Deutsch-polnischer Dokufilm "Lernt Polnisch"

Deutsch-polnischer Dokufilm "Lernt Polnisch"Cottbus / Chosebuz, 5. November 2014. 25 Jahre nach dem Mauerfall haben Deutsche Welle (DW) und Telewizja Polska (TVP) gemeinsam den Dokumentarfilm "Lernt Polnisch" produziert. Der Film von Rosalia Romaniec (DW) und Magdalena Gwóźdź (TVP) erzählt, wie die Gewerkschaft "Solidarność" auf den Widerstand in der "DDR" wirkte - nahezu vergessene Tatsachen, die den Grundstein für die Friedliche Revolution 1989 legten.

Foto: © Görlitzer Anzeiger
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Einblick in ein Kapitel deutsch-polnischer Solidaritätsbewegung

Einblick in ein Kapitel deutsch-polnischer Solidaritätsbewegung
Informationen von draußen: Nur per SED-Organ "Neues Deutschland"
Foto: © Görlitzer Anzeiger

Als am 13. Dezember 1981 in Polen das Kriegsrecht ausgerufen wurde, erfuhren das die Häftlinge im Zuchthaus Cottbus das in der Haftanstalt verteilte SED-Zentralorgan "Neues Deutschland". Vier Tage nach Ausrufung des Kriegsrechts trat ein großer Teil der Gefangenen in einen Hungerstreik, um sich dadurch mit der unabhängigen polnischen Gewerkschaft "Solidarność", die durch das Kriegsrecht unterdrückt werden sollte, zu solidarisieren. In der Nachtschicht verweigerten 80 von 119 Gefangenen die Nahrungsaufnahme, Mitgefangene berichten von etwa 350 Hungerstreikenden.

17. Dezember 1981 - Solidarność-Kampftag

Mit handgeschriebenen Zetteln informierten Unbekannte die Häftlinge: "17. Dezember - Kampftag von Solidarność - Donnerstag Mittag Solidaritätshungerstreik - Solidaritäts-Komitee politischer Häftlinge (SKPH)“. Die Gefängnisleitung erfuhr über Zellenspitzel von der geplanten Aktion, deshalb wurden sechs Aufrufe zum Hungerstreik schon am 16. Dezember abends entdeckt. Am Morgen des 17. Dezember standen die in die Speisebaracke einrückenden Strafgefangenen-Kommandos unter verstärkter Bewachung. Doch ein Großteil der Häftlinge rührte das Essen nicht an und wurde zurück in die Zellen gebracht.

Das offiziell "Erzieher" genannte Strafvollzugspersonal reagierte mit Sanktionen: 16 Gefangene kamen in Isolationshaft, andere berichteten über mehrere Wochen Fernsehverbot. Darüber hinaus wurden Bibliotheksnutzung, Paketempfang und Angehörigenbesuch gestrichen. Zwei Häftlinge erhielten für die Herstellung und Verbreitung der Aufrufe zusätzliche Freiheitsstrafen von je einem Jahr und zehn Monaten.

Polnische Gewerkschafter als Mutmacher für die DDR-Opposition

Von dieser in Polen bis vor kurzem unbekannten Solidaritätsaktion der politischen Gefangenen in einem Gefängnis der SED-Diktatur berichtete im Juli der Journalist Bartosz Wieliński in der größten polnischen Tageszeitung, der Gazeta Wyborcza. Dieser Bericht war der Auslöser für den jetzt entstandenen Dokumentarfilm.

Auch im thüringischen Jena hatte sich zu Beginn der 1980er Jahre eine kleine Gruppe von DDR-Oppositionellen mit der polnischen Gewerkschaftsbewegung solidarisiert. "Lernt Polnisch" war einer von zahlreichen Aufrufen, die damals in der DDR als Grußkarte auftauchten. Der Mut der Gewerkschafter im ponischen "Bruderland" (so die offizielle Doktrin) hatte DDR-Oppositionellen Hoffnung auf Reformen im eigenen Land gemacht.

Film ist nur via Internet zu sehen

Der 45-minütige Film "Lernt Polnisch“ erinnert an die Anfänge des Widerstands durch eine fast vergessene Bewegung. Er dokumentiert in die Aufbruchsstimmung, die Folgen des sogenannten "Karnevals der Solidarność" und die Courage von "DDR"-Bürgern, die für ihre Ideale auch in Kauf nahmen, ins Gefängnis zu kommen.

Die Deutsche Welle sendet die Dokumentation auf Deutsch, Englisch und Spanisch ab Mittwoch, dem 5. November 2014, TVP strahlt die polnische Fassung am 15. Dezember aus. In Deutschland kann "Lernt Polnisch" nur über die Webseite der Deutschen Welle sehen.

"Dieser qualitativ sehr gut gelungene Film ist ein Beweis dafür, dass Mut und Solidarität von Menschen verschiedener Völker, die dem selben Repressionssystem unterstellt waren, weder Grenzen noch Mauern und Gitter kennen, ob in Danzig, Jena oder im Zuchthaus Cottbus", sagte Sylvia Wähling, die geschäftsführende Vorsitzende des Menschenrechtszentrums Cottbus (MRZ).

Zugleich bedauerte Wähling, dass der Film nur im deutschen Auslandssender ausgestrahlt wird: "Spätestens Anfang nächsten Jahres, dem 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges, sollte jedoch diesem Film die völkerverbindende Bedeutung beigemessen werden, die von den damaligen Aktionen in der DDR ausgingen. Dabei sollte er einen guten Sendeplatz in einem deutschen Sender finden!“

Das Menschenrechtszentrum Cottbus als eingetragener Verein ist heute Eigentümer und Betreiber der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus genau jenes früheren Gefängnisses, in dem der Hungerstreik stattfand. Eine ganze Wand mit Abbildungen der Originalflugblätter und Dokumenten aus Stasi-Akten erinnert in der Dauerausstellung der Gedenkstätte an die mutige Aktion der Häftlinge. Einige von ihnen sind heute - als Miteigentümer ihres alten Gefängnisses - im Verein und in der Gedenkstätte aktiv. Gesucht werden noch weitere damals am Hungerstreik beteiligte Häftlinge, sie sollten sich im Menschenrechtszentrum Cottbus melden.

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  • Quelle: red | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 05.11.2014 - 13:45Uhr | Zuletzt geändert am 02.12.2021 - 12:28Uhr
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