zur Sache! Mitteilungsblatt für Februar 2013 erschienen

Görlitz. Demokratie erweist sich immer wieder als langsam, widersprüchlich, kompromisslastig - und vor allem als unbequem, wenn man sich ihr nicht verpflichtet fühlt. Zur Demokratie gehört, jenen auf die Finger zu schauen, denen vom Wahlvolk befristet Macht gegeben wurde. Auch im neuen Mitteilungsblatt des zur Sache! e.V. kommt Dr. Peter Gleißner dem nach - zum Wohle der Demokratie. Der Görlitzer Anzeiger als unabhängige Plattform macht die Informationen des Vereins - wie auch die von anderen demokratischen Organisationen in Görlitz zur Veröffentlichung bereitgestellten - zugänglich.

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Der Inhalt des aktuellen zur Sache!-Mitteilungsblatts

Thema: zur Sache! e.V.

zur Sache! e.V.

zur Sache! e.V. ist eine Wählervereinigung, die am 16. Februar 2009 in Görlitz gegründet wurde.

Das nachstehende sowie zum Download bereitgestellte Dokument gibt nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.


Liebe Mitglieder,
sehr verehrte Damen und Herren,

dieses Informationsblatt unseres Vereins erscheint in der Zeit wichtiger Ereignisse in Görlitz. Wir wollen unseren Mitgliedern Informationen geben, die für die Beurteilung und Entscheidung anstehender Probleme wichtig sind. Unsere Bitte ist: Unterstützen Sie unsere Arbeit dadurch, dass Sie diese Informationen weitergeben oder uns wissen lassen, wer an diesem Mitteilungsblatt Interesse haben könnte.

Inhalt:
1. Vom 65. Stadtrat
2. Vom Jugendzentrum zur Jugendarmut
3. Über den Erfolg
4. Deutsche Vergangenheitsbewältigung
5. James Buchanan für Görlitz

1. Vom 65. Stadtrat

Längst bekannt ist, dass im griechischen Theater einer Tragödie immer eine Komödie folgte. Sie sollte die vom Geschehen auf der Bühne Deprimierten wieder in eine heitere Stimmung versetzen. Das versuchte nach dem Stadthallen-Desaster auch der 65. Stadtrat. Gelingen konnte es natürlich nicht. Denn dafür waren die vorgelegten Pläne für ein Jugendzentrum im ehemaligen Werk I vom Bomardier zu nebulös und kostspielig.

Zwei Situationen während dieser Veranstaltung machten klar, dass das magistrale Eis, auf dem der Stuhl unseres Baubürgermeisters steht, dünner geworden ist. Das wurde sichtbar, als Dr. Wieler von der Frage des Stadtrates Leder (CDU) aufgeschreckt wurde, wer wohl am Fiasko „Stadthalle“ Schuld trage. In ungewohnter Hast kam die laute Antwort: “Natürlich der Stadtrat!“ Diese schnelle Schuldzuweisung verwundert, war sie doch gar nicht nötig. Das Haftungsrisiko des Baubürgermeisters ist fast zu vernachlässigen. Geht es doch immer an seinen Brotherrn. Anders ist es dagegen mit seiner „Ansehens“-Macht. Wie sehr die lädiert ist, wird sich noch zeigen.

In einem kurzen Redebeitrag zitierte Dr. Gleißner („Zur Sache!“/SPD) eine Auskunft, die Dr. Wieler etwa 100 Jugendlichen zum Planungsstand und der Finanzierbarkeit des „Jugendzentrum“ gegeben hatte, wörtlich: “Das werden wir i r g e n d w i e bewältigen!“. Aus einer solchen Einschätzung ergibt sich notgedrungen die Frage, ob man eine Person, die so „klare Vorstellungen“ von einer Millionen kostenden Baumaßnahme hat, nach der wenig geglückten Sächsischen Landesausstellung und dem Millionenfiasko „Stadthalle“, in der ähnliche Äußerungen Dr. Wielers bekannt wurden, zum dritten Male mit einer so anspruchsvollen Aufgabe betreuen darf. Noch heute wird in der Öffentlichkeit diskutiert, wie Dr. Wieler fünf Minuten vor Ende der Renovierungshoffung zusätzlich einen teuren Erweiterungsbau der Stadthalle vorschlagen konnte.

