Gegen Bundeswehr auf Ausbildungsmesse "Insidertreff" in Löbau

Görlitz, 23. Mai 2013. Dem Görlitzer Anzeiger kann man gewiss keine Nähe zu den Gestalten an den Rändern des politischen Spektrums nachsagen. Eigentlich sollte an dieser Stelle ein Artikel zum 150-Jährigen der guten alten Tante SPD stehen, in dem es um Aufrichtigkeit, Standhaftigkeit und tolle Typen geht. Doch nun hat ein offener Brief der Linksjugend [´solid] Görlitz diesen Platz erobert - weil gesellschaftlich relevant, zeitnah und regional. Genossen, wo seid ihr?

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Offener Brief der Linksjugend [´solid] Görlitz gegen die Beteiligung der Bundeswehr an der Messe Insidertreff am 25.05. in Löbau

Das nachstehende sowie zum Download bereitgestellte Dokument gibt nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.

Lieber Landkreis Görlitz, liebes Team des Regionalen Übergangsmanagement des Landkreises Görlitz, Sehr geehrter Herr Landrat,

Wir freuen uns über das Engagement unseres Landkreises, jungen Menschen hier eine Perspektive zu geben. Wir, das sind die Mitglieder und Sympathisanten der Linksjugend [´solid] Görlitz. Mit über 120 regionalen Ausstellern wird die am kommenden Wochenende stattfindende Messe „Insidertreff“ in Löbau sicher ein Magnet für viele junge Menschen werden.

Wie Sie sich sicher denken können, schreiben wir keinen offenen Brief um eine Idee, sei sie auch noch so gut, zu loben. Wir schreiben diesen offenen Brief, weil auf der Messe „Insidertreff“ auch Werbung fürs Sterben gemacht wird. Die Bundeswehr ist kein Ausbildungsbetrieb wie jeder andere, sie wirbt mit der Möglichkeit, getötet zu werden, aber auch auf Befehl töten zu müssen. Dies mag in Broschüren oder Clips gern anders dargestellt werden und trotzdem gilt der Spruch von Kurt Tucholsky „Soldaten sind Mörder“ heute wie damals. Soldat ist nicht ein Beruf wie Schlosser, Maurer oder Erzieherin.

Wir fordern Sie aus diesem Grund auf, den Stand der Bundeswehr, wenn dieser nicht zu verhindern ist, wenigstens mit einem entsprechenden Warnhinweis zu versehen. Die Aufschriften „Soldaten sind Mörder“ oder „Hier wird fürs Sterben geworben“ scheinen uns geeignet zu sein.

Nun ist uns bewusst, dass nicht alle die von uns vertretene Meinung für das Leben und gegen das Sterben teilen und viele noch einen verklärten Blick auf die Soldaten als Held des Vaterlandes haben und den Soldatenberuf für einen Dienst am Volk halten. Dieses altmodische, wenn auch früher schon falsche und tödliche Bild ist nicht unseres, aber wir wollen auch diesen Menschen ein Argument geben, welches begründet, warum die Bundeswehr nicht auf eine regionale Ausbildungsmesse gehört. Es gibt keinen Beruf bei der Bundeswehr, welcher in dieser Region erlernt bzw. ausgeübt wird, von gelegentlichen Heimatbesuchen auf dem Truppenübungsplatz mal abgesehen. Die Bundeswehr ist also kein regionaler Ausbilder sondern befiehlt ihre Angehörigen, so sie studieren wollen, nach Hamburg oder München. Soweit sie nicht studieren wollen, liegen Dienstort und Oberlausitz auch weit auseinander und dabei denken wir nicht in erster Linie an Auslandseinsätze, sondern an die Standorte der Heimatkasernen, wo die jungen Menschen hinziehen, Familien gründen und auch bleiben werden. Wer also für die Bundeswehr wirbt, wirbt dafür, die Menschen aus der Region zu verdrängen und dies kann nicht im Sinne des Landkreises sein.

Sehr geehrter Herr Landrat, wertes Übergangsmanagement,

stoppen Sie die Bundeswehr, zeigen Sie Rückgrat und schicken nicht Lausitzerinnen und Lausitzer zum Töten und getötet werden in die Welt, sondern geben Sie Ihnen hier eine friedliche Perspektive.

Kommentar:

Eine Armee, deren Soldaten nicht töten, verliert ihre Kampfkraft.

Wer antritt, andere zu töten, setzt sich der Gefahr aus, selbst getötet zu werden. Das klappt nicht immer perfekt, so dass Verkrüppelungen, Schmerzen und psychische Störungen das Leben jener, die sich aus Technikbegeisterung und Abenteuerlust oder des Soldes wegen haben anwerben lassen, begleiten können - und fortan das ihrer Angehörigen.

Für wen, Soldat, glaubst Du, Deinen Arsch hinzuhalten? Für deutsche Interessen - die Interessen von Politikern, Börsenspekulanten, Rüstungsprofiteuren? Was ist es wert, zu töten und sich töten zu lassen?

Muss Euch denn erst wieder die Praxis lehren, was unsere Großväter und Väter so schmerzlich erkennen mussten? Nichts, aber auch gar nichts, ist es Wert, in den Krieg zu ziehen gegen andere Völker, andere Religionen oder andere Lebensweisen.

"Töten im Krieg ist nach meiner Auffassung um nichts besser, als gewöhnlicher Mord", so Albert Einstein - und: "Heldentum auf Kommando, sinnlose Gewalttat und die leidige Vaterländerei, wie glühend hasse ich sie, wie gemein und verächtlich erscheint mir der Krieg, ich möchte mich lieber in Stücke schlagen lassen, als mich an so elendem Tun beteiligen!"

