Soziale Forderungen

Zittau | Görlitz, 24. September 2008. Der "Zittauer Arbeitskreis für soziale Gerechtigkeit" ruft zur 200. Montagsdemo in Görlitz auf und formuliert Forderungen an die Politik. Der Ton wird schärfer: "Jetzt reicht es uns", ist das Motto. Nach der Demonstration gibt es eine Kundgebung, dann geht es – wie die Vorbereitungsgruppe der Görlitzer Montagsdemo mitteilt – zur Feier in die Kneipe.

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Eine Betrachtung von Fritz R. Stänker

Das mit dem tags auf Arbeit und am Montagabend auf die Straße gehen hat ja schon einmal geklappt, es war die ordentlichste Ablösung eines Regimes durch das Volk, die die Welt jemals erlebt hat.

Mit dem tags auf Arbeit gehen ist das nun nicht mehr unbedingt so, aber ein Grüpplein Unentwegter demonstriert fleißig weiter und stellt Forderungen auf. Wenn man diese in eine zugängliche Sprachversion übersetzt, könnten sie lauten: Die Region soll durch Abbau der Arbeitslosigkeit zukunftsfähig werden. Die Hartz-IV-Bezüge sollen den Preissteigerungen angepasst werden. Sozial-Pass und Sozial-Ticket werden für den ganzen Landkreis Görlitz gefordert. Die Behörde der Grundsicherung soll durch Hartz-IV-Empfänger, Regionalpolitiker und Institutionen kontrolliert werden. Keinen "Schmusekurs" gegenüber Landes- und Bundpolitik mehr. Rücknahme der Hartz-Gesetze.

Und wohin führt das?

Rückgang der Arbeitslosigkeit: Wenn die Wirtschaft das nicht stemmt (und sie tut es nicht - q.e.d.), müssten staatliche Beschäftigungsprogramme her. Da ist bereits viel experimentiert worden mit SAM, ABM, Kommunalkombi, Einstellungsförderung. Das Einzige, was damit bewirkt wird, ist aber lediglich, dass Menschen einige Stunden mehr oder weniger sinnvoll beschäftigt sind und häufig - indirekt - der Wirtschaft Aufträge entziehen.
Notwendig ist vielmehr ein Umbau der Arbeitswelt weg von der traditionellen Erwerbsarbeit. Wer aber mit Arbeit Geld verdienen will, muss als Ostsachse meist die Koffer packen. Der Mensch zieht der Arbeit nach, nicht umgekehrt. Also muss sich jeder selbst fragen, was er will: Arbeit eventuell woanders oder zu Hause demonstrieren?

Mehr Geld für Bedürftige?

Hartz-IV-Bezüge anpassen, Sozial-Pass, Sozial-Ticket: Damit wäre es freilich noch bequemer, sich den "Qualen der Arbeit" (Karl Marx) zu entziehen und sich auf Hartz IV als Dauerzustand einzurichten. Hartz IV soll aber so unbequem sein, damit der der/die Betroffene enormen Druck verspürt, der Situation wieder zu entrinnen.

Die Politik in die Verantwortung nehmen? Aber nicht durch Konfrontation und gesetzliche "Erleichterungen" wie durch die Rücknahme von Hartz IV. Gefragt sind Poitiker, die nicht ihre Karriere oder ihre Partei, sondern ihre Region oder ihr Land optimieren, und zwar mit Arsch in der Hose. Wer da in der Politik sagt, dass man in der Wirtschaft auch nichts bewirken könne, den muss man fragen: "Wer sonst?"

Solange der freien Vermarktung der eigenen Arbeitskraft ein unüberschaubarer Wust an Vorschriften und Kostenerzeugern gegenübersteht, werden die in Ostsachsen vorrangig anzutreffenden kleineren Betriebe wenig Motivation zu Einstellungen haben.
Der Staat sucht durchaus innovative Wege, für Beschäftigung und Existenzgründungen neue Felder zu entwickeln. Die Erfolgschancen sind allerdings immer durch die Möglichkeiten des Markts gedeckelt.

Sozial-Junkies

Längst haben die Arbeitsagenturen, ARGE´n oder Optionskommunen ihre Dauerkundschaft durch Überbetreuung zu Sozial-Junkies gemacht. Die Arbeitslosengeld- und Sozialhilfeempfänger sind oftmals bestens informiert über ihre Rechte und was ihnen zusteht. Jedoch: Anstatt auf Eigeninitiative zur Verbesserung der eigenen Situation zu setzen wird oft darauf vertraut, dass das Amt für Arbeitsplätze zuständig sei - welch fataler Irrtum!

Längst steckt die Karre im Dreck. Ob man nun von Prekariat, bildungsfernen Schichten oder Armut spricht - für viele sind die Fähigkeit und der Wille zur Selbstorganisation, zur Mitwirkung im Arbeitsprozess längst verloren gegangen.

Nun wird demonstriert. Der Kapitalismus kann seine systemimmanenten Widersprüche zwar nicht lösen, aber gewaltige Triebkräfte entwickeln,

denkt Ihr Fritz R. Stänker


Mehr:
http://goerlitzer-montagsdemo.de
zak-zittau.de (Update: Webseite ist nicht mehr erreichbar)

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  • Quelle: /FRS
  • Erstellt am 24.09.2008 - 08:20Uhr | Zuletzt geändert am 05.11.2021 - 15:28Uhr
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