Die Meinung der Fraktion „Zur Sache!/SPD“ war: „Ja!“ zur Unterstützung der Jugend. Aber nicht mit flotten Sprüchen, sondern mit nachhaltiger Hilfe. Nachhaltig ist, was durch den Haushalt der Stadt gedeckt ist. Unser Vorschlag war deshalb, den Grundsatzbeschluss zur Errichtung des Jugendzentrums nach Kenntnis des städtischen Haushaltes auf dann solide Füße zu stellen. Das wurde von der großen Koalition abgelehnt.

Dr. Weidle stimmte wieder – wohl statt Pausenverpflegung in der Ratssitzung - ein Preislied auf OB Deinege an, das in seiner blumigen Realität eher an den einseitig blinden Oswald von Wolkenstein erinnerte, verstieg sich sogar zu der Behauptung, in den letzten Jahren sei viel zu wenig für die Jugend getan worden. Wie gewöhnlich kombinierte er diese Rhetorik mit einem Fußtritt in Richtung Ära Paulick. Und nach seinen Worten muss das ja wirklich eine überaus düstere Zeit gewesen sein, in der die Görlitzer Jugend auf grauenhafte Weise unterdrückt worden war. Allerdings wies dann Stadtrat Hannich (CDU) auf die mangelnde Gedächtnisleistung Dr. Weidles hin. Die Jugendpolitik in der Ära Paulick sei doch wesentlich von Dr. Weidle mitgestaltet worden und habe immer seine Zustimmung gehabt. Vom Nachtreten Dr. Weidles gegen Abwesende, davon rate er ab. Wie viel dieses wahrheitswidrige Nachtreten Klugheit und Charakter verriet, dazu gab er keinen Kommentar.

Frau Schwarze (Zur Sache!/SPD) gab unserer Enttäuschung über das Verhalten der Großen Koalition deutlichen Ausdruck (gekürzt): „Ich bedauere es sehr, dass unser Antrag auf Vertagung der Beschlussfassung nicht angenommen wurde... Dass Sie heute, ohne nur annähernd die Passfähigkeit dieses Vorhabens im künftigen Haushalt zu kennen, von uns „grünes Licht“ erwarten, ist weder eine vertrauensbildende Maßnahme, noch stärkt es die Glaubwürdigkeit des Stadtrates... Wir haben in den vergangenen Jahren im Schul- und Kindertagesstättenbereich umfangreiche Maßnahmen beschlossen... Vor diesem Hintergrund, aber auch Ihrem eigenen Szenario (Ergänzung: OB Deineges Behauptung von erwarteten Millionenlöchern im Haushalt), ist es absurd, sich über geltendes Haushaltsrecht hinwegzusetzen. Ich halte das für unverantwortlich…

Die Frage, was „geltendes Haushaltsrecht“ ist, wurde von Stadtrat Hannich (CDU) weiter ausgeführt. In der Sächsischen Gemeindeordnung § 78 (1) findet sich der folgende Text: „Ist die Haushaltssatzung zu Beginn des Haushaltsjahres noch nicht erlassen, darf die Gemeinde…Ausgaben leisten, zu deren Leistung sie rechtlich v e r p f l i c h t e t ist oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben u n a u f s c h i e b b a r sind.“ Der Grundsatzbeschluss des Stadtrates zum Jugendzentrum, verbunden mit wohl ca. 120.000 Euro für Planungsleistungen – die verloren sind, kommt es nicht zur Ausführung des Vorhabens - dürfte dadurch nicht gedeckt sein. Wer das dennoch behauptet und nicht zur Kenntnis nimmt, dass die Stadt unter den Bedingungen eines „Not-Haushaltes“ arbeitet, setzt sich wissentlich über geltendes Haushaltsrecht hinweg.

Aber wie nach einer anonymen Anzeige, wegen der aufwendigen Jause von OB und Rathausbesatzung im Schloß Klitschdorf (wie aus sicherer Quelle zu erfahren war), so dürfte sich auch in dieser Sache bald ein besorgter Görlitzer finden, der wohl unter dem gleichen Himmel wie die Große Stadtratsfraktion lebt, aber doch einen anderen Horizont hat.

