Gehören vertrauliche Unterlagen in die Öffentlichkeit?

Görlitz, 22. März 2018. Von Thomas Beier. Löcher gibt es überall, große, kleine, auch undichte. Das führt dazu, dass vertrauliche Dossiers oder einfach nur mehr oder weniger wahre Informationen illegal an die Medien weitergereicht werden, aus unterschiedlichsten Motiven: dem politischen Gegner schaden, einen unternehmerischen Vorteil erlangen, verletzte Eitelkeit, vermeintliches Vorkämpfertum, vermutetes öffentliches Interesse, bloße Wichtigmacherei und so weiter und so fort. Die Frage ist: Wie gehen seriöse Medien damit um?

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Lässt sich das Thema nicht kochen, wird gemault

Medien, so auch die Presse, leben nun mal auch von Sensatiönchen und davon, ein Thema am Kochen zu halten. Wie aufregend, wenn etwas "aufgedeckt" und ein "Da seht einmal an!" verkündet wird, zumal wenn damit auch noch Klischees und Vorurteile bedient werden. Unanständig wird es spätestens dann, wenn unbescholtene Leute anhand solch verletzter Vertraulichkeit vorgeführt und durchs Städtchen getrieben werden.

Mal angenommen, eine Verwaltung lässt eine Studie anfertigen, um Entwicklungen anhand von Fakten bewertbar zu machen. Das ist die Basis dafür, nachvollziehbare Schlussfolgerungen zu ziehen, Vorgehensweisen zu entwickeln und Entscheidungen vorzubereiten. Angewiesen darauf ist beispielsweise ein Stadtrat, der ja nicht vor jeder wichtigen Abstimmung Grundlagenforschung betreiben kann. Bei aller Sympathie für basisdemokratische Ansätze geht eins jedoch gar nicht: solch vertrauliche Papiere in die Öffentlichkeit zu bringen, um damit eine öffentliche Diskussion anzuheizen, die, weil zwangsläufig großenteils von Nicht-Experten geführt, wilde Interpretationen und Spekulationen mit sich bringt, und anschließend den eigentlich Zuständigen Schweigen und Tatenlosigkeit vorzuwerfen. Nicht-Experte heißt übrigens nicht, keine Ahnung zu haben, sondern vor allem, nur aus der eigenen Pertspektive heraus über einen eingeschränkten Blickwinkel zu verfügen.

In dieser Situation ist gegenüber den Medien erst einmal zu schweigen für die Verantwortlichen die Ultima Ratio: Alles, was sie sagen würden, würde gegen sie verwendet. Diskussionen über ungelegte Eier sind nicht nur vor Ostern nicht zielführend, binden aber enorme Kapazität. Doch jetzt, wo das Thema kocht, brauchen die Medien noch mehr Futter und versuchen also, andere Ansprechpartner zu Aussagen zu verlocken: Angestellte, übergeordnete Stellen, Betroffene. Doch wenn die das Spiel mit dem Vertrauensbruch nicht mitspielen, wird gemault.

Freilich ist es wichtig, dass Medien davon erfahren, was die Mächtigen hinter verschlossener Tür aushecken und sind dafür auf Whistleblower angewiesen. Doch der Umgang mit solchen Informationen bringt Verantwortung mit sich: Was gehört in die Öffentlichkeit, was nicht? Wem nützt es? In welchem Kontext wird es dargestellt? Mediale Reichweite sollte das letzte Argument bei der Abwägung sein.

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  • Quelle: Thomas Beier | Fotografik Hund: Gellinger / Gerhard_Gellinger, Fotografik Wolf: Rodrigo_Jay / Rodrigo Joaquin Mba Mikue, beide Pixabay und Lizenz CC0 Public Domain
  • Erstellt am 22.03.2018 - 10:16Uhr | Zuletzt geändert am 05.07.2022 - 10:56Uhr
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