Chancen einer guten Nachbarschaft von Sorben, Deutschen und Polen

Landkreis Görlitz / Wokrjes Zhorjelc | Dresden / Drježdźany, 8. November 2014. Von Thomas Beier. So um 1988 war ich in Dresden in einem Wohnheim der Technischen Universität untergebracht, das in seinem slawisch klingenden Namen das Adjektiv "serbski" führte. Die Frage, was "die Serben" mit einem TU-Wohnheim zu tun haben, hat mich lange beschäftigt - obgleich: gefragt habe ich niemanden. Erst viel später ging mir ein Licht auf - es war das Sorbische Studentenwohnheim. Heute erscheint mir diese kleine Geschichte symptomatisch für den Umgang vieler Deutscher mit den Sorben: Man versteht sie einfach nicht, weil man weder kann und im Grunde auch gar nicht will. Nur das Misstrauen regt sich, wenn sich Sorben in ihrer Muttersprache - was ja naheliegend ist - unterhalten. Und über Sitten und Gebräche des katholisch geprägten und bei näherem Kontakt überaus liebenswerten Völkchens sprießen die Vermutungen um so wilder, je geringer das Wissen ist. Im Grunde zeigt sich im Ungang mit den Sorben - die doch schon immer da waren - die gleiche Unsicherheit, die viele Deutsche Ausländern generell gegenüber haben: Andere Sprache, andere Rituale, andere Kultur. Und diese Freiheit des Anders-Seins Minderheiten zuzugestehen, fällt offensichtlich schwer. Der sorbische Schriftsteller und Poet Benedikt Dyrlich sieht die Sorben als prädestiniert für eine Mittlerrolle zwischen Deutschen und "den Anderen", insbesondere aber zwischen Deutschen und Polen.

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Sorben als Reißverschluss zwischen Deutschen und Polen

Benedikt Dyrlich hat in der Arbeitsgruppe "Sorben als Mittler zwischen Polen und Deutschen?" auf der 23. Jahrestagung der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Bundesverband am 8. November 2014 in Dresden einen bemerkenswerten Einführungsvortrag gehalten, den der Gölitzer Anzeiger gern wiedergibt.

Chancen einer guten Nachbarschaft von Sorben, Deutschen und Polen:
Vorurteile überwinden helfen und neue Brücken bauen

Von Benedikt Dyrlich.

Gestatten Sie, dass ich zuerst etwas zu meiner Herkunft sowie zu meiner generellen Beziehung zum Polnischen sage. Daraus ergeben sich einige Antworten auf die Frage, ob und wie wir Sorben Mittler zwischen Polen und Deutschen sein können oder könnten:

Sorbisch ist meine erste Muttersprache. Diese ist mir in die Wiege gelegt worden, von meinen Eltern im kleinen Dorf Neudörfel (Nowa-Wjeska) in der Nähe der Lessingstadt Kamenz. Dort ist heute noch das Leben von dem kleinsten westslawischen Volk geprägt, vom Katholizismus und seinen Traditionen. Der Rhytmus des kirchlichen Kalenders bestimmt das gesamte Leben, anderswo im Sorbenland ist das ähnlich, auch wenn dort ein evangelisch-lutherischer Takt das Jahr formt.

Wir Sorben fühlen uns somit mit unseren polnischen Nachbarn urspünglich verbunden – vor allem mit dem ländlich konservativen Polentum, denn dieses entspricht weitgehend unserer “sorbischen Lebensweise” in der Lausitz. Auch wenn ich mich diesem Konservatismus mittlerweile nicht mehr unterwerfen kann, so bringe ich doch ein Grundverständnis für diesen schlichten, manchmal aber auch ziemlich ausgrenzenden Lebenstil auf, welcher ebenfalls die Regionen gleich hinter Görlitz oder Bad Muskau färbt. Doch auch das andere, das städtische und bürgerliche Polen ist mir seit Jugend bekannt. In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts durfte ich eine jugendliche und freizügige Atmosphäre in Warschau und anderswo kennenlernen – mithilfe meiner sorbischen Sprache habe ich zum Russischen bereits mit 14 Jahren noch etwas Polnisch gelernt, bin ganz privat zu einer Brieffreundin mit der Bahn nach Warschau gefahren.

