Frühwarnsystem bei Straftätern

Berlin | Dresden. Im Bundesrat hat sich Sachsens Justizminister Geert Mackenroth heute für eine engere Führungsaufsicht bei rückfallgefährdeten Straftätern nach ihrer Entlassung ausgesprochen. Erforderlich sei insbesondere ein "Frühwarnsystem", das eine Rückfallgefahr frühzeitig erkennen lässt und dadurch eine rechtzeitige Reaktion ermöglicht.

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In Sachsen standen am 31. Dezember 2005 insgesamt 903 Personen unter Führungsaufsicht (im Vorjahr 842 Personen). Davon waren 220 Personen wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und 97 wegen Straftaten gegen das Leben verurteilt worden. Durchschnittlich dauerte die Führungsaufsicht rund dreieinhalb Jahre.

Die bisherige Gesetzeslage zur Führungsaufsicht (i) ist unbefriedigend. Die Möglichkeiten zur Kontrolle sind unzureichend - auch weil es an effizienten Druckmitteln fehlt, Weisungen gegenüber entlassenen Straftätern durchzusetzen. So reicht der Strafrahmen für den Verstoß gegen eine Weisung derzeit nur bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Die Aussicht auf eine mehrmonatige Haft wird aber einen Verurteilten, der soeben einige Jahre "abgesessen" hat, kaum beeindrucken können.

Der vorliegende Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform der Führungsaufsicht geht in die richtige Richtung. Er bietet gute Lösungsansätze, indem er den Katalog von Weisungen an Straftäter z.B. um ein Kontakt- oder Alkoholverbot erweitert und den Strafrahmen bei einem Verstoß gegen solche Weisungen auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe anhebt.(ii) Überdies kann dem Täter zukünftig auferlegt werden, sich regelmäßig bei seinem Bewährungshelfer, einem Arzt, Therapeuten oder in einer forensischen Ambulanz vorzustellen. "Auf diese Weise wird ein "Frühwarnsystem" installiert, das ein rechtzeitiges Einschreiten in der Krise ermöglicht. Das Gericht und die Führungsaufsichtstelle erhalten damit einen Werkzeugkasten an die Hand, der auch den hafterfahrenen Straftäter beeindrucken und dem er sich nicht entziehen kann," erläuterte Justizminister Geert Mackenroth.

Justizminister Geert Mackenroth: "Die Reform reanimiert das bislang eher leblose Instrument der Führungsaufsicht. Betreuung und straffe Kontrolle ermöglichen es künftig der Justiz, entlassene Straftäter mit ungünstiger Sozialprognose zum Schutz der Allgemeinheit eng zu führen. Ein Frühwarnsystem hilft, bei Krisen rechtzeitig einzuschreiten. Jeder Rückfall, den die Reform verhindert, rechtfertigt sie."
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(i) Das Instrument der Führungsaufsicht dient zum einen der Betreuung eines entlassenen Straftäters und ermöglicht zum anderen seine Überwachung. Die Führungsaufsicht zielt auf Täter, deren Sozialprognose negativ ist, deren Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach der Entlassung zweifelhaft ist und die daher ein überdurchschnittliches Rückfallrisiko aufweisen. Ihre Lebensgestaltung soll gezielt und nachhaltig beeinflusst werden, auch um die Gefahr eines Rückfalls zu verringern und die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen.

(ii) Der Entwurf sieht ? stichwortartig - folgende sieben Neuerungen vor:

1. Dem Probanden kann künftig untersagt werden, zur verletzten Person oder zu bestimmten Personen, die Anlass zu weiteren Straftaten geben könnten, Kontakt aufzunehmen.

2. Ihm kann verboten werden, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen. Ferner soll er sich unvermuteten Alkohol- und Suchtkontrollen zu unterziehen haben.

3. Überdies kann dem Täter zukünftig auferlegt werden, sich zu bestimmten Zeiten bei seinem Bewährungshelfer "in Person" und nicht nur telefonisch zu melden. Dies entspricht einem Vorschlag der Praxis, denn der erfahrene Bewährungshelfer erkennt am ehesten kritische Entwicklungen beim Verurteilten und kann entsprechend reagieren. Auf diese Weise wird ein "Frühwarnsystem", das ein rechtzeitiges Einschreiten in der Krise ermöglicht, installiert.

4. Künftig hat sich ein Verurteilter zu bestimmten Zeiten einem Arzt, Therapeuten oder in einer forensischen Ambulanz vorzustellen. Das baut das "Frühwarnsystem" konsequent aus, wenngleich dieser Vorschlag noch nicht die wünschenswerte tatsächliche Behandlung sichert. Die Problemfälle können in einer forensischen Ambulanz Unterstützung durch einen Therapeuten erfahren, der nicht - wie der Bewährungshelfer - ihre Lebensumstände organisiert, sondern ihr grundsätzliches Problem angeht. Mit diesen forensischen Ambulanzen kommen neue Aufgaben auf die Fachkliniken und damit auch Kosten auf die Bundesländer zu. Aber die positiven Erfahrungen in Hessen und Berlin machen Mut, dieses neue Instrument zu erproben.

5. Der Entwurf erhöht schließlich die Strafandrohung für Verstöße gegen Weisungen des Gerichts auf ein Höchstmaß von drei Jahren Freiheitsstrafe. Die bisherige Strafandrohung von maximal einem Jahr hat hart gesottene Straftäter wenig beeindruckt. Zudem wird sich das Verhalten des Bewährungshelfers gegenüber dem Verurteilten, der eine Weisung ignoriert, ändern. Es wird in Zukunft nicht mehr heißen: wenn er - der Verurteilte - nicht will, versuchen wir es mal mit einer anderen Weisung, die vom Verurteilten akzeptiert und vielleicht befolgt wird. Künftig steht der Verurteilte vor der Alternative: die Weisung befolgen oder zurück in den Strafvollzug ? eine Alternative, die sich derzeit nicht stellt und die das Schwert der Führungsaufsicht schärfen wird.

6. Den gleichen Zweck verfolgt der Entwurf, wenn er es erlaubt, die Führungsaufsicht für bestimmte besonders gefährdete und / oder gefährliche Probandengruppen künftig unbefristet zu verlängern, also dem Verurteilten das maßgeschneiderte Korsett von Regeln und Verboten länger oder gar auf Dauer anzulegen.

7. Überdies erweitert der Gesetzesentwurf die Reaktionsmöglichkeiten der Führungsaufsichtsstelle. Deren schnelle Reaktion kann im Ernstfall äußerst wichtig, für das Opfer lebensrettend sein. Die Führungsaufsichtstelle soll in Zukunft einen Verurteilten, der abgetaucht ist, zur Aufenthaltsermittlung ausschreiben § 63a Abs. 1 StGB, und auch einen Vorführungsbefehl erlassen können.

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  • Quelle: /SMJus
  • Erstellt am 20.05.2006 - 01:20Uhr | Zuletzt geändert am 20.05.2006 - 01:32Uhr
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