Oberbürgermeister widerspricht

Görlitz-Zgorzelec. Im Vorfeld der Stadtratssitzung am 24. April 2008 legt der Görlitzer Oberbürgermeister (OB) Joachim Paulick noch einmal die Fakten aus seiner Perspektive auf den Tisch. Er sieht die Beschlüsse des Stadtrates der Kreisfreien Stadt Görlitz Nr. 665-08 und 674-08 vom 11. April 2008 als rechtswidrig an und hat deshalb Widerspruch eingelegt.

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So sieht der Görlitzer OB die Sachlage

Mit Beschluss Nr. 665-08 hat der Stadtrat unter anderem erneut Harald Twupack als Mitglied des Aufsichtsrates der SRG Stadtreinigung Görlitz GmbH i.L. gewählt. Bereits im August 2007 hatte das Regierungspräsidium Dresden (RP) per Bescheid zum Beschluss Nr. 530a-07 mitgeteilt, dass die Bestellung von Herrn Twupack gegen § 98 Abs. 1 SächsGemO verstösst.
Die von der Gemeinde bestellten Vertreter im Aufsichtsrat sollen gemäß der SächsGemO über die für diese Aufgabe erforderliche betriebswirtschaftliche Erfahrung und Sachkunde verfügen. Oberste Pflicht der Aufsichtsräte sei es, ihre Entscheidungen ausschließlich am Wohl der Gesellschaft auszurichten. Das Eintreiben offener Forderungen der Gesellschaft gehört auch dazu, um keine wirtschaftlichen Nachteile für die Gesellschaft entstehen zu lassen. „Das damalige Verhalten von Herrn Twupack als Aufsichtsratsmitglied war mit dieser Pflicht nicht vereinbar.“, hieß es im Bescheid des RP. Das RP Dresden hatte deshalb Herrn Twupack nicht als geeignet angesehen, das Mandat als Aufsichtsratsmitglied ordnungsgemäß auszufüllen. Der Bescheid des RP ist rechtskräftig. Aus diesem Grund hat der OB den Beschluss des Stadtrates zur Bestellung von Herrn Twupack als Aufsichtsratsmitglied beanstandet.

Der Beschluss Nr. 674-08 in der von Stadtrat Hannich vorgetragenen Fassung:

„1. Der Beschluss 619a-08 wird wie folgt geändert:
Der Oberbürgermeister wird angewiesen, die ehemaligen Aufsichtsratsmitglieder der Stadtreinigung Görlitz GmbH i. L. (SRG) Klaus Keller, Hans-Ulrich Lehmann, Jörg-Peter Thoms, Stephan Lechner und Raphael Schmidt von den gerichtlich festgestellten Ansprüchen der SRG wegen der Verletzung von Überwachungspflichten freizustellen.

2. Der Stadtrat ist auf Grund der Entscheidung des BVerwG vom 03.04.1996, Az. 6 C 5/94, der Auffassung, dass bei ehrenamtlich tätigen Aufsichtsratsmitgliedern der Freistellungsanspruch nach § 98 Abs. 3 Satz 2 SächsGemO nur bei vorsätzlicher Verletzung von Überwachungspflichten ausgeschlossen ist.
Das bislang vorgelegte Rechtsgutachten der Kanzlei Thümmel, Schütze & Partner vom 03.01.2008 berücksichtigt diese Rechtsprechung nicht.
Jedenfalls sieht der Stadtrat mit Rücksicht auf diese Entscheidung ein erhebliches Prozessverlust- und Kostenrisiko, wenn die Stadt die genannten Personen nicht freistellt und diese deshalb die Stadt auf Freistellung gerichtlich in Anspruch nehmen.
Für eine vorsätzliche Missachtung von Überwachungspflichten der oben genannten Aufsichtsratsmitglieder bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte.

3. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, den eingelegten Widerspruch zu bestätigen und zu begründen.

4. Der Oberbürgermeister wird angewiesen, mit der Vertretung der Stadt Görlitz in dieser Angelegenheit die Kanzlei "Petersen Gründel Hardraht Schmidkonz Tietze Rechtsanwälte Partnerschaft" zu beauftragen.“

verstösst nach Auffassung des Oberbürgermeisters gegen die Sächsische Gemeindeordnung (SächsGemO).