In Vorstellungen des “Teatr mały” in der polnischen Hauptstadt oder bei Aufführungen im “Teatr laboratorium” in Wrócław, bei Konzerten und Dichterlesungen zeigte sich mir dann Anfang der siebziger Jahre ein aufmüpfiges und revoltierendes Polen, eine nach Freiheit strebende jüngere Generation, zu der auch nicht mehr ganz so junge Akteure wie Andrzej Wajda, Cziesław Niemien und Adam Hanuszkiewicz zählten. Ich ging damals u.a. mit ins Teatr Narodowy in Warschau, um mit polnischen Jugendlichen gegen den Lärm japanischer Honda-Motorräder zu schreien, die über den Zuschauern in einem klassischen Werk der Romantik – in “Balladyna” von Juliusz Słowacki - kurvten. Ich saß im Krakauer Stary Teatr in der Aufführung von “Dziady”, wo Soldaten in sowjetischer Uniform in Kämpfe gegen die Besatzungsmacht verwickelt wurden – im Saal des Theaters dominierte eine Stimmung aus Niedergeschlagenheit, nationalem Pathos und Explosion. Mit dem Regisseur des Dramas von Adam Mickiewicz Konrad Swinarski hatte ich am nächsten Tag eine persönliche Begegnung in einem Cafe der Königsstadt.

Dieses patriotisch und revolutionär wirkende sowie innovative Polen brachte auch und vor allem in die Literatur und Kunst der DDR und damit auch in die sorbische Wirklichkeit frischen Wind, neue Maßstäbe der Ästhetik, der kreativen Produktion und Rezeption. Ab da erschien auch mir die DDR-Kultur ziemlich engstirnig, ich spürte: Es gibt einen besseren, offeneren Sozialismus als er in der DDR praktiziert worden ist. Ähnliche Erfahrungen könnte ich offenbaren mit der Dramatik und Poesie eines Tadeusz Rózewicz, Eduard Stachura und anderer Dichter.

Wir jungen sorbischen Autoren sind damals eigenmächtig nach Warschau gefahren, um sich mit der Gruppe junger Poeten “Sigma” zu treffen. Wir waren in Katowice und Kraków auf der Suche nach neuen Beziehungen, die – so wissen wir heute – von der SED und Staatssicherheit genau beobachtet wurden.

Aus diesen frühen Begnungen sind kleine polnische Gedichtsammlungen sorbischer Poesie entstanden – und später ganze Anthologien. Aus den hier skizzierten und aus ähnlichen Erfahrungen und Begegnungen ist mir bewusst geworden und geblieben, welche Bedeutung in Polen sowohl der Konservatismus als auch der Drang nach grenzenloser und schöpferischer Freiheit haben. Und dass Kritik an politischen, ethischen und ästhetischen Systemen möglich ist.

Mir war schon damals klar, dass sich hinter diesen offenbar widersprüchlichen Traditionen das Streben nach Unabhängigkeit verbirgt, nach Freiheit nicht nur des Individuums, sondern der gesamten polnischen Gemeinschaft. In diesem Sinne waren und sind auch für mich dann später Lech Walesa und Johannes Paul II. mehr als “fromme Geister” einer “frommen Nation” gewesen, eines Nachbarn, der sich niemals den Hegemonien, die aus dem Osten und dem Westen kamen, gänzlich unterworfen hat. In diesem Sinne habe ich – und wohl die Mehrheit meiner sorbischen Landsleute – vor Jahrzehnten begriffen, welche Bedeutung diese Geschichte des Patriotismus und der Reformen auch für die Befreiung von Diktaturen hat. Gerade die polnischen Proteste und Aufstände in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ebneten – im Kontext mit der Perestrojka – Wege zur Demokratie in ganz Europa, auch im Sorbenland.

Das sollten wir heute nicht aus dem Blick verlieren, im Gegenteil. Gerade wir Sorben haben die Möglichkeit, diesen Hintergrund auch emotional nachzuvollziehen und ihn unseren Mitmenschen in Deutschland näher zu bringen, ohne sofort Begriffe wie “polnischer Nationalismus” oder “polnischer Fundamenatlismus” zu bemühen. Die Erlebnisse und Erfahrungen damit sollten wir allerdings offensiver als bisher in die Gesellschaft tragen, indem wir stärker unsere eigene Geschichte, unsere eigenen Traditionen auch mit Polen und Deutschland verbinden, sie öffentlich teilen und mitteilen. Das kann aber nur gelingen, wenn sich sorbische, polnische und deutsche Bildungs- und Kultureinrichtungen dafür öffnen – und grenzüberschreitend dieses “Gedächtnis” in Lehr- und Sachbüchern, Theaterspielplänen, bei säkularen und kirchlichen Festen, in den alten und neuen Medien gezielt verankern. Dabei könnte die Siftung für das sorbische Volk mit Partnern und Geldgebern diesseits und jenseits der Neiße solche sorbisch-polnisch-deutschen Zeitzeugnisse unterschiedlichster Art unterstützen.

