Haushalt genehmigt - wie weiter?

Görlitz-Zgorzelec. Für den am 26. März 2009 vom Stadtrat verabschiedeten Doppelhaushalt 2009/2010 ist der Haushaltsbescheid am Abend des 18. Juni 2009 bei der Stadt Görlitz eingegangen. Der Stadt gelang, insbesondere durch die Abgabe kreislicher Aufgaben, mit dem vorgelegten Haushalt erstmals seit sieben Jahren wieder der Ausgleich. Dennoch war dieser zur Genehmigung vorzulegen, weil der in der Satzung beschlossene Höchstbetrag für die Aufnahme von Kassenkrediten 30 Mio. Euro beträgt und damit den genehmigungsfreien Betrag in Höhe von rd. 18 Mio. Euro deutlich übersteigt. Die Stadt hatte sich dennoch für diesen Weg entschieden, weil die Kassenkreditzinsen mit derzeit etwa ein Prozent deutlich unter der erwarteten Rendite des Neißefonds liegen.

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Die Wirtschaft fördern muss der, der davon profitiert

Der Haushalt wurde zum Vollzug freigegeben, da eine akute Gefährdung der Leistungsfähigkeit der Stadt nicht besteht. Der Bescheid wurde dennoch mit der Anordnung versehen, bis Ende 2009 für den Finanzplanungszeitraum ein neues Haushaltssicherungskonzept aufzustellen und zur Genehmigung vorzulegen. Erste vorbeugende Gegenmaßnahmen aus dem Konzept sollen 2010 greifen.

Risiken und ungeklärte Fragen

Das Landratsamt Görlitz erwartet - wie für alle anderen Kommunen im Landkreis - auch für Görlitz Einnahmerückgänge in Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise und damit einher gehender voraussichtlich stark verminderter Landeszuweisungen. Die Finanzausstattung des Freistaates wird sich ab 2011 durch den Rückgang der Mittel aus dem Solidarpakt, durch den anhaltenden Einwohnerrückgang und durch die Steuerausfälle der jetzigen Konjunkturkrise deutlich verringern.

Aufgrund des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes ist deshalb ebenso von einem deutlichen „höchst wahrscheinlichen“ Rückgang - so zitiert die Stadt das Landratsamt - der allgemeinen und investiven Schlüsselzuweisungen auszugehen. Diese Schlüsse seien Ergebnis der Wertungen der Mai-Steuerschätzung, wonach wegen der allgemeinen Konjunkturkrise deutlich negativere Beurteilungen vorzunehmen sind als noch im November 2008 (vorletzte Steuerschätzung). Es wird von kommunalen Steuereinbrüchen um 9,3 Prozent in 2009 und 2,3 Prozent in 2010 ausgegangen; insbesondere der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer werde wegen dem deutschlandweit erneuten Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht den Erwartungen entsprechen. Maßgebend für den Einkommensteueranteil, merkt die Stadtverwaltung an dieser Stelle an, ist die Einnahmeentwicklung im Bundesgebiet. Diese Einnahmen werden konjunkturell bedingt rückläufig sein.

Durch dieses Risiko befürchtet die Aufsichtsbehörde, sei der strukturelle Ausgleich nicht dauerhaft gesichert und neue Fehlbeträge nicht ausgeschlossen. Weitere Risiken sieht der Landkreis in der ungeklärten Frage der ÖPNV-Finanzierung und eventuellen Jahresverlusten des Eigenbetriebs Friedhof. Zudem stellt sie die Zinserwartung des Neißefonds wegen der jetzigen allgemeinen Zinsentwicklung in Frage.

Kürzungspotenzial in der Wirtschafts- und Kulturförderung?

Daher seien in der Folge seitens der Stadt weitere Konsolidierungsanstrengungen zu unternehmen. Potenzial sieht der Landkreis in den freiwilligen Leistungen der Stadt bezüglich der Wirtschafts- und Kulturförderung. Der Bescheid enthält zudem kritische Hinweise, darunter zur geplanten Geschäftsstelle Sozialkonferenz und zur Kinderbadelandschaft Helenenbad. Beide Maßnahmen stellen neue freiwillige Leistungen dar, welche angesichts der künftigen Haushaltslage als ermessensfehlerhaft anzusehen sind. In Frage gestellt wurde zudem die vom Stadtrat im Gegenzug vorgenommene Verringerung der Ausgaben für das Amtsblatt.