Auch OB Deinege zeigte während des Stadtrates zumindest seine gedankliche Nähe zu Dr. Weidle. Die Verspätung des Haushaltes beruhe auf früheren „Versäumnissen der Stadt“. Die kurzen Beine dieser Behauptung sind schnell beleuchtet: Schon vor seinem Dienstantritt hatte OB Deinege verkündet, eines seiner Schwerpunktthemen sei neben Stadthalle und Berzdorfer See die Doppik. Nun ist die Doppik (ähnlich der doppelten Buchführung in der Wirtschaft) kein politisches Thema. Es bestand also keinerlei Zwang, diese Aufgabe aus der Hand der Fachleute, hier der Kämmerin als Fachbediensteter für das Finanzwesen, in die eigene Verantwortung zu übernehmen. Der fehlende Erfolg beweist wieder die Wahrheit des Sprichwortes vom Schuster und seinem Leisten. Gleiches gilt für die Jahresrechnung. Zum Verständnis: Der Haushaltsplan gibt finanzpolitisch die Ziele einer Stadt vor, ist ein verbindlicher Voranschlag. Die Jahresrechnung verschafft dann als Ergebnisrechnung die sichere Grundlage für das weitere kommunalpolitische Handeln. Die Sächsische Gemeindeordnung schreibt vor, dass der Stadtrat bis spätestens 31. Dezember des dem Haushaltsjahr folgenden Jahres, die Jahresrechnung in öffentlicher Sitzung festzustellen hat. Das war seit Dienstantritt OB Deineges bekannt. Da hatte aber die Große Koalition ihre wichtigste Aufgabe, die Kontrolle des Haushaltes, schon abgegeben.

Auch die zweite Behauptung des OB, die geplante Turnhalle mit Parkdeck neben der Jägerkaserne sei „das größte Neubauprogramm“ der letzten Jahre, dürfte der Prüfung nicht standhalten. Die Investitionen der Ära Paulick erreichen gut und gern die 100-Millionen-Grenze. Genannt seien nur die Turnhallen in Rauschwalde und Königshufen, die Kita am Diesterwegplatz, das Neiße-Bad, die Wiesbadener Straße sowie der Anbau an der Stadtbibliothek.

Erschreckt in diesen Tagen hat auch die Meldung, das Neiße-Bad benötige größer werdende Zuschüsse. Trotzdem fordert Dr. Weidle erneut, das Helenenbad müsse sofort reaktiviert werden. Wieder vergisst er, dass die Fördergelder für das Neiße-Bad mit der Auflage vergeben wurden, dem Neiße-Bad keine eigenständige Konkurrenz zu schaffen. Auch die notwendigen Millionen-Investitionen in die Infrastruktur am „Berzdorfer See“ scheinen auch schon wieder vergessen.

2. Vom Jugendzentrum zur Jugendarmut


„Der Bedarf für ein Jugendzentrum besteht“, hörten wir immer wieder von Dr. Wieler. Keine Antwort bekamen wir auf die Frage nach der Quantifizierung und Qualifizierung dieses Bedarfes.

Ein Görlitzer Sozialpolitiker schrieb dem Berichterstatter: “Vor die Abstimmung über ein solches Projekt gehört eine akribische Bedarfserhebung. Diese besteht aus einer Stichprobengröße von etwa 30% der Gesamtheit der Gruppe, die dieses Haus nutzen soll. Außerdem sollte eine Gruppenbildung in Altersklassen erfolgen, um den Bedarf der unterschiedlichen Altersklassen zu ermitteln.“ In Görlitz ist nichts dergleichen geschehen. Dem Berichterstatter liegen auch keine Informationen vor, dass die bestehenden Jugendeinrichtungen in diesen Bedarfsfindungsprozess einbezogen worden sind.

Muss man da nicht an die Kritik am Berliner Flughafenbau erinnern? (FAZ 25.01.2013). Sie ist passgleich den Görlitzer Verhältnissen: „Ein guter Planer weiß, die schlimmsten Fehler werden bei einem Großprojekt ... am Anfang gemacht. Das eigentliche Übel liegt darin, dass diese Aufgabenstellungen in ihren Anfangsphasen und -phantasien nicht gründlich genug untersucht werden und dass zu wenig Geld in die Vorbereitungen investiert werde. Schon da fangen die Probleme an. Im Anschluss führen dann schlechtes Management…und unpräzise Vorgaben dazu, dass sämtliche Maßnahmen sich viel zu lange hinziehen und...nicht konsequent abgestimmt sind…Dieses ganze (vorbereitende) Programm (muss)… gemeinsam abgearbeitet werden. Dann erst (kann) es zur Architektenauswahl, zu einem Wettbewerb und zu einem Stadtratsbeschluss (kommen)… Auf einer solchen soliden Grundlage kann man dann innerhalb von zwei Jahren bauen. ohne fürchten zu müssen, dass es unentwegt heißt: O Gott, das haben wir ja vergessen.“ Soweit der Architekt Albert Speer jr. über notwendige Planung.