Kehren wir jetzt aber aus der Geschichte deutlicher in die Gegenwart zurück:


Vor einigen Monaten haben in der Bautzener Innenstadt eine junge Frau und ihr Partner aus Zgorzelec einen kleinen Gemüseladen eröffnet. Die Ansiedlung dieses kleinen Unternehmens aus dem Nachbarland bildet eher eine Ausnahme in der Stadt, die wir neben Cottbus sehr gern auch als “Metropole der Sorben” bezeichnen. Und obwohl Bautzen (sorbisch: Budyšin) heute zunehmend unter vielen leerstehenden Gebäuden und Geschäften leidet, obwohl uns in der gesamten Lausitz vor allem die jungen Frauen – darunter etliche Sorbinnen - in Richtung Westen weglaufen, herrschen auch in unserer Region weiterhin viele Vorurteile und Stereotype gegenüber den jungen Unternehmern, wenn sie aus dem Nachbarland zu uns kommen. Nicht nur gegenüber Polen, sondern überhaupt gegenüber Menschen, die eine zweite oder andere Sprache sprechen, aus einem anderen Kulturkreis kommen oder gar Kriegsflüchlinge sind, herrscht auch in meiner engeren Heimat oft und zunehmend Misstrauen, ja Aggression.

Mit dieser Problematik des Unverständnisses gegenüber dem Nachbarn, gegenüber dem anders Sprechenden und Denkenden, müssen sogar wir Sorben, die ja schon seit dem 7. Jahrhundert die Lausitz besiedeln und heute in Sachsen und Brandenburg umfangreiche Verfassungsrechte besitzen, lernen umzugehen. Auch uns belastet eine sich beständig steigernde Aggressivität von einheimischen – wenn auch kleinen – rechten und rassistisch auftretenden Gruppen, die uns das Recht auf Gleichberechtigung und Förderung unserer Sprache und Kultur im sorbischen Siedlungsgebiet des Freistaates Sachsen und des Landes Brandenburg absprechen oder zumindest eingrenzen wollen.

Inwiefern dieses Phänomen bis in die Mitte der Gesellschaft reicht, ist nicht ganz auszumachen, da dazu bisher wissenschaftliche Untersuchungen fehlen. Tatsache ist aber, dass antisorbische Schmierereien sowie Pöbeleien gegen sorbische Jugendliche bei Tanzveranstaltungen zunehmen. Angriffe auf Kruzifixe im Sorbenland sind ja bereits eine Art “unrühmliche Normalität” geworden, auf welche Polizei und Staatsanwaltschaft erfolg- und hilflos reagieren. In dieser Atmosphäre ist es nicht einfach, in aller Öffentlichkeit konkret für gute nachbarschaftliche Beziehungen mit den östlichen oder südlichen slawischen Nachbarn zu werben. Man muss mit Gleichgültigkeit und Unsensibilität, ja stummer oder sogar ausdrücklicher Abweisung vieler Menschen rechnen. Und überhaupt ruft das “Slawische” bei vielen Menschen weiterhin ein Unbehagen hervor. Nicht nur einzelne extrem eingestellte Jugendliche wollen keine Zusammenarbeit und Kommunikation auf Augenhöhe mit den Nachbarn. Auch in Institutionen, Verbänden und Medien der zweisprachigen Lausitz tut man sich schwer und scheut Aktivitäten der Zusammenarbeit über Grenzen hinweg.

Ich sage das aus Erfahrung meiner langjährigen Tätigkeit als Journalist und Publizist sowie als Initiator und Mitgestalter etlicher grenzüberschreitender Projekte des Sorbischen Künstlerbundes mit Partnern in Opole, Brzeg, Zielona Gora, Zary, Katowice, Jelenia Gora, Bogatynia, Wrocław, Warschau und Zgorzelec in den vergangenen Jahrzehnten. Insbesondere die lokalen nichtsorbischen Medien der Lausitz bewegt diese sorbisch-deutsch-polnische “Brückenarbeit ” kaum, man sucht oder findet wenig oder keinen Zugang dazu.

