Beamten "magistratus maiores" fast eigenmächtig gewählt, nun haben die "boni cives" (die guten Bürger) oder sagen wir lieber die "Optimaten" (die Bestgesinnten) Pflicht und Schuldigkeit sich dem "populus" (Volk) von Görlitz zu erklären.

vix credendum est!! (Kaum oder schwer zu glauben)

MfG

Dr. P. Sander

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  • Quelle: Fritz R. Stänker | Foto: privat
  • Erstellt am 02.07.2012 - 02:09Uhr | Zuletzt geändert am 02.07.2012 - 02:54Uhr
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