Deutschland den Bürgern

Deutschland den BürgernGörlitz, 25. September 2021. Von Thomas Beier. Es gehört zu den Eigentümlichkeiten deutscher Geschichte, dass der Deutsche Bundestag im Reichstag, genauer gesagt im Reichstagsgebäude, zusammenkommt. Dessen Inschrift über dem Portal "Dem Deutschen Volke" sorgt für weitere Verwirrung.

Abb. Der Deutsche Bundestag tagt im Reichstagsgebäude. Das symbolisiert Kontinuität und Brüche deutscher Geschichte
Archivbild: © BeierMedia.de
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Verwirrung am Reichstagsgebäude

Verwirrung am Reichstagsgebäude
Wem Politik gewidmet ist. Eine Installation im Reichstagsgebäude
Archivbild: © BeierMedia.de

"Dem Deutschen Volke" ist ein Überbleibsel des Nationalstaates, der – wie in der Wacht am Rhein – auf "lieb Vaterland" setzte, um seine Interessen zu sichern. Heute vereint Deutschland ohne jeden Zweifel mehrere Völker, gelten doch etwa die Sorben und Wenden in Sachsen und Brandenburg als eigenständiges, westslawisches Volk. Dazu ist am 28. Januar 2019 auf lr-online.de ein bemerkenswertes Interview mit dem Historiker Peter Schurmann vom Sorbischen Institut in Cottbus erschienen.

Auch die Minderheit der Dänen in Schleswig-Holstein dürfte sich eher als deutsche Staatsbürger denn als deutsches Volk verstehen. Komisch nur, dass sich am Reichstagsgebäude die Idee – anders als etwa bei der nur scheinbaren, aber Spuren auslöschenden Korrektheit bei der Benennung einer U-Bahn-Station und von Naschereien – nicht durchgesetzt hat, die Inschrift den neueren Auffassungen anzupassen. Deutlich: Man hätte ja den Namen der U-Bahn-Station Mohrenstraße zum Denkmal erheben können, um daran zu erinnern, wie Rassismus in der Alltagssprache beginnt. Aber dazu reicht es bei den Sprachverdrehern der Gegenwart nicht.

Wenn also morgen der 20. Deutsche Bundestag gewählt wird, dann geht es keineswegs darum, die Abgeordneten des deutschen Volkes zu bestimmen, sondern die Abgeordneten der deutschen Staatsbürger – ein bedeutsamer Unterschied, den viele übersehen. Diese Abgeordneten, auch daran muss gedacht werden, haben nicht nur zum Wohle der deutschen Staatsbürger oder sogar nur ihrer Wähler zu arbeiten, sondern die gesamte Bevölkerung in Deutschland in Blick zu haben – diese ist ja insgesamt von ihrem Tun betroffen. Wer jedoch meint, Wahlen seien nur die Vorbereitung einer Mehrheitsdiktatur über die Minderheit, hat von Demokratie aber auch gar nichts begriffen.

Wählen gehen!

Auf jeden Fall sind alle wahlberechtigten deutschen Staatsbürger aufgerufen, morgen ihre Stimme – sofern noch nicht per Briefwahl geschehen – zur Wahl des Deutschen Bundestags abzugeben. Im Landkreis Görlitz betrifft das rund 205.000 Wahlberechtigte. Diese ruft Landrat Bernd Lange auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen: "Es ist der Moment, in dem sich jede und jeder in das politische Geschehen einbringen kann. Diesen Wert haben wir seit 1990. Seit über 30 Jahren sind wir in der Lage, die eigene Stimme in Freiheit und mit hoher Verantwortung, für sich selbst und andere, abzugeben. Ich möchte Sie ermutigen von diesem hohen Gut rege Gebrauch zu machen. Gehen Sie zur Wahl!"

Um den Worten Taten folgen lassen zu können, hat der Landkreis die nötigen Voraussetzungen geschaffen: Für die Stimmabgabe stehen im östlichsten deutschen Landkreis 228 Urnenwahlbezirke und 72 Briefwahlbezirke zur Verfügung. Für den Wahlablauf sind die Kommunen gefragt, die Wahlvorstände werden in jedem Wahlbezirk von der Gemeinde bestellt. Insgesamt werden im Kreis Görlitz ungefähr 2.000 Wahlhelfer im Einsatz sein.

Zehn Direktkandidaten – mit und ohne Listenplätze

Im Wahlkreis 157 – Görlitz wurden zehn Kandidaten – neun Männer und eine Frau – für die Wahl zum 20. Bundestag zugelassen. Interessant ist, wer von ihnen über einen aussichtsreichen Listenplatz weitgehend abgesichert ist, falls es mit der Direktwahl nicht klappen sollte – und wer nicht.

In der politischen Diskussion wurde bisher kaum beachtet, wer die Direktwahl, wenn man es so betrachten will, ein Stück weit zur Farce macht, weil er oder sie im Falle des Scheiterns dennoch in den Deutschen Bundestag einziehen könnte. Das deutsche Wahlverfahren ist allgemein bekannt: Mit der Erststimme wird eine Bewerberin oder ein Bewerber aus dem Wahlkreis gewählt. Die Zweitstimme ist die maßgebende Stimme für die Verteilung der Parlamentssitze auf die einzelnen Parteien. Einen Musterstimmzettel hat der Landkreis Görlitz zugänglich gemacht.

Erste Wahlergebnisse am Abend

Die Wahlergebnisse sollen auf der Internetseite des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen (StLa) unter www.wahlen.sachsen.de veröffentlicht werden, wo bereits jetzt erste allgemein Informationen und Downloads zur Bundestagswahl 2021 bereitstehen. Der Link zu den Wahlergebnissen soll am Wahltag zudem auf der Görlitzer Landkreis-Seite zu finden sein.

Erste Wahlergebnisse könnten bis gegen 22 Uhr vorliegen. Verzögerungen sind möglich, wenn etwa die Ergebnisermittlung in einzelnen Wahlbezirken wegen hoher Wahlbeteiligung oder besonders vieler Briefwähler länger dauert.

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  • Quelle: red | Fotos: © BeierMedia.de
  • Erstellt am 25.09.2021 - 07:25Uhr | Zuletzt geändert am 25.09.2021 - 09:00Uhr
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