Ähnlich ergeht es vielen Initiativen und Initiatoren in der Grenzregion:

Bis heute – scheint es – stehen viele Menschen – auch Politiker, Kirchenvertreter, Kulturleiter und Journalisten – weiter mit dem Rücken zum Osten, leider. Und wenn etwas aus Polen wahrgenommen wird, dann sind es “Botschaften” der deutschen Geschichte Schlesiens, Hinweise auf touristische Angebote und die Erlebniskultur – oder einfach nur Schlagzeilen und Berichte über Grenzkriminalität.

So verwundert es auch niemanden, dass die Ostdeutschen auf die Frage, wer ihnen “besonders sympathisch” erscheint, die Polen erst auf den 9. Platz verweisen, hinter Franzosen, Österreichern, Italienern, Amerikanern, Engländern, Tschechen und Ungarn, aber noch vor Holländern, Russen, Weißrussen und Ukrainern. (Übrigens: In Westdeutschland sieht es nicht viel besser aus.) Dagegen mögen die Polen die Deutschen gleich nach den Amerikanern und Engländern, noch vor den Franzosen, Tschechen und Slowaken. Das weist eine Studie der Sächsischen Bildungsagentur aus dem Jahre 2008 aus. Ich befürchte, dieses Ungleichgewicht der Wahrnehmung ist heute aktueller als noch vor sechs Jahren.

Können wir Sorben – eine wirklich winzige westslawische Volksgruppe auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland – daran etwas ändern? Und was sollte überhaupt von uns verändert werden?

Wir Sorben haben keine wirtschaftliche und politische Macht. Unsere Möglichkeiten der Verbindungen und Vermittlungen zwischen Polen und Deutschland beschränken sich daher auf kulturelle und historisch gewachsene Brücken, auf ein mentales Verständnis für die polnisch und gleichzeitig deutsch geprägte Wirklichkeit und die Geschichte der Lausitzen und Schlesiens. Uns verbinden ja eine gemeinsame Geschichte, Geschichten und viele auch persönliche kulturelle Verbindungen.

Auf den Gebieten der Kultur und Bildung können wir punkten, seit mehr als zwei Jahrhunderten. Hier ist in einigen deutsch-sorbischen Kommunen, in Kirchenkreisen, in Kultur- und Sportvereinen, in der Domowina und weiteren Vereinen sowie in einigen Schulen viel geschehen. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten diese Kontakte über eine intensive mehrsprachige Projektarbeit ausgebaut, vor allem in Richtung Opole, in dessen Nähe – in Namysłow - der bedeutende sorbische Dichter, Publizist, Patriot und Minderheitenpolitiker des 20. Jahrhunderts Jan Skala begraben liegt.

Insbesondere die sorbischen und deutschen Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Nebelschütz bei Kamenz pflegen intensive Kontakte zu den Partnern, gemeinsam u.a. mit dem Sorbischen Künstlerbund sowie mit Jugendgruppen aus dem Sorbenland. Ein wichtiger Partner ist der in Opole ansässige polnisch-sorbische Verein Pro Lusatia, der in Konzerte mit sorbischer Rock- und Pop-Musik organisiert. Ähnliche und andere intensive Partnerschaften pflegen die Stadt Cottbus und etliche Gemeinden der zweisprachigen Niederlausitz zu polnischen Partnern in Zielona Góra und Umgebung. An der Uni Potsdam läuft ein Projekt, in dessen Rahmen eine ansehnliche Auswahl des Werkes von Adam Mickiewicz in Niedersorbisch erschienen ist. In diesem Kontext sollten wir auch die nachhaltigen sorabistischen Institute in Bautzen, Cottbus und Leipzig nicht vergessen, die ihre Kontakte auf eine 200-jährige Tradition des wissenschaftlichen Austausches zwischen Sorben, Polen und Deutschen bauen können.

Auf dem Hintergrund dieser vielfältigen Traditionen sollten wir uns bei allen Problemen und auch finanziellen Nöten, denen wir fernab von den Metropolen wie Dresden oder Wrocław ausgesetzt sind, intensiver als bisher an der “Kontaktpflege” mit dem polnischen Nachbarn beteiligen. Insbesondere sind mehr Begegnungen zwischen Schülern und Studenten notwendig, auch unter jungen Autoren, Journalisten, Musikern und Künstlern. Dabei könnte unsere Zweisprachigkeit zu mehr Mehrsprachigkeit führen, zu einem Nachdenken und Kommunizieren in sprachlicher Vielfalt. Vor allem etliche Internetmedien – wie der ausgezeichnete “Görlitzer Anzeiger” – könnten in deutscher und zugleich in polnischer, tschechischer und sorbischer Sprache ihre Informationen, auch Termine und Werbung im “Dreiländereck” anbieten.