Dem ist nichts hinzuzufügen,

meint Ihr Fritz R. Stänker


Download!
Offener Brief der Linksjugend [´solid] Görlitz
gegen die Beteiligung der Bundeswehr an der Messe Insidertreff am 25.05. in Löbau
(ca. 65KB)


Soldaten sehn sich alle gleich,
lebendig und als Leich.
Wolf Biermann in "Soldat Soldat"

Frieden, das ist manchmal
nur der Vorwand
für ein großes Land
um in kleine Länder zu marschieren.
Das ist Frieden manchmal.
Sobre la pau, Raimón, deutsch von Gerulf Pannach

Kommentare Lesermeinungen (3)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Krieg dem Kriege

Von Mein Vater - Geboren 1904 am 02.06.2013 - 01:38Uhr
Mein Vater war in der WUMAG und strikt gegen jeden Krieg, was ihn fast ins KZ gebracht hat.

Er war gegen jeden Krieg und jeden Soldaten:
http://www.arbeiterfotografie.com/archiv/krieg/krieg-dem-kriege.html

Heute in Afghanistan passiert es wieder, deutsche Jugend wird verheizt - wer zurück kommt ist kein Mensch mehr. Das weiß nur niemand. Will niemand wissen!

...sowohl Kameraden als auch Vorgesetzte zumindest von Gerüchten gehört hätten. Die Morde an Zivilisten seien in der Einheit "allgemein bekannt" gewesen, gab ein weiterer US-Soldat in einer Anhörung zu Protokoll. Man habe gewusst, dass diese "illegal" seien."

Von http://www.sueddeutsche.de/politik/us-armee-neue-details-ueber-kill-team-mein-kamerad-der-brutale-moerder-1.1078826

Aber 3.000 Deutsche sind natürlich total anders...
http://www.rollingstone.com/politics/pictures/the-kill-team-photos-20110327

Vorsicht diese Photos zeigen den wirklichen "Krieg", also den Job der Soldaten.

Frieden, nicht Krieg

Von Ernst am 25.05.2013 - 07:26Uhr
Görzelec, das sind wohltuend weise Worte.

In der heutigen Westdeutschen Allgemeinen Zeitung findet sich der folgende interessante Hinweis: Als die USA im Jahr 2001 ihren Krieg gegen den Terror begannen, gab es einige hundert Al-Khaida-Kämpfer. Heute haben sie einige Zehntausend Dschihadisten gegen sich aufgebracht. - Gewalt erzeugt Gegengewalt.

Was mir in der Diskussion hier fehlt ist der Hinweis auf eine deutsche Sonderrolle. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Siegermächte, als der gemeinsame deutsche Feind weg war, genau diese Deutschen benutzt, um an der Grenze ihrer Machtblöcke in vorderster Front Armeen stehen zu haben, die im Angriffsfall zum Zwecke des Zeitgewinns verheizt werden können.

Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen. Aber der Zeitpunkt des Beitritts der DDR zur alten BRD wäre der Richtige gewesen, die neue BRD zu demilitarisieren und auf Neutralität - wie die anderen deutschsprachigen Staaten - einzuschwören.

Die Welt braucht keine deutschen Krieger. Oder glaubt wirklich jemand, dass der Krieg in Afghanistan einen lang andauernden Fortschritt gebracht hat?

Krieg und Frieden

Von görzelec am 24.05.2013 - 19:23Uhr
"Muss Euch denn erst wieder die Praxis lehren, was unsere Großväter und Väter so schmerzlich erkennen mussten? Nichts, aber auch gar nichts, ist es Wert, in den Krieg zu ziehen gegen andere Völker, andere Religionen oder andere Lebensweisen."

Ach, das ist schwierig. Natürlich ist an dem Zitierten nichts falsch. Aber angesichts der Menschheitsgeschichte halte ich es für naiv, davon auszugehen, dass nicht an einem anderen Ort der Welt zu einer anderen Zeit wieder Väter und Großväter in den Krieg ziehen werden.
Und ganz ehrlich: Hätten sich unseren Vätern und Großvätern in der Mitte des letzten Jahrhunderts nicht ganz viele andere Väter und Großväter der Alliierten auch mit Waffengewalt entgegengestellt - dann hätten viele von unseren Vätern und Großvätern von den "gegnerischen" Vätern und Großvätern und deren Völkern nicht allzu viel Nennenswertes übrig gelassen. Machen wir uns nix vor - das deutsche Volk war im Dritten Reich kollektiv weitestgehend verblendet und völlig verhetzt. Ohne die militärisch erzwungene Niederlage wäre das Morden in Europa von deutscher Seite in aller nationalsozialistischen Konsequenz weiter gegangen.

So schlimm das also klingt: manchmal kann Waffengewalt doch die Ultima Ratio sein.

Was lehrt uns das? Es braucht eine permanente gesellschaftliche Kontrolle der politischen Machthaber im Staat. Es braucht Demokratie, eine unabhängige Kunst, freie Wissenschaft und Presse. Und ein reflektiertes und artikuliertes Misstrauen gegen jeden, der die Welt und ihre Bewohner in identitär verfeindete Blöcke einzuteilen versucht.

Und wenn das alles überall auf der Welt funktioniert - dann braucht man womöglich tatsächlich keine Armee mehr.

Was nichts daran ändert, dass auch ich die Bundeswehr nicht für einen normalen Arbeitgeber halte und kein Freund ihrer Auftritte in Schulen und auf Messen wie diesen hier bin.

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  • Quelle: red | Kommentar: Fritz Rudolph Stänker
  • Erstellt am 23.05.2013 - 22:35Uhr | Zuletzt geändert am 24.05.2013 - 06:41Uhr
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