Zwei Jahre rechnete Speer jr., welcher übrigens 2004 vom Stadtrat der Stadt Görlitz mit der Erstellung eine Machbarkeitsstudie für die Sanierung unserer Stadthalle beauftragt wurde, als Bauzeit für den Münchner Neubau der Siemens-Konzernzentrale, sicherlich ein Bau, der das geplante Görlitzer Jugendzentrum um ein Vielfaches an Größe überragt. Dr. Wieler sagte auf eine entsprechende Frage der Jugendlichen, 5 Jahre Bauzeit werden wohl nicht erreicht, 4 Jahre sind realistischer! Dazu der Architekt: “Die Politik ist im Gegensatz zur Wirtschaft nicht gewohnt, auf einen festen Termin hinzuarbeiten. Doch solche Großprojekte brauchen einen festen Termin…(Der Neubau der Konzern-Zentrale) hätten die Zuständigen (in München) nie hingekriegt, wenn sie nicht so einen unverrückbaren Termin gehabt hätten…“

Der Berichterstatter fürchtet, dass dieses Grimmsche Märchen vom „Hans im Glück“, zu dem dieses Jugendzentrum werden soll, bald vom gepriesenen Goldklumpen zum schweren Mühlstein am Hals der Görlitzer Stadtfinanzen werden wird. Dr. Wieler nannte als erfolgreiche Vorbilder für das Görlitzer Unternehmen das Steinhaus in Bautzen und die Hillersche Villa in Zittau. Niemanden in der Großen Koalition störte es, dass die Stadträte mit keinerlei Informationen über diese beiden Institutionen versorgt worden waren. Dabei entschieden doch die Stadträte über Steuergelder, die ihnen nicht gehören. Der Berichterstatter fürchtet schließlich, dass auch vergessen worden ist, einen Dauer-Security-Dienst oder einen regelmäßigen Polizeieinsatz in die Kosten des Jugendhauses einzuplanen. Ein Hinweis auf eine mögliche Zukunft des Jugendzentrums war die Redemeldung eines „Jugendlichen“ (so kurz vor dem 30. Lebensjahr), der sich im Hörsaal bei Dr. Wieler über die bestehende Nachbarschaft des Jugendhauses zur Polizeidirektion beschwerte.

Dem Modewort sozio-kulturell, Lieblingswort unseres Baubürgermeisters, setzt der Berichterstatter das Wort sozio-ökonomisch entgegen, genau so nebulös, dass er es erklären will: Die Wende zur Freiheit 1990 hatte auch in Görlitz Gewinner und Verlierer. Die Ungleichheit in der Bevölkerung ist seitdem im rasanten Wachsen begriffen. Das Einkommen der unteren Gruppe stagniert, das der oberen wächst beträchtlich: Gemeint ist das Einkommen in Bezug auf Konsum, Arbeitsmöglichkeit und Bildung. Während die Reichen an diesen drei Möglichkeiten immer reicher werden, werden die Armen immer ärmer. Das bedeutet für diese „Unterklasse“: Ausschluss von angemessenem Lebensunterhalt, Ausschluss vom Arbeitsmarkt und Ausschluss von gesellschaftlichen Beziehungen (Ralf Dahrendorf). Ist das eine haltbare Situation? Oder entsteht hier eine Quelle von Konflikten?

Wie der DGB mitteilte, sind die Verhältnisse im Görlitzer Bereich mit 3 430 Harz-IV-Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren erschreckend. Stadt und Landkreis schieben sich gegenseitig die Zuständigkeiten für diese große und rasant wachsende Gruppe zu und lassen Institutionen, die den Vergessenen Hilfe zur Selbsthilfe geben wollen, weitgehend allein. „Die Benachteiligung „von Jugendlichen ist weitgehend auf das Fehlen von existenzsichernden Arbeitsplätzen der Eltern zurückzuführen“(DGB). Und der Görlitzer Anzeiger weist zu Recht darauf hin, dass die ostsächsischen Städte zu Drogenhochburgen geworden sind – mit allen Folgeerscheinungen von körperlicher Krankheit und geistiger Verlotterung, ja schlimmster Verrohung.