Dabei dürfen wir nicht außer acht lassen, dass es nicht einfacher geworden ist, die Sprache des Nachbarn zu lernen und zu nutzen. Junge Sorben, Polen und Deutsche kommunizieren heute normalerwiese englisch, wenn sie sich begegnen. Das ist eine auch für uns ältere Sorben eine auch bittere Tatsache: Das Sorbische bietet zwar einen relativ leichten Zugang zum Polnischen, doch auch unsere Kinder und Enkel lernen nicht einfach mal Polnisch, sondern greifen nach dem Englischen, wenn sie mit Menschen in Polen oder anderswo in der Welt in Verbindung treten. In diesem Bereich müssen neue, andere Brücken gebaut und aufgezeigt werden. Darüber sollten auch Diskurse unter Sorben mit ihren deutschen und polnischen Nachbarn geführt werden, sollte man nachdenken, wie wir den “Mehrwert” des Miteinanders und Verstehens auch über unsere Muttersprachen verstärken können.

Eine sehr wichtige, auch sprachliche Verbindung bildet heute der Bereich der Wirtschaft, wo es auch im Sorbenland Beispiele gibt, die außergewöhnlich klingen: So beschäftigt ein sorbischer Unternehmer aus Räckelwitz in seiner in ganz Deutschland tätigen Elektrofirma von den fast 80 Mitarbeitern weit über die Hälfte aus Polen. Er und weitere seiner sorbischen Mitarbeiter wissen um den Vorteil dieser Fachleute aus dem Nachbarland. Sie wissen auch, wie gut es ist, wenn sie – gerade auch mit Hilfe der sorbischen Sprache – Polnisch lernen. Und die Polen lernen auf den vielen Baustellen der Firma in Deutschland deutsch (und ein wenig sorbisch).

Diese grenzüberschreitenden Kontakte sollten wir alle miteinander so entwickeln helfen, dass noch mehr sorbische Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe auch polnische Mitarbeiter einstellen. Und noch besser wäre, wenn es gelänge, dass künftig auch junge und ältere Sorben und Deutsche auf dem polnischen Arbeitsmarkt, an polnischen Universitäten und anderswo beruflich und beständig tätig werden könnten. Das würde ganz neue Impulse für das Erlernen der Sprache, für Geschichte, Kunst und Kultur des Nachbarn bewirken. Damit würde eine offenherzige Nachbarschaft befördert werden, die sich sich positiv auf ein besseres Miteinander in den Grenzregionen der Lausitz und Schlesiens auswirken würde. Eine solche Entwicklung würde den Reichtum multiplizieren, den wir Sorben in ein gutes Verhältnis zwischen Polen und Deutschland einbringen können.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Es gilt das gesprochene Wort.)
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In den vergangenen Jahrzehnten hatte ich immer wieder Begegnungen mit Sorben - in der Bildung, in der Beratung, beim Feiern oder wenn Pferde ausgeborgt wurden für die Osterprozessionen. Viele sorbische Eigenheiten schenken mir immer wieder ein Lächeln (allein die Pferdeauswahl und die Art und Weise, wie die Reiter das Prozessionsreiten überstanden), andere lassen sich nur vor dem Hintergrund des Bestehens als Volk interpretieren.

Wie dem auch sei, es gilt, das sorbsiche Volk in seinem Siedlungsgebiet zu schützen und ihm zu helfen, seine slawische und kulturelle Identität zu bewahren. Wenn die Sorben das im Gegenzug nutzen und sich quasi als Reißverschluss zwischen Deutschen und Polen erweisen, dann ist das eine wunderbare Sache: Denn wenn Deutsche und Polen zusammenarbeiten oder auch nur zusammen arbeiten wollen - sei es wirtschaftlich, kulturell oder gemeinnützig - brauchen sie oftmals tatsächlich Unterstützung, bis es dazu kommt.

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  • Quelle: Thomas Beier | Benedikt Dyrlich
  • Erstellt am 08.11.2014 - 08:15Uhr | Zuletzt geändert am 08.11.2014 - 09:50Uhr
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