Görlitz zeigt seine Filmgeschichte
Görlitz, 1. März 2020. Oberbürgermeister Octavian Ursu und die Geschäftsführerin der für die Wirtschaftsförderung zuständigen Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH Andrea Behr eröffneten vorgestern die ersten Stationen eines "Walk of Görliwood". Hier will die Neißestadt ihren Besuchern ihre seit den Fünfzigerjahren währende Filmgeschichte nahebringen.
Die ersten fünf Stationen können abgewalkt werden
Thema: Filmstadt Görlitz
Görlitz ist Filmstadt. Neben authentischen Kulissen finden sich hier eine auf Filmproduktionen eingespielte Verwaltung und nicht zuletzt erfahrene Komparsen.
- Görlitzer Drehorte als Panoramen [30.01.2023]
- Görlitzer Filmschaufenster bieten Real Virtuality [04.01.2023]
- Görlitz bietet Willkommensspaß mit Willkommenspass [18.11.2022]
Bislang hat der Walk, hier als Spaziergang übersetzbar, fünf Stationen, die in Schaufenstern installiert sind. Anders als in Hollywood (Livecam am Hollywood Boulevard mit dem Walk of Fame vor dem Dolby Theatre) erspart man den Interessierten auf diese Weise das mühsame Starren auf den Gehweg, vom respektlosen Drüberlatschen ganz zu schweigen. Zumal bietet ein Schaufenster – in Görlitz reichlich verfügbar – wesentlich mehr Präsentationsmöglichkeiten als ein zwar mittlerweile mehr als 2.500 fünfzackige Sterne umfassender Gehweg, deren rote Farbe in Görliwood-Hollywitz wohl zusätzliche Verwirrung gestiftet hätte.
Und so kann der Görlitz-Besucher zielgerichtet nach Wolfsland-Kommissaren, dem Filmset des Goethefilms oder den Spuren des Grand Budapest Hotel folgen, wenn er nicht nahezu zwangsläufig zufällig darauf stößt. Die Stationen Nummero eins bis vier sind am Braunen Hirsch auf der Ecke des Untermarkts zur Neißstraße zu entdecken, die fünfte Walkstation findet sich im Europahaus auf dem Untermarkt 9. Das ist noch nicht das Ende, weiß Behr: "Weitere drei Stationen in der Innenstadt werden in den nächsten Monaten dazukommen. Und wir haben auch noch mehr Ideen."
Wer und was dahintersteckt
Die Wirtschaftsförderer der Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH, kurz EGZ, die sich für das Stadtmarketing und den Tourismus engagieren, haben das Projekt zusammen mit vielen weiteren Beteiligten ausgetüftelt. "Görliwood ist zwar sehr bekannt, doch bisher fehlte es Einheimischen und Touristen an konkreten Anlaufpunkten, um es auch zu entdecken – schließlich ist doch die ganze Stadt eine einzige Kulisse", erläutert Behr Projekthintergründe. Deshalb biete der "Walk of Görliwood" nun spannende Einblicke in das Filmstadtgeschehen.Aus Sicht der EGZ prägt das Thema Görliwood im In- und Ausland die Bekanntheit und Anziehungskraft von Görlitz als Reiseziel entscheidend mit. Da kann es nur gut sein, wenn die Filmstadt nun im Stadtbild wahrnehmbar ist und weitere Angebote wie etwa Stadtführungen und Besichtigungen von Drehorten wie dem Braunen Hirsch oder dem Kaufhaus Görlitz ergänzt. In den Schaufenstern kann man Requisiten und Fotos angucken, die Erläuterungen dazu sind einer deutsch-polnischen Europastadt würdig zweisprachig auf deutsch und englisch lesbar und zugleich mit einer umfangreichen digitalen Filmstadt-Präsentation (deutsch, englisch, polnisch und tschechisch) verknüpft.
Realisiert wird der Görliwood-Filmwalk innerhalb des Projekts "REVIVAL! – Revitalisierung der historischen Städte in Niederschlesien und Sachsen". Die Umsetzung erfolgte durch die renommierte Görlitzer Werbeagentur Die Partner GmbH gemeinsam mit Unterstützern wie den Kulissenbauern des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau." Besonderer Dank gilt den Eigentümern der für die Schaufensterpräsentationen genutzten Häuser sowie der MOLINA FILM GmbH & Co. KG für die Bereitstellung von Requisiten der Wolfsland-Drehs.
