Kulturförderabgabe soll freiwillige Aufgaben der Stadt Görlitz unterstützen

Kulturförderabgabe soll freiwillige Aufgaben der Stadt Görlitz unterstützenGörlitz, 25. März 2021. Money makes the world go round – und die Kultur erst recht! So weit alles klar, bleibt nur die Frage, wo die belebende Knete, Kohle, Penunze, die Moneten, der Kies oder auch Schotter, die Piepen oder Peseten, die Kröten oder Mäuse, Scheine oder Lappen, die Asche, das Moos oder Pulver, also der Zaster dafür herkommt. Die "Bürger für Görlitz" (BfG) haben in ihrer Doppelrolle als Verein und Fraktion nachgedacht, bis ihnen ein Licht aufging.

Symbolfoto: © BeierMedia.de
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Im Anfang war die Idee

Wenn es eine Konstante in dieser Welt gibt, dann ist es der Mangel an Geld. Woher nehmen, wenn nicht stehlen, mögen sich Verein und Fraktion der "Bürger für Görlitz" auf ihrer jüngsten gemeinsamen Sitzung gedacht haben.

Wie so oft im Leben war – so könnte man eine gemeinsame Pressemitteilung des Vereins "Bürger für Görlitz" (Vereinsvorsitzender ist Dr. Michael Wieler, seines Zeichens Bürgermeister für Kultur, Bauen und Stadtentwicklung, Ordnung und Sicherheit in Görlitz) und der BfG-Stadtratsfraktion (die sechs BfGler sowie je einen ganzen Mann aus den Reihen der Bündnisgrünen und der SPD vereint) deuten – der Wunsch nach dem Geldausgeben der Vater des Gedanken, erst dann wurde überlegt, wie es denn aufzutreiben sei – was freilich spekuliert ist.

Besser also die harten Fakten, Zitat: "Verein und Fraktion der „Bürger für Görlitz“ sind sich Ihrer Verantwortung bewusst, die Zukunft der Stadt für Kinder und Enkel zu gestalten." Der vor einiger Zeit von engagierten stadtpolitischen Kreisen dafür ins Spiel gebrachte Fachbegriff heißt Enkeltauglichkeit, ist aber zu kurz gesprungen: Immer mehr Görlitzer erleben ihre Urenkel und wenn die sprechen lernen, werden sie auch Fragen stellen. Daran sollte man als junger Mensch schon heute denken.

Was immer auch der Hintergrund gewesen sein mag, auf der gemeinsamen Sitzung des BfG-Vereins und der gleichnamigen Fraktion wurde eine Idee geboren, die Potential hat, soll sie doch die touristische und kulturelle Entwicklung der Neißestadt und sogar – so ist zu lesen – ihrer Bürger voranbringen.

Um bei der Wahrheit zu bleiben, erweisen sich Zitate immer wieder als unverzichtbar: "Zum Erhalt der wunderschönen Bausubstanz (für unsere Stadt als Architekturdenkmal) und zur Gestaltung der vielfältigen Kulturlandschaft bedarf es nicht nur der Fantasie der Akteure und Verantworter, das muss auch finanziert werden." Das mögen sich auch die Akteure einer Stadtvilla gedacht haben, als sie hinter dem Rücken des Verantworters – sprich Eigentümers – versuchten, diese klammheimlich an eine Filmproduktionsfirma zu vermieten. Der Verantworter kriegte das zufällig spitz und sorgte dafür, dass die hinterrücks vereinbarte Summe einem gemeinnützigen Verein in Görlitz zugute kam.

Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie nicht allein die Gestaltung der Kulturlandschaft der Fantasie bedarf, sondern auch deren Finanzierung, also die der Kulturlandschaft, äh, also auch der Fantasie, also überhaupt muss alles finanziert werden, das ist doch logisch! Um nicht tiefer in die Verwirrung zu stürzen, bleiben wir bei den klaren BfG-Gedanken. Die ranken sich um eine, wie es genannt wird, Kulturförderabgabe: "Mit dem Wissen um die angespannte Haushaltslage der Stadt wird hier eine Finanzierungsquelle installiert, die helfen soll, freiwillige Aufgaben der Stadt zu unterstützen und buntes Kulturleben auch weiterhin zu ermöglichen und zu entwickeln. Am Vorbild der Stadt Weimar haben wir uns orientiert und einen Beschlussantrag für den Stadtrat erarbeitet. Wir rechnen mit einer Finanzierungssumme von 500 000 Euro pro Jahr für die Abgabe auf touristische Übernachtungen."