Zu Ziffer 1 und 2 des Beschlusses wird angemerkt:


Aufgrund eines Änderungsantrages von Herrn Hannich sollte der Beschluss Nr. 619a-08 zur Haftungsfreistellung ehemaliger Aufsichtsratsmitglieder nicht aufgehoben, sondern in seiner Aussage grundlegend verändert werden.
Zunächst ist der Beschluss formell rechtswidrig, da eine geordnete Vorbereitung des Stadtrates und der Öffentlichkeit nicht erfolgte. Herr Hannich stellte seinen umfassenden Änderungsantrag mündlich in der Sitzung. Allerdings muss bereits die Tagesordnung gemäß § 36 Abs. 3 SächsGemO so präzise gefasst sein, dasst der Verhandlungsgegenstand erkennbar und eine geordnete Vorbereitung möglich ist.

„Eine Nachvollziehbarkeit der detaillierten Darlegungen einschließlich der Rechtsauffassung von Herrn Hannich waren weder mir, noch den Stadträten und anwesenden Bürgern möglich. … Zu solch einem umfassenden Änderungsantrag wäre es auch notwendig gewesen, im Vorfeld die für die Beratung erforderlichen Unterlagen beizufügen“, so OB Paulick zum Geschehen.

Rechtswidrig ist der Beschluss in Ziffer 1 und 2 auch materiell, weil der OB erneut angewiesen werden sollte, die ehemaligen Mitglieder des Aufsichtsrates der SRG i.L. von gerichtlich festgestellten Ansprüchen freizustellen. Auch dazu hatte sich das RP Dresden bereits mit rechtskräftigem Bescheid geäußert.

Zu Ziffer 3 des Beschlusses:

„Wenn mit Ziffer 3 der Widerspruch des Vorsitzenden des beratenden Ad-hoc-Ausschusses „Verkauf Mülldeponie“ vom 6. April 2008 gemeint ist, ist die Bestätigung dieses Widerspruches durch mich nicht möglich“, sagte Paulick. Der Ad-Hoc-Ausschuss „Verkauf Mülldeponie“ ist ein zeitweilig beratender Ausschuss gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz SächGemO. Beratende Ausschüsse treffen keine Entscheidungen in der Sache, sondern unterstützen durch Vorbereitung und dadurch Erleichterung der Entscheidungsfindung den Stadtrat. Als Vorsitzender des Stadtrates und Leiter der Verwaltung vertritt nur der OB die Stadt rechtswirksam nach außen.

Mit dem Widerspruch durch den nichtvertretungsberechtigten Vorsitzenden des Ad-Hoc-Ausschusses wurde die Rechtsmittelfrist aus dem Bescheid des RP vom 5. März 2008 (Posteingang 7. März 2008) nicht gehemmt. Demzufolge ist die Frist dazu am 7. April 2008 abgelaufen, jetzt eingelegte Widersprüche sind verfristet.

Zu Ziffer 4 des Beschlusses:


Für den Görlitzer Oberbürgermeister ist in Ziffer 4 nicht erkennbar, in welcher Angelegenheit die benannte Kanzlei beauftragt werden soll. Für das unter Ziffer 3 genannte Widerspruchsverfahren ist keine anwaltliche Vertretung erforderlich, dies nehmen die Fachämter im Rahmen ihrer Zuständigkeiten bzw. das Justiziariat selbst wahr. Seitens des Einreichers wurden auch nicht die finanziellen Auswirkungen sowie Deckungsvorschläge dargestellt. Das verstösst gegen die Verpflichtung zur pfleglichen und wirtschaftlichen Vermögensverwaltung sowie die Grundsätze zur wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung gemäß SächsGemO. Bereits mit vorangegangenen Bescheiden des RP Dresden waren dazu Ausführungen erfolgt.
Der Vollzug von Ziffer 4 wäre demnach rechtswidrig.

Der Stadtrat hat, so verlautbart eine Miteilung aus dem Büro des OB, in seiner Sitzung am 24. April 2008 erneut Gelegenheit, die rechtswidrig gefassten Beschlüsse zu revidieren.

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  • Quelle: /red | Foto: /BeierMedia.de
  • Erstellt am 17.04.2008 - 19:08Uhr | Zuletzt geändert am 17.04.2008 - 19:44Uhr
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