Görlitzer Stadtratsfraktionen und Oberbürgermeister positionieren sich in Asyldebatte

Görlitzer Stadtratsfraktionen und Oberbürgermeister positionieren sich in AsyldebatteGörlitz, 24. September 2015. Von Thomas Beier. Unter unseren Mitbürgern finden sich erschreckend viele Zeitgenossen, die angesichts des in jüngster Zeit besonders hohen Zustroms von Menschen in unser Land, die sich hier Schutz und die Verbesserung ihrer Lebenssituation erhoffen, die hässliche Fratze der Ausländerfeindlichkeit zur Schau tragen und ohne jede Scheu in unentschuldbarer Einfalt Nazivokabular wie das Wort von der "Überfremdung" nachplappern. Die Görlitzer Verwaltungsspitze und die Stadtratsfraktionen haben jetzt mit einer Erklärung reagiert.
Abbildung: Abendländische Stimmung in Görlitz? Denkste, hier geht die Sonne zuerst in Deutschland auf!

Foto: © Görlitzer Anzeiger
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Gemeinsame öffentliche Erklärung des Oberbürgermeisters und Fraktionen des Stadtrates der Großen Kreisstadt Görlitz

Thema: Asyl in Görlitz und Umgebung

Asyl in Görlitz und Umgebung

Flüchtlinge aufzunehmen gebietet nicht nur das Grundgesetz, sondern muss gerade für Deutsche, von denen viele im Zuge des Zweiten Weltkriegs Flucht und Vertreibung selbst erlebten, eine Selbstverständlichkeit sein. Dennoch: Unproblematisch ist das Zusammenleben mit jenen, die Asyl begehren, nicht immer. Doch wer will unterscheiden zwischen "guter Flüchtling" und "schlechter Flüchtling"? Im Zweifel für den Angeklagten, dieser Rechtsgrundsatz muss auch gegenüber dem einzelnen Flüchtling gelten.

Angesichts fragwürdiger Aufrufe über die Sozialen Medien zu Demonstrationen "gegen die Überfremdung in Görlitz" verabschiedeten der Oberbürgermeister und die unterzeichnenden Fraktionen der Großen Kreisstadt Görlitz folgende öffentliche Erklärung:

Görlitz ist eine weltoffene und tolerante Stadt, die als Europastadt Görlitz-Zgorzelec für gelebte nachbarschaftliche Beziehungen steht. Unsere Europastadt ist seit Jahrhunderten ein Ort, der verschiedene Menschen, Religionen und Kulturen zusammenbringt. An der via regia gelegen, erlebt die Stadt seit über 800 Jahren Bewegung und Begegnung mit Menschen aus aller Welt.

Der 25. Jahrestag der Deutschen Einheit am 3. Oktober ruft uns die erkämpfte freiheitliche Gesellschaft besonders ins Gedächtnis.
Wir bekennen uns zu unserem Grundgesetz mit dem Grundrecht auf Asyl und zur UN-Flüchtlingskonvention. Menschen, die auf der Flucht vor politischer Verfolgung, Krieg und Terror sind und in unserer Stadt Schutz suchen, finden bei uns auf Grundlage der genannten rechtlichen Bestimmungen eine gute Aufnahme.

Görlitz steht für gelebte Solidarität und Hilfsbereitschaft.
Populismus, Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit haben keinen Platz in unserer Stadtgesellschaft. Wir treten ihnen mit aller Entschiedenheit, Zivilcourage und allen verfügbaren rechtsstaatlichen Mitteln entgegen.

Der Oberbürgermeister und die unterzeichnenden Fraktionen des Stadtrates der Großen Kreisstadt Görlitz stehen für eine aufgeschlossene, menschenfreundliche und herzliche Stadt, die Heimat für alle Menschen sein will, die unsere Verfassung und unsere demokratischen Werte achten.

Görlitz, den 24. September 2015

Unterzeichner sind:

    • Siegfried Deinege, Oberbürgermeister der Stadt Görlitz
    • Dieter Gleisberg, CDU
    • Dr. Rolf Weidle, Bürger für Görlitz / Bündnis 90/Die Grünen / Piraten
    • Thorsten Ahrens, Linkspartei
    • Renate Schwarze, SPD / FDP
    • Reiner Blumrich in Vertretung für Joachim Paulick, zur Sache e.V.


    Kommentar:

    So soll es sein: Sich artikulieren gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus, denn wer schweigt, stimmt zu.

    Meist sind es Leute, die noch nie mit Ausländern zu tun hatten oder in fernen Ländern noch nie auf eigene Faust unterwegs waren, die den Schwall ausländerfeindlicher Ressentiments anschwellen lassen. Selbst der gröbste Unfug über "kriminelle Asylbewerber" wird von ihnen in den sozialen Netzwerken weitergeteilt und verstärkt. Je öfter das geschieht, um so mehr fühlt sich der Einzelne in seiner verzerrten Sicht bestätigt. Besonders die Kleinbürger- und Spießerorganisationen rechts der CDU greifen alle "schlechten" Nachrichten über Asylbewerber dankbar auf mit einem "Da seht Ihr es ja!"

    Natürlich sind unter den Hunderttausenden von Flüchtlingen, die in unser Land streben, auch schwarze Schafe, vom Kleinkriminellen bis zum Gewalttäter. Soll in dieser Hinsicht die Zusammensetzung und Verfassung einer großen Gruppe von Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen, besser sein als die einer vergleichbar großen Gruppe von Deutschen?

