Vollzieht die Stadtratsmehrheit die Wende beim Thema Klinikum?

Görlitz-Zgorzelec. Wenn man mit seiner Politik aufs Abstellgleis fährt ist es ratsam, noch vor dem großen Prellbock zu versuchen, eine Wende zu vollziehen. Das ist ja nichts Neues in der Politik. Neu ist, das ein solches Manöver jetzt offenbar im Görlitzer Stadtrat eingeleitet worden ist. Es geht um das Görlitzer Klinikum, dass die Mehrheitsfraktion aus CDU/ FDP und Bürger für Görlitz/Grüne dem Landkreis zumindest zum Teil verkaufen wollte, auch eine Privatisierung war unter den Vorschlägen. Nach aktuellen Äußerungen des Sprechers der CDU/FDP-Fraktion Octavian Ursu stellt die Stadtratsmehrheit die städtische Trägerschaft des Klinikums jedoch nicht in Frage. Noch vor wenigen Wochen klang das deutlich anders.

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Klare Linie des Oberbürgermeisters setzt sich durch

„Unglaublich, welches Wendemanöver die CDU/FDP-Fraktion in Sachen Klinikum vollführt! Man darf gespannt sein, aus welcher Richtung der Wind das nächste Mal bläst“, kommentierte Oberbürgermeister Joachim Paulick das Geschehen. Im Zusammenhang mit der Haushaltskonsolidierung nämlich hatte die Mehrheitsfraktion aus CDU/ FDP und Bürger für Görlitz/ Grüne im Oktober 2009 an den Oberbürgermeister die Forderung gerichtet, diverse Maßnahmen „in den Konsolidierungskatalog aufzunehmen und zu untersetzen“. Dazu gehörte auch der Punkt „Paketlösung mit dem Landkreis“. Dieser sah den „Verkauf/ Teilverkauf Klinikum an Landkreis bei gleichzeitiger Übernahme von 100 % Gesellschaftsanteilen an der MON GmbH durch den Landkreis (mindestens 650.000 Euro jährlich Entlastung der Stadt) sowie anteiligen Beteiligung des Landkreises an den zukünftigen Betriebs-/ Betreiberzuschüssen für die Stadthalle“ vor. Über die Bürger-für-Görlitz-Fraktion war das Schreiben mit dem Stempel des Büros des Oberbürgermeisters versehen an einen Großteil des Görlitzer Stadtrates versandt worden und dann in die Öffentlichkeit gelangt.

Der Standpunkt war klar

Im November 2009 war beim lokalen Radiosender Radio Lausitz 107.6 zu vernehmen, dass die „Allianz“ konkrete Sparvorschläge vom Oberbürgermeister fordert und am Verkauf oder Teilverkauf des Klinikums an den Landkreis bei gleichzeitiger Übernahme des Musiktheaters durch den Kreis festhält.

Im Februar 2010 dann die Leser des Niederschlesischen Kuriers unter der Überschrift „Görlitzer Stadtrat treibt den OB vor sich her““ erfahren, dass die Fraktionsgemeinschaft bei der Sondersitzung des Stadtrates einen Beschluss „durchdrücken“ wollte, welcher den Oberbürgermeister zur Verhandlung mit dem Landkreis zur Beteiligung des Kreises am Klinikum zwingt. In diesem Kontext war von der „Bildung einer Klinikum-Holding“ die Rede.

Am 27. Februar 2010 schließlich informierte die Sächsische Zeitung ihre Leser über das in der Stadtratssitzung am 25. Februar 2010 vorgestellte „Radikalprogramm für eine Erneuerung von Görlitz“. FDP-Stadtrat Frank Wittig hatte sich in der Sitzung für den Verkauf der Anteile an der Sparkasse Oberlausitz/Niederschlesien an den Kreis oder die Ostsächsische Sparkasse, die Aufhebung der Gemeinnützigkeit des Klinikums und die anschließende Privatisierung ausgesprochen.