Mittel aus dem Neißefonds nicht beliebig verwendbar

Der verbleibende Restbetrag aus dem Neißefonds kann und soll allerdings nicht für eine dauerhafte Kompensation etwaiger neuer Defizite herangezogen werden, da er zum einen nur begrenzt zur Verfügung steht und zudem ursprünglich für investive Zwecke vorgesehen war. Die bis Ende 2010 aufgelaufenen Fehlbeträge dürfen bzw. müssen - analog der Auffassung des ehemaligen Regierungspräsidiums Dresden - aus dem Fonds beglichen werden.

Wer kann heute schon Prognosen abgeben? - Konsolidierung als Daueraufgabe

Die latenten Zukunftsrisiken, wie sie die Aufsichtsbhörde anführt, beruhen weitestgehend auf Annahmen, die weder die Behörde noch sonstwer konkret beziffern kann. Für die Stadt stellt sich die die Auflage als Prophylaxe dar, die für die Verwaltung nicht neu ist, denn Oberbürgermeister Joachim Paulick hatte sich ohnehin immer wieder zu einer stetigen Konsolidierung als Daueraufgabe bekannt.

Wirtschaftsförderung dient der Steigerung von Einnahmen

Paulick kommentiert den Bescheid des Landratsamtes im Hinblick auf die freiwilligen Zuschussleistungen an die stadteigene Wirtschaftsförderung so: „Strategisch kann die einzige Lösung für eine dauerhafte Kräftigung des Haushaltes - nach einer ihre Grenzen erreichenden Ausgabenstreichung bzw. -kürzung - nur in einer Erhöhung der Einnahmen liegen. Die Gewerbesteuer als eine der Haupteinnahmequellen des städtischen Haushaltes kann keineswegs durch weitere Hebesatzanpassungen, sondern ausschließlich durch die Stimulation von Unternehmenserweiterungen und -neuansiedlungen stabilisiert und gesteigert werden."

Er weiß also sehr wohl, dass er nicht endlos an der Kostenschraube drehen kann und die Leidensfähigkeit der Görlitzer, was das Sparen betrifft, ausgereizt ist. Will er aber die Einnahmen erhöhen, muss Zuwachs an Wirtschaft her, denn der Hebesatz für die Gewerbesteuer ist bereits so hoch in der Stadt, dass er Investoren abschrecken könnte. Und Paulick steht hinter seiner Wirtschaftsförderung: „Dazu ist die Tätigkeit der Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH unverzichtbar. Eine gesamtkreisliche Wirtschaftsförderung - wie ansatzweise aus den Reihen des Stadtrates neuerlich verlautbart wurde - mag sicher im Interesse kleinerer Gemeinden des Landkreises liegen, nicht aber im Interesse einer Stadt, welche nicht zuletzt auch für ihr Umland die Standards eines Oberzentrums erhalten will und muss. Eine konkrete Akquise von Investoren kann durch den Kreis, mangels eigener Flächen, ohnehin nicht geleistet werden. Dies ist klare Aufgabe der Stadt. Dem Kreis obliegen vielmehr die planerischen, konzeptionellen Aspekte der Wirtschaftsförderung. Zusätzliche Gewerbesteuern werden letztlich nur konkret an dem Ort erhoben, wo sich wirtschaftlich gut entwickelnde Betriebe niederlassen. Es muss also auch als haushalterischen Gesichtspunkten im ureigensten Interesse der Stadt liegen, den Schwerpunkt ihrer Betätigung konzentriert auf die Wirtschaftsförderung zu legen.“

Ein Sichtweise, der gut zu folgen ist: Derjenige, der die Gewerbesteuer einnimmt, muss als Hauptinteressent auch der Hauptakteur sein, wenn Investoren angeworben werden. Zersplitterte Kräfte zu bündeln, ist sicher gut - wenn man es aber übertreiben und - angenommen - die gesamte Wirtschaftförderung dem Kreis übertragen würde, so würde aus Ostrandsachsen nur noch eine Stimme erschallen und es würden Verteilungskämpfe der Kommunen um zentral auf Kreisebene akquirierte Investoren einsetzen. Ganz davon abgesehen, dass Wettbewerb auch Wirtschaftsfördergesellschaften gut tut.

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  • Quelle: /red /FRS | Erstveröffentlichung 19.06.2009 - 18:50 Uhr
  • Erstellt am 19.06.2009 - 17:21Uhr | Zuletzt geändert am 19.06.2009 - 21:19Uhr
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