    Manchmal habe ich das Gefühl, die Leute, die ihre Auslandserfahrung allein aus Film, Fernsehen und organisierten Touristenreisen beziehen, glauben, dass nur Menschen aus den einfachsten Lebensumständen der Wüste nach Deutschland strömen. Unsinn. Es sind viele Gebildete darunter, die sich wünschen, sich hier eine Zukunft aufzubauen. Angesichts der demografischen Situation, besonders in Ostdeutschland, ist das ein Glücksfall.

    Sorge bereitet nicht der Zustrom der Menschen, der übrigens von der Wissenschaft seit vielen Jahren vorausgesagt wurde. Sorge bereitet die Zukunft der Staaten wie Syrien und Irak oder auch Afghanistan, die sich in Auflösung befinden, wo die Bildungsinfrastruktur zerstört ist, wo die Eliten und große Teile der Mittelschicht geflüchtet sind. Nicht nur die politischen Konsequenzen für Europa sind enorm.

    Doch zum Schluss noch etwas Heiteres zum Thema Integration: Fritz Stänker war heute in einer Unterrichtsgruppe in einem Kindergarten unterwegs. Wie er erzählte, waren unter den Kindern ein in Deutschland geborenes syrisches Mädchen sowie ein unlängst angekommenes Flüchtlingsmädchen aus Syrien und ein Spätaussiedlerjunge, der aus Russland stammt - und der vom syrischen Mädchen angezischt wurde: "Sprich gefälligst Deutsch!"

    Und mach's Maul auf gegen Fremdenhass, bei jeder Gelegenheit, möcht' ich ergänzen.

    Ihr Thomas Beier


    Wer sich wirklich vor Überfremdung fürchtet - man muss diese Menschen ernst nehmen - für den haben wir noch einige Kampfparolen für diverse Demos zusammengetragen:
    • Bratwurst statt Pizza!
    • Jesus arisieren!
    • Boykottiert das lateinische Alphabet!
    • Mathematik von arabischen Zahlen befreien!
    • Keine römischen Ziffern an Uhren!
    • Deutscher Doppelkorn statt Wodka!
    • Autos aus Asien den Asiaten!
    • Kein Sushi für Uschi!
    • Baguette für die Hühner!
    • Esst mehr deutsche Semmeln!
    • Polnische Zigaretten nur mit deutscher Steuerbanderole!
    • Hellere Köpfe für das Abendland!

Kommentare Lesermeinungen (2)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Leser ohne Meinung

Von M. Bähr am 29.09.2015 - 21:23Uhr
Zu dieser Thematik ist die eigene Meinung nicht gefragt. Der Stadtrat und die Verwaltungsspitze der Stadt haben die Meinung, sicher ohne Gegenstimme, vorgegeben. Wer sollte sich da auch aus der Deckung trauen, der wäre weg vom Fenster.

Das hatten wir doch eigentlich abgeschafft und deshalb auch immer den 3. Oktober gefeiert. Schade!

Übrigenz finde ich ihre Kampfparolen sehr gehaltvoll, nur vor 30 Jahren habe ich gleich das fertige Transparent bekommen. Da müssen Sie noch nachbessern!

Asyl - Positionen und Kommentare

Von Seensüchtiger am 29.09.2015 - 14:46Uhr
Vor drei Wochen lud Herr Beier noch zur Diskussion ein. Nicht über diese Gemeinsame Erklärung (deren Feinheiten, "auf Grundlage der genannten rechtlichen Bestimmungen" willkommen zu heißen, nicht überlesen werden sollten und) die ich unterstütze.
Sondern darüber, ob die Inhalte der Erklärung überhaupt so stimmen, ob Görlitz wirklich weltoffen ist oder welche Probleme durch die Flüchtlingsströme entstehen. Doch nun ist klar, Leute, die keine richtigen Auslandserfahrungen haben, sind die Kleinbürger und Spießer, die nicht glauben wollen, dass wir vor einem Glücksfall stehen. Nur, wer auf eigene Faust im Ausland unterwegs war, ist kompetent. Und auch der Zustrom der Menschen bereitet keine Sorge mehr; erwog der Kommentar vor zwei Wochen nicht, genau darüber zu diskutieren?

Warum gibt es dann die vielen kritischen Stimmen aus dem Mittelstand, von Akademikern, christlich gebundenen Menschen, Wenig- und Sehrgutverdienern, denen die gegenwärtige Entwicklung Sorge bereitet? Alles Leute, für die die "Kampfparolen" im Text gedacht sind? "Man muss diese Menschen ernst nehmen" und ihnen mit diesen Sprüchen kommen?

Die Vorgaben des Grundgesetzes und der Genfer Flüchtlingskonvention stehen außer Frage. Nach dem Grundgesetz ist eine Einreise über sichere Drittstaaten ausgeschlossen. Schon das zeigt die Dimension des Problems. Eine Demo zur Einhaltung des Grundgesetzes? Für eine verantwortungsvolle Politik?

Die Akzeptanz der Argumente hängt nicht mehr von deren Wahrheitsgehalt ab, sondern davon, ob sie unseren jeweils eigenen Wertvorstellungen entsprechen. Dass damit gründliches Analysieren einem vorschnellen Urteil geopfert wird, mag oft genug gereicht haben. Es erzeugt aber genau die Schubladen, zwischen denen kein Platz ist für besorgte Mitbürger. Warum wird es der AfD überlassen, ein modernes Einwanderungsrecht zu fordern?
"Man kann über vieles diskutieren"...

Nein Herr Beier, im Gegensatz zum vorhergegangenen überzeugt mich dieser Kommentar (der Kommentar, nicht mit dem Inhalt der Erklärung verwechseln) nicht.

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  • Quelle: red | Thomas Beier | Foto: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 24.09.2015 - 16:26Uhr | Zuletzt geändert am 11.11.2020 - 18:10Uhr
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