Oberbürgermeister vertritt die Interessen der Stadt und ihrer Bürger

„Vehement widerspreche ich auch dem von Herrn Ursu erhobenen Vorwurf, Bürger für persönliche Interessen zu manipulieren. Die Stadt ist hundertprozentiger Eigentümer der Klinikum gGmbH, als Oberbürgermeister vertrete ich die Interessen der Stadt gegenüber der Gesellschaft. Bereits mehrfach habe ich öffentlich geäußert, dass unser Klinikum höchste Leistung und Qualität erbringt und somit eine sehr positive Entwicklung genommen hat. Das Unternehmen einschließlich der Immobilien hat nicht zuletzt durch die millionenschweren Investitionen in den Standort enorm an Wert gewonnen. Es gibt keinen Grund, solch ein Vermögen zu verschenken - abgesehen davon dürfte dies die Stadt ohnehin nicht tun, denn die SächsGemO verpflichtet uns zum sorgsamen Umgang mit dem Vermögen der Gemeinde. Ich bin froh, wenn das Unternehmen in Ruhe seine Arbeit ausführen kann und die Mitarbeiter nicht durch äußere Einflüsse verunsichert werden. Der Geschäftsführer genießt mein volles Vertrauen und ich hoffe, dass sich der Erfolg seiner Arbeit auch in der Weiterentwicklung des Klinikums sowie der Verbesserung der medizinischen Versorgung einschließlich der Patientenbehandlung niederschlägt“, verdeutlichte Oberbürgermeister Paulick seine Position.

Diese entspricht der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO), in der es § 89 Absatz 3 SächsGemO heißt: „Die Vermögensgegenstände sind pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten und ordnungsgemäß nachzuweisen“. Zur Veräußerung von Vermögen wird in der SächsGemO § 90 u. a. ausgeführt, dass „Vermögensgegenstände in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden dürfen“.


Kommentar

Manchmal fällt es durchaus schwer, sich auf Entwicklungen einen Reim zu machen. Vielleicht hat die Stadtratsmehrheit ja Kreide gefressen, um zu sagen: "Ach, liebes Klinikum, wir wollen Dich doch garnicht verkaufen."

Nun hat die Stadt aber ein schrecklich großes und leeres Portemonnaie, da gibt es schon die Gefahr, dass Begehrlichkeiten durchschlagen und der Fresstrieb siegt. Zumal im Görlitzer Umland die Wölfe wohnen. Auf jeden Fall sollten zu den nächsten Stadtratssitzungen immer ein paar Stückchen Kreide zur Hand sein, es scheint den Äußerungen der Stadtratsmehrheitler gut zutun.

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens zur Zukunft des Görlitzer Klinikums sollten neben Unterschriften auch schon mal paar Wackersteine sammeln, man weiß ja nie.

Ihr Fritz R. Stänker

Kommentare Lesermeinungen (4)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Re: Polemik

Von Frank am 12.04.2010 - 00:30Uhr
Sehr geehrter Herr Ehlers,

1. Respektiere ich Ihre Meinung, ich habe doch nur gefragt, woher Sie Ihre "Visionäre" nehmen wollen (im Stadtrat suchen wird wohl erfolglos bleiben). Wieso bringt der Verkauf des Klinikums Görlitz jetzt weiter?

2. Bin ich kein Stadtrat, sondern ein "stinknormaler" Bürger dieser Stadt (E-Mail-Adresse und Anschrift sind der Redaktion bekannt).

3. Stelle ich nicht alle für "blöd" hin, wer sich hier im Forum äußert (egal welches Thema das nun betrifft), der hat ja schon mal angefangen zu denken und meinen Respekt dafür, dass er sich überhaupt Gedanken macht und diese dem Forum mitteilt. Dass man da geteilter Meinung sein kann ist doch normal (ich weiß, das war mal verboten und manche wünschen sich diesen Zustand zurück). Wenn es keine geteilten Meinungen gäbe, würde auch der Stadtrat alles einstimmig absegnen, das hatten wir schon, die Stadt ist damals deswegen fast eingefallen.

4. Maße ich mir nicht an zu diesem Thema der absolute Experte zu sein, meine Beiträge sind nur die Meinung eines Bürgers, wenn es ein Zitat in meinem Beitrag gibt, welches Sie persönlich beleidigt oder in dem ich Sie beschimpft habe, wie Sie mir unterstellen, dann können Sie mir dieses gern nennen, ich entschuldige mich schon jetzt dafür. Auch wenn man nicht einer Meinung ist, sollte man sachlich bleiben und andere Meinungen respektieren.

5. Erklären Sie nun einem Görlitzer Bürger einmal genau, warum das Klinikum denn nun unbedingt verkauft werden sollte, an wen denn und was kommt dann langfristig für die Stadt dabei raus? Das war ja das Thema, bis heute konnte das noch niemand so richtig begründen.

Da bin ich (und weitere Leser sicher auch) mal auf Ihre Antwort gespannt.

MfG Frank

Polemik

Von T. Ehlers am 11.04.2010 - 15:59Uhr
Lieber (Herr?) Frank,

...oder wollten Sie "Frank (...)" schreiben?

Sie schimpfen über meine Gedanken und merken gar nicht, wie Sie wieder in das hemmende Muster der Polemik verfallen. Ich lese aus Ihren Zeilen: Alle sind blöd, keiner hat Ahnung. Eine solche Denkweise bringt Görlitz auf keinen Fall weiter. Gezänk und Eitelkeiten, Blockaden und Sturheit noch viel weniger.