Der Berichterstatter, süddeutsch geprägter liberaler Görlitzer, kam mit der Hoffnung nach Görlitz zurück, dass ein zivilisiertes und demokratisches Gemeinwesen es Menschen jeder sozialen Herkunft, Überzeugung und Orientierung erlaubt, miteinander ein Gemeinwesen für alle zu bauen. Der Beschluss zu einem solchen Jugendzentrum ist aber ein weiterer Baustein, der uns vom Freiheitsprinzip „together and equal“, der Gemeinsamkeit gleichwertiger Bürger, wegführt. Hier entsteht ein Haus, das in fataler Weise die gesellschaftliche Spaltung unserer Jugend vertieft. Denn ein viel zu großer Teil unserer Jugendlichen braucht kein Jugend(spaß)zentrum, sondern Hilfe zur Selbsthilfe. Diesen Teil der Görlitzer Jugend lässt die Stadt allein.

3. Über den Erfolg

Der Philosoph Georg Christoph Lichtenberg äußerte den Verdacht, dass die unteren wie die oberen Rollen, welche die Gesellschaft zu vergeben hat, mit jedem Gutwilligen besetzt werden können. Nur, wenn es um die leitenden Positionen geht, müssen diese Leute das Talent haben, ein seriöses Gesicht zu schneiden und die richtigen Redensarten im Munde zu führen. Darauf führte Lichtenberg auch die Redensart zurück: Der ist die Treppe hinaufgefallen.

Klingt Ihnen noch im Ohr, wie es vor der Wahl hieß: Ich bin die Lösung, für jeden und alles, auch für das Hertie-Kaufhaus? Das Mitteilungsblatt hat bereits berichtet, dass trotzdem OB Deinege die Görlitzer Interessengemeinschaft Hertie-Kaufhaus nach der Wahl kalt abblitzen ließ . Die SZ berichtete nicht darüber. "Ohne uns", war die Kernaussage des OB. Wahrscheinlich war diese Entscheidung so beeindruckend, dass sie auf das gesamte Problem übertragen wurde.

Nur so lässt es sich erklären, dass OB Deinege seit Monaten zwei Investoren aus Berlin und München warten ließ und ein Gespräch verweigerte (Radio-Lausitz berichtete am 11.02.2013). Ihr Konzept, das Kaufhaus mit und für Görlitz wieder zu beleben, war für den OB entschieden. "Ohne uns!" Also informierten diese Investoren die Spitzen der Fraktionen, Parteien und Wählervereine und wandten sich dann an die Öffentlichkeit. Die Medienwirkung war enorm, es ist zur Gründung der Kaufhausgenossenschaft „Zum Strauss e.G. Görlitz“ gekommen, zahlreiche Görlitzer wollen beitreten und Beitrittswillige meldeten sich der Region bis nach Dresden, Chemnitz und Berlin. Herr Beutler, als Jubelprediger für OB Deinege in Not, versuchte mangels Masse, durch Verdrehung der Tatsachen die fördernde Rolle des Alt-OB in dieser Entwicklung klein zu reden.

Leck gelaufene Schiffe werden immer verlassen. Deshalb soll berichtet werden, dass OB Deinege nun das Schiff zu entern versucht. Nach dem großen Publikumserfolg der Investoren bot er nun "sofort" einen Gesprächstermin für den 28. Februar an. Merkwürdig, ist es reiner Zufall, dass der Zeitpunkt genau am Tag des Stadtrates liegt? Soll der Termin als Erfolg verkündet werden? Wenn es üblerweise nur nicht diese Bewegung "von unten" gäbe, die ohne das Rathaus in Fahrt kommt. Wir wollen diese Bewegung von Görlitzern und Gönnern des Kaufhauses "von unten" fördern: Ihr Interesse können sie bei: info@kaufhausgenossenschaft-goerlitz.de kundtun. Wir werden weiter berichten.