Unterstützer gesucht
"Wir verstehen dies heute als Startpunkt und freuen uns, wenn wir weitere Partner für das Projekt gewinnen können. Wer also Requisiten oder Fotos von Filmdrehs hat oder nicht genutzte Schaufenster mittelfristig für dieses Thema zur Verfügung stellen möchte, kann sich gern bei uns melden", wirbt Eva Wittig, Marketingleiterin der EGZ, für den weiteren Ausbau des "Walk of Görliwood", der sich ganz unter die seit 2013 geschützte Dachmarke Görliwood® einfügt.Wie es zur heutigen Filmstadt kam
Es begann im ersten Jahrzehnt nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Spielfilm "Ochse von Kulm", der in Görlitz gedreht wurde. Seitdem sind in Görlitz mehr als hundert Filmproduktionen im Kasten gelandet, weshalb sich die Neißestadt inzwischen längst als "Filmstadt" definiert. In der Tat haben nationale und internationale Filmproduktionen in der architektonischen Vielfalt von Görlitz die idealen Kulissen vorgefunden. Ebenso ausschlaggebend für den Drehort dürfte der zuvorkommende Service der Stadtverwaltung Görlitz sein, die längst routiniert auf Dreharbeiten in der Stadt und die nötige Logistik von Parkflächen bis zu Straßensperrungen eingestellt ist. Und noch ein Faktor muss Erwähnung finden: Es sind die Görlitzer selbst, die in den mehrmals im Jahr stattfindenden Dreharbeiten keine Belästigung sehen, sondern sich klammheimlich oder ganz offen darüber freuen. Da wundert es nicht, dass Görlitz von Filmfans aus ganz Europa zur "European Filmlocation of the Decade" gewählt wurde.Auf dem Weg zur echten Filmstadt?
Nüchtern betracht beschränkt sich das aktuelle Filmstadt-Angebot im Kern auf Fassade und Service, die für große Drehs relevanten Filmproduktionsunternehmen sowie die dafür nötigen Dienstleister sitzen ganz woanders: Nämlich dort, wo sich die Macher, vor allem Produzenten, Drehbuchautoren und Regisseure, persönlich begegnen. Wenn nun die Stadt Görlitz die Idee zur Errichtung eines Filmzentrums mit filmspezifischen Dienstleistern aus Bühnen- und Setbau, Ausstattung, Requisite, Kostüm und technik-Verleih unterstützen will, um aus der Filmstadt Görlitz eine Filmstandort zu machen, so birgt das Potenzial und Risiko zugleich. Aber wer nichts wagt, der nichts gewinnt.REVIVAL widmet sich historischen Städten in Niederschlesien (Dolny Śląsk) und Sachsen
Bei der Revitalisierung ihrer historischen Städte machen Deutsche und Polen in Niederschlesien und Sachsen gemeinsame Sache: Zehn Klein- und Mittelstädte in Südwestpolen und Ostsachsen sollen mit Unterstützung dreier Forschungseinrichtungen in Bezug auf ihre baukulturell wertvollen Innenstädte gestärkt werden. Es geht um wissenschaftliche Studien und Entwicklungsstrategien, doch ebenso um praktische Maßnahmen zur Belebung der Altstädte und zur Vermittlung des baukulturellen Erbes. Der Görlitzer "Walk of Görliwood" ist in diesem Kontext eine Pilotmaßnahme. Natürlich sind Fördermittel im Spiel: Der Topf des Europäischen Fonds für regionale Entwickleung (EFRE), angezapft mit Hilfe des INTERREG-Programms Polen-Sachsen 2014 bis 2020 lässt grüßen.Kommentar:
Weshalb nur macht sich Görlitz so klein? Bei "Görliwood" tritt das gleich zweimal zu Tage. Es verbindet sich der miefig-piefige sächsische (Ausgerechnet in Görlitz!) Hang zur Verniedlichung mit dem noch viel weiter verbreiteten seit jeher ostdeutschem Hang zum sich selbst unterordnenden Vergleich.
Beispiele finden sich zuhauf:
- Nudossi, das "Ost-Nutella"
- Heinz Quermann, der Hans-Joachim Kulenkampff des Ostens
- der Trabant, der Volkswagen des Ostens
Dieses sich in Vergleichen ständig zurücksetzen, ist das Ausdruck des ostdeutschen Zweitklassigkeits-Gefühls? Die Wurzeln jedenfalls liegen länger zurück, finden wir doch
- Dresden, das Elb-Florenz
- Leipzig, Klein-Paris (Goethes Frosch im Faust)
- Berlin, als Spree-Athen
Wie dem auch sei: Sich selbst zu profilieren funktioniert auf Dauer nicht, wenn man sich in den Schatten anderer stellt. Gerade im Osten ist das wichtig, weil es ein Kommunikationsgefälle gibt, wie Mark Siemons in der Online-FAZ am 1. September 2019 schrieb. Der Westen berichtet für das ganze Land und dabei auch – weil anders geprägt oft genug überfordert – aus dem Osten, während der Osten in seiner Nabelschau verharrt.
Will Görlitz selbstbewusst zu einer wirklichen Filmstadt werden, dann muss Görliwood® ein befristeter Marketing-Gag bleiben – oder meint jemand, in Hollywood käme jemand auf die Idee, sich als das Babelsberg Kaliforniens, ein Hollyberg oder Babelwood, zu bezeichnen? Der Beweis des Gegenteils ist selbstverständlich erlaubt.
Wenn weltweit aus Görlitz, the German Filmstadt, berichtet würde, das wär's,
meint Ihr Thomas Beier
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- Quelle: red | Bilderquelle: Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH
- Erstellt am 01.03.2020 - 07:16Uhr | Zuletzt geändert am 01.03.2020 - 09:56Uhr
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