Wenn Sie Stadtrat sind, dann gehen Sie mit guten Beispiel einer sachlich-nüchternen Arbeit und mit Visionen (also mit realistischer Hoffnungsvermittlung für die Görlitzer Bürger) voran.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!

Ihr T. Ehlers

Visionen

Von Frank am 05.04.2010 - 01:21Uhr
Sehr gehrter Herr Ehlers,

nichts gegen Ihre persönliche Sicht auf die Disposition zum Klinikum.

Der Beitrag des Herrn Domke ->

"Bürgerbegehren und Verkauf von städt. Eigentum, Von Rolf Domke am 18.03.2010 - 17:58Uhr"

sagt doch aber schon alles.

Das Klinikum bringt Geld in die Stadtkasse, warum also verkaufen? Das wäre dann wieder eine konstante Einnahme für die Stadt weniger. Entsprechend ist wohl auch die Meinung der meisten Görlitzer Bürger.

Im Stadtrat versuchen aber einige, der (...) und ein Anwalt vorneweg, die Kasse wieder halbwegs für einige Tage zu füllen, damit es für das Theater und Wasser für ein Planschbecken noch für paar Tage ausreicht, aber wohl auch um sich im Stadtrat überhaupt mal in Erinnerung zu bringen.

Die FDP ist eh momentan am Boden, gerade mal einen Sitz mehr als die NPD, also schnell noch mit reinhängen, damit man sich an die selbsternannten Besserverdienenden (gibt es solche Leute in Görlitz noch???) überhaupt mal erinnert.

Aber, sehr geehrter Herr Ehlers, wo wollen Sie denn hier im Görlitzer Stadtrat "Kreative Köpfe mit Visionen" hernehmen?

Ihre Idee, die Stadt und der Kreis sollen beide vom Klinikum profitieren, wird schwer zu machen sein. Beide haben kein Geld, wenn sich das Klinikum selber finanziert, wird der Kreis bei einer Übernahme die Verbindlichkeiten aus Baukrediten der Stadt zuschreiben wollen (die vom Kreis hatten ja damit nichts zu tun oder haben nie irgendwelche Aufträge vergeben) und die Gewinne für sich einstreichen wollen, genauso wie die einstmalige Kreisfreie Stadt Görlitz die Schulden von Landkreisgemeinden jetzt mit finanzieren muss.
In dieser Art wird dem Herrn Landrat dann schon wieder was einfallen.

Wenn auch mal einer von den Herrschafften im Stadtrat eine Vision hätte die der Stadt nutzen würde, das wäre toll, aber das sind doch alles nur noch in Fraktionen gebundene Grabenkämpfer.

Die Stadträte mit den Visionen haben zu Zeiten gelebt als die Stadt ihre Blüte hatte mit dem Waidhandel und den Tuchen sowie in der Gründerzeit und die sind dadurch zurecht richtig reich geworden. Ein Beweis dafür sind die wunderbare historische Altstadt, von der wir heute noch zehren, und das einmalige Quartier Stadtmitte.

Bei den derzeitigen Statements einiger Stadträte, welche das Klinikum nun um jeden Preis an egal wen (Hauptsache Geld kommt rein) verscherbeln wollen, fällt mir nur das Zitat des Altkanzlers Schmidt ein "Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen."

MfG Frank

Klinikum

Von T. Ehlers am 03.04.2010 - 13:53Uhr
Liebe Leut,

es bringt garnichts, wenn man sich auf die eine oder andere Seite schlägt. Diese emotionale Polemik bringt die Stadt Görlitz ganz gewiss nicht weiter.

Aus meiner persönlichen Sicht ist einfach wichtig, dass man Ideen auf den Tisch bringen darf und gemeinsam sowie ganz sachlich das Für und Wider abwägt. So findet man Lösungen, von denen alle profitieren: die Stadt, der Kreis, die Menschen.

Wer weiß, vielleicht ergäbe sich ja wirklich ein Vorteil für alle, wenn man das Thema Klinikum sachlich-nüchtern prüfen würde.

Blockierer und einseitig verbohrte Stadtpolitiker aller politischen Lager sind auszumustern. Kreative Köpfe mit Visionen, die auch die Kraft, den Mumm, die Ausdauer besitzen, Menschen für die tatsächliche und praktikable Umsetzung zu begeistern, die haben meine Unterstützung als Stadtrat oder Bürgermeister!

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  • Quelle: red | Fritz Rudolph Stänker | Erstveröffentlichung 25.03.2010 - 08:57 Uhr
  • Erstellt am 25.03.2010 - 08:25Uhr | Zuletzt geändert am 04.04.2010 - 11:27Uhr
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