4. Deutsche Vergangenheitsbewältigung


Begriffe wie „Wegbereiter“, „Steigbügelhalter“ oder „Gesinnungsgenosse“ sind eigentlich Frageworte. Sie gelten als wenig gesellschaftsfähig, fragen sie doch häufig nach dem Maß und der Art eines negativen Engagements, ja nähern sich bedenklich moralischer Verdammung. Mitläufer sind arme Hanswurste, getrieben meist von Angst, weniger durch Vorteilsnahme. Für einen echten Opportunisten, der im Wechsel seinen Vorteil sucht, fehlt uns dagegen ein überzeugendes Wort. Dornseiff zitiert das rumänische Wort für Opportunist: „Bratenriecher“. Das Wort lobt die empfindliche Nase, die eine verlorene Sache zurücklässt, um sich rechtzeitig einer neuen anzuschließen.

Den Berichterstatter erreichte am 5. Februar diesen Jahres der folgende Brief: “Ich arbeitete im Waggonbau Görlitz und war unmittelbarer Augenzeuge der Ereignisse des 17. Juni 1953, die von der Schmiede ausgingen. Aufgrund dieser Ereignisse wurden danach handverlesen (SED)Abteilungsparteisekretäre nominiert. Das ist jene Abteilung, in der sich der gegenwärtige Oberbürgermeister der Stadt Görlitz als Abteilungsparteisekretär verdient gemacht hat und in dieser Funktion über Ereignisse in ihr (der Schmiede) der SED-Betriebsparteileitung Bericht erstattete und zudem Kämpfer einer paramilitärischen Einheit, der Kampfgruppe war und dafür ausgezeichnet wurde. Da zu meinen Kollegen damals jene Mitarbeiter gehörten, die im Zusammenhang mit den Ereignissen des 17. Juni 1953 mehrere Jahre im Gelben Elend in Bautzen inhaftiert waren, danach an posttraumatischen Erlebnisstörungen litten und ein anderer Kollege nachts nach Westberlin flüchten musste, damit ihm nicht das Gleiche geschah, weil er sich abfällig über die Kampfgruppen geäußert hatte, stellt sich die Frage, ob es Hinterbliebenen dieser Opfer und den Augenzeugen dieser Ereignisse zuzumuten ist, dass der o.g. Oberbürgermeister sich in irgend einer Weise in diese Feierlichkeiten einbringt.

5. James Buchanan für Görlitz

Wer in personell geprägten Strukturen lebt, die 23 Jahre hindurch wesentlich gleich geblieben sind, der hat Zweifel am freiheitlichen Drang, Neues in Unabhängigkeit an diesem Ort zu bauen. Der in diesen Tagen verstorbene Nobelpreisträger Buchanan (1919-2013) teilte dieses große Misstrauen in die Dauer-Mächtigen. „Mein Denken ist vollkommen davon durchdrungen, dass es stets darum gehen muss, Minderheiten vor der Tyrannei der Mehrheiten zu schützen“, war seine beständige Rede. Buchanans Leitfrage war: Welcher Regeln bedarf es, damit die Freiheit des Menschen in einer politischen Ordnung weitestgehend geschützt wird? Nach seiner „Ökonomischen Theorie der Politik“, „Politik ohne Romantik“ genannt, sind Politiker nur zweitrangig am Wohl der Wähler interessiert. Vorrangig geht es ihnen um die Maximierung der Wählerstimmen.

Konkret empfahl Buchanan ein Verbot der Verschuldung. In seinem Sinne wäre es gewesen, wenn eine Kämmerin gegen Ausgaben der Stadt ohne vorliegenden Haushaltsplan ihr Veto einlegen könnte. Dazu brauchte sie aber faktische Unabhängigkeit. In der Tradition der österreichischen Schule der Nationalökonomie lehrte Buchanan, dass
Kosten nur entgangener Nutzen und demzufolge nur von den einzelnen Menschen zu bewerten sind. Folgerichtig galt ihm die marktwirtschaftliche Ordnung nicht nur wegen ihrer wirtschaftlichen Effizienz als überlegen.

Ihr Gleißner


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Mitteilungsblatt des zur Sache! e.V. Januar 2013 (ca. 107KB)

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  • Quelle: red | Grafik: zur Sache! e.V.
  • Erstellt am 23.02.2013 - 12:01Uhr | Zuletzt geändert am 21.03.2013 - 20:48Uhr
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