Von Weimar lernen

Da werden die besonders während der letzten zwölf Monate aufgeblühten Hotellerie- und sonstigen Beherbergungsbetriebe sicherlich frohlocken. Doch ehe Kritik sich den Weg bricht, ein Blick nach Weimar, dem Vorbild aus dem Bratwurstreich. Dort zeigt sich: Ist der Geldhahn erst einmal aufgedreht, kann man ihn auch weiter aufdrehen. So wurden die Gebühren der "Kulturförderabgabe für Übernachtungen" aus dem Jahr 2012 im Jahr 2019 in den meisten Fällen um 50 Prozent erhöht, hinzu kommt eine feinsinnige Änderung der Bemessungsgrundlage, einsehbar ist das hier. Praktisch ist, dass der Link zur 2. Änderungssatzung im 404-Nirwana endet: Die verlinkte Webseite existiert nicht.

Der Blick in die "Satzung zur Erhebung einer Kulturförderabgabe für Übernachtungen in Weimar" offenbart, dass von der Abgabe befreit ist, wer aus "überwiegend beruflichen Gründen" nächtens ein Bett samst Dach über dem Kopf sucht. Davon abgesehen, dass die aufgeführten beruflichen Gründe ein wunderbares Zeugnis begrenzten Verwaltungsdenkens sind, dürfte der geforderte Nachweis "ob die Übernachtung überwiegend beruflich erforderlich ist oder privaten Zwecken dient" datenschutzrechtliche Grenzen kühn durchstoßen, ganz egal, ob ein Rechtsanwalt im Mandatenauftrag unterwegs ist oder der Görlitzer Anzeiger wieder einmal auf einer seiner berüchtigten Recherchereisen. Aber wir werden den Schwein schon kriegen, wenn ihm auch quiekt, denn § 11 regelt das Denunziantentum: "Hotel- und Zimmervermittlungsagenturen sowie Dienstleistungsunternehmen ähnlicher Art sind bei Aufforderung verpflichtet, der für die Erhebung der Abgabe zuständigen Stelle der Stadt Weimar die Beherbergungsbetriebe mitzuteilen, an die Beherbergungsleistungen vermittelt wurden." Da fällt es doch gleich viel leichter, einfach nur seine Pflicht zu erfüllen.

Mit der "Kulturförderabgabe für Eintrittsentgelte" – übrigens auch für Schönheitstänze – haben die Weimaraner eine weitere Zapfstelle aufgetan, die bei Veranstaltern Freude an der Zusatzbürokratie aufkommen lässt. Aber im Ramelow-Land ist noch mehr möglich, ist in der "Satzung zur Erhebung einer Kulturförderabgabe für Eintrittsentgelte in Weimar zu lesen, § 10: "Vertreter der Stadt Weimar sind berechtigt, jederzeit ohne Vorankündigung zur Feststellung von Abgabetatbeständen die Veranstaltungs- bzw. Geschäftsräume des Betreibers zu betreten und die entsprechenden Geschäftsunterlagen einzusehen, Vorortkontrollen bei Veranstaltungen durchzuführen und Kassenabschlüsse bei Veranstaltungen zur Feststellung der Anzahl der Besucher zu überprüfen." Der wahre Feind saß halt schon immer in der Kultur, nur hat ihm der Lockdown eine Schonzeit verpasst: kein Umsatz – keine Steuer. Im Ernst: Was ist, wenn Unternehmern, gerade in einer risikobelasteten Branche wie der Kultur, die Lust, etwas zu unternehmen, vollends ausgetrieben wird?

Ist das gewollt?

Nun muss die Frage erlaubt sein, ob Görlitz derlei Verhältnisse haben möchte. Schon finden sich private Serviceunternehmen, die "Bettensteuerrechner" anbieten und darüber hinaus, Unternehmen von der neuen Bürokratie zu entlasten – jede der aktuell um die 50 bettensteuererhebenden Städte hat andere Nachweisformulare. Wem dieser Papierkram zuviel ist, der zahlt als Unternehmen locker mal monatlich ein paar hundert Euro Bettensteuer, wie ein Rechenbeispiel auf der verlinkten Seite zeigt.

Der Hut der Kulturförderabgabe liegt im Ring – oder ist es gar keine Förderabgabe, sondern nur eine neue Finanzierungsquelle für die wachsenden Kosten eines Kultursegments?

Im Görlitzer Anzeiger:
Stichwort: Bürger für Görlitz

Kulturzuschlag:
Nix Neues vom Geld

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  • Quelle: red | Foto: © BeierMedia.de
  • Erstellt am 25.03.2021 - 21:47Uhr | Zuletzt geändert am 26.03.2021 - 07:04Uhr
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