Auf Schlachthof soll Bildungscampus entstehen

Auf Schlachthof soll Bildungscampus entstehenGörlitz, 28. Juni 2021. Der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu beherrscht das Spiel der Politik perfekt: Mit Pokerface Ansinnen abprallen lassen und dann das Überraschungskaninchen aus dem Zylinderhut zaubern. In Bezug auf eine neue Oberschule in Görlitz passt das Bild vom Zauberhut allerdings nicht, denn die Vorarbeit dürfte umfassend und nicht unkompliziert gewesen sein.

Abb. Schon viel zu lange dauert der Dornröschenschlaf des 1880 gegründeten Schlachthofes in Görlitz. Nun hat Oberbürgermeister Octavian Ursu die Rolle des jungen Prinzen übernommen
Archivbild: © Görlitzer Anzeiger
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Erfolgreiches Ringen um neue Oberschule

Von Mike Altmann. Das war eine schöne Überraschung: Nach monatelangem Ringen um den Neubau einer Oberschule auf dem ehemaligen Schlachthofgelände hat Oberbürgermeister Octavian Ursu in der Stadtratssitzung vom 24. Juni 2021 einen Umsetzungsvorschlag eingebracht. Dieser geht weit über die von der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne geforderten drei Millionen Euro Eigenmittel für die Jahre 2023/24 hinaus. Ursu hat mit seinem Verwaltungsteam die Finanzplanung für den kompletten Bildungscampus inklusive Oberschule, einem Standort für das Produktive Lernen und Sporthalle auf dem alten Schlachthofgelände erarbeitet. Von 2023 bis 2027 sind insgesamt 30 Millionen Euro geplant. 60 Prozent sollen gefördert werden. Für die 40 Prozent Eigenmittel soll ein Kredit aufgenommen werden. Ursu begründete seine überraschende Entscheidung damit, dass die Oberschule nicht zum „politischen Spielball“ werden soll und nannte es eine „vertrauensbildende Maßnahme“.

Dr. Jana Krauß, Fraktionsvorsitzende von Motor Görlitz/Bündnisgrüne, sagte im Stadtrat: "Wir freuen uns, dass die Oberschule doch noch in die Finanzplanung des neuen Haushalts aufgenommen wurde. Das ist ein wichtiges Zeichen. Damit können wir in die höheren Ebenen gehen und glaubhaft machen, dass wir die neue Oberschule brauchen und wollen – auch wenn es sich zunächst einmal um eine Planung mit virtuellem Geld handelt."

Der Vorschlag zur Aufnahme des Bildungscampus in die mittelfristige Finanzplanung wurde einstimmig angenommen. Damit endet ein monatelanges politisches Ringen um Lösungen. Im Februar hatte das Rathaus angekündigt, den Neubau der Oberschule auf Eis zu legen. Der Stadtrat sollte gar seinen Grundsatzbeschluss zum Bau aufheben. Zunächst wurde damit argumentiert, dass es gar keinen Bedarf mehr gebe, da die Schülerzahlen nicht so stark steigen, wie prognostiziert. Außerdem habe die Stadt kein Geld für dieses Vorhaben.

In einer Sondersitzung des Stadtrates am 15. April wurde dennoch beschlossen, drei Millionen Euro für den Neubau in die Finanzplanung 2023/24 aufzunehmen. Diesen Beschluss setzte Octavian Ursu zunächst nicht um. Die Oberschule fehlte im Haushalt 2021/22 (zu der auch eine mittelfristige Planung bis 2025 gehört). Diesen Vertrauensbruch konnte das Stadtoberhaupt nun heilen. "Es hat sich gezeigt, dass sich der Einsatz für eine neue Oberschule gelohnt hat", so Jana Krauß, "Wir werden nun den Oberbürgermeister tatkräftig unterstützen, damit der zunächst virtuelle Bildungscampus in einigen Jahren lebendig und zum neuen Kraftzentrum der westlichen Innenstadt wird."

Mike Altmann ist Pressesprecher der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne im Stadtrat Görlitz


Kommentar:

Das Aufatmen dürfte hörbar durch Görlitz und ein klein wenig auch durch Osnabrück resp. in Fortsetzung der seit 1957 bestehenden Traditionslinie durch Düsseldorf ziehen: Mit einer in einem Bildungscampus eingebetteten Oberschule kann ein großes Puzzleteil in die Wiederbelebung des früheren Schlachthofgeländes und seiner im Verfall begriffenen Bebauung gestaltet werden.

Gut gemeinte, von den Eigentümern geföderte Initiativen vergangener Jahre zur Quartiersentwicklung unter Ausnutzung der Begeisterungsfähigkeit und des Engagements junger Leute waren am Ende geplatzt wie bunt schillernde Seifenblasen, weil die Umsetzung aus unterschiedlichen Gründen – nicht zuletzt wegen fehlender Verträge mit interessierten Nutzern und unberücksichtigter möglicher Altlasten – nicht in Gang kam. Nun zeigt sich, dass kommunaler Einfluss auf eine Standortentwicklung ein Segen sein kann, wenn die städtischen Pläne Unterstützung in Dresden finden und aufgehen.

Ein Bildungsstandort zeichnet sich dadurch aus, dass weitere Einrichtungen andocken können, umso mehr, umso attraktiver – und überhaupt: In Görlitz auf Bildung und Forschung zu setzen macht Sinn für die Stadtentwicklung und damit für die Einwohner,

meint Ihr Thomas Beier



Mehr:
Der ehemalige Schlachthof Görlitz im Görlitzer Anzeiger.

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  • Quelle: red / Mike Altmann / Kommentar: Thomas Beier, Foto: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 28.06.2021 - 09:06Uhr | Zuletzt geändert am 28.06.2021 - 12:52Uhr
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