Flugplatz Rothenburg/O.L. wird keine Fabrik für China-Autos

Flugplatz Rothenburg/O.L. wird keine Fabrik für China-AutosLandkreis Görlitz, 10. Januar 2018. Von Thomas Beier. Wer je mit potenziellen Investoren zu tun hatte, der weiß, wie glitschig der Umgang sein kann: Sie lassen sich ungern auf konkrete Zusagen festlegen und halten sich am liebsten alle Optionen offen, stellen aber gern Anforderungen, die schon frühzeitig zu hohem Aufwand bei denen führen, die eine Investition zu sich ziehen möchten. Scheitert ein Vorhaben, wie jetzt die Ansiedlung der Beijing WKW Automotive Parts aus Peking, geraten die Verantwortlichen aus Verwaltung und Politik für Außenstehende schnell in die Kritik: die einen sagen, man habe viel Aufwand für ein aussichtsloses Projekt, also umsonst getrieben, die anderen meinen, man habe zu wenige Anstrengungen unternommen. Beides ist falsch, denn die entscheidende Rolle spielen die Investoren.

Abb. oben: Ein Touch von Spanien – Rothenburg/O.L. hat wunderbare Ecken und punktet damit gegenüber der Namensvetterin ob der Tauber
Foto: © Görlitzer Anzeiger
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Scheiterte es an der Fläche?

Scheiterte es an der Fläche?
Hochsommer in Rothenburg/O.L. – Kleinstadtromantik in der Provinz
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Fakt ist: Wer jetzt Vorwürfe macht, sich schockiert zeigt, gar von einem Schlag ins Gesicht spricht, hat das Spiel – etwas anderes ist es oft nicht – mit Investoren nicht begriffen. Kommt eine Anfrage wie die nach dem Flugplatz-Grundstück in Rothenburg/O.L., dann weiß nemand, wie weit die Investitionspläne des Investors tatsächlich ausgereift sind. Immer wieder treffen vage Überlegungen von Investoren auf große Hoffnungen. Oft ist jedoch der alleinige Hintergrund, dass Investoren einfach nur mögliche Standorte vergleichen. Fällt ein Standort, wie jetzt Rothenburg/O.L., durch, führt der Investor ein Totschlagargument ins Feld, das der auf die Investition hoffende Partner nicht widerlegen kann. Potenzielle Kunden, die einen lästigen Anbieter loswerden wollen, machen das meist ebenfalls so.

Im konkreten Fall ging es um die Grundtücksfläche. Hier kann Rothenburg 250 Hektar bieten. Wie aus dem Landratsamt Görlitz zu vernehmen ist, waren ursprünglich 150 Hektar von den Chinesen angefragt. Allerdings behauptet der Görlitzer AFD-Landtagsabgeordnete Sebastian Wippel, die Chinesen hätten schon in Ihrer Absichtserklärung betont, sie bräuchten 350 Hektar; seine Forderung "Es gilt jetzt zu prüfen, welche Fehler womöglich in den Verhandlungen gemacht wurden und wie glaubwürdig die Begründung der Chinesen ist, die Fläche sei zu klein" ist jedoch müßig – der längere Hebel bei der Investitionsentscheidung liegt nun mal in Peking (北京).

Auf jeden Fall wurden dem Investor im Herbst 2017 rund 250 Hektar am Standort Flugplatz Rothenburg/O.L. zum Kauf angeboten. Darüber hinaus gab es das Anebot, als Ersatz für die mit Photovoltaik belegten Flächen Erweiterungsflächen für einen weiteren Ausbau und für potenzielle Zulieferbetriebe zu entwickeln. Der Landkreis Görlitz stand dem in Aussicht gestellten Werk für Elektroautos sehr positiv gegenüber und sich gegenüber dem Investor flexibel gezeigt. Passgenaue Lösungen für zügige Planungs- und Genehmigungsverfahren waren möglich. Konkrete Umsetzungspläne der chinesischen Investoren sind bei der Landkreisverwaltung Görlitz, die auf zukunftsrobuste Arbeitsplätze gehofft hatte, jedoch nie angekommen.

Die intensiven Verhandlungen der vergangenen Monate, in enger Absprache mit der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH, der Staatsregierung des Freistaates Sachsen sowie mit dem Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA), haben nicht gefruchtet. Am 13. Dezember 2017 wurden dem Investor die gebotenen Flächen ein weiteres Mal in Dresden erläutert, eine Zusage in Bezug auf die Kaufabsichten seitens des Investors kam es nicht. By the way: Die Forderung der deutschen Verhandlungspartner, die zu gründende Firma Delon Automotive GmbH für weitere konkrete Kaufvertragsverhandlungen in das Handelsregister eintragen zu lassen, wurde bis dato nicht erfüllt.

Aus

Nun hat die Beijing WKW Automotive hat mit Schreiben vom 8. Januar 2018 mitgeteilt, das Grundstück in Rothenburg/O.L. nicht kaufen zu wollen, Begründung: seine zu geringe Größe. Über die wahren Gründe der Absage kann nur spekuliert werden, denn noch größere Flächen sind in Deutschland kaum verfügbar. Vielleicht hofften die Investoren auf bilige Arbeitskräfte auch aus Polen und haben erkannt, dass der Mindestlohn auch für diese gelten würde? Wäre die Logistik nicht beherrschbar gewesen? Oder gab es einen Engpass, überhaupt 1.000 beschäftigungsfähige Mitarbeiter in der Region aufzutreiben? Vielleicht beantworten sich diese Fragen, wenn, ja wenn die Investition woanders erfolgt.

Wie weiter mit dem Flugplatzgelände in Rothenburg/O.L.?

Die Staatskanzlei, das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und der Landkreis Görlitz sind weiterhin sehr an der Vermarktung und Ansiedlung von Investoren interessiert, der Görlitzer Landrat Bernd Lange (CDU) betont: "Ich bin zuversichtlich, dass man gemeinsam mit dem SMWA eine Lösung finden wird, da die zur Verfügung stehende Gewerbefläche am Flugplatz Rothenburg/O.L. in Bezug auf die enorme Größe eine Rarität in Deutschland darstellt."

Statements von SPD und AFD

Der Landtagsabgeordnete Thomas Baum (SPD), bleibt in seinem Statement zur Investorenabsage eher allgemein: "Die Nachricht vom Rückzug des chinesischen Investors in Rothenburg/OL. ist sehr bitter. Ich bedauere sehr, dass es im gemeinsamen Wirken zwischen Staatsregierung und Landratsamt Görlitz nicht gelungen ist, mit dem Investor eine Einigung zu erzielen. Ich werde mich persönlich dafür einsetzen, dass die gemeinsamen Anstrengungen bei der Suche nach anderen Investoren für die sehr große und attraktive Fläche in Rothenburg nicht abreißen. Das Wirtschaftsministerium hat seine Mitwirkung bereits zugesagt. " Die Oberlausitz brauche dringend Investoren und neue Jobs.

Auch Wippel spricht von einer bitteren Nachricht für die Region und schiebt nach: "Ebenfalls möchte ich noch einmal darauf verweisen, dass wir unmittelbar nach der Ankündigung des Deals kräftige Investitionen in die Infrastruktur forderten. Auch hier würde mich interessieren, was man den Chinesen dazu gesagt hat. Denn es ist doch vollkommen klar, dass schlechte Infrastruktur ein Hemmnis für Großunternehmen darstellt."

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  • Quelle: Thomas Beier | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 10.01.2018 - 17:09Uhr | Zuletzt geändert am 27.08.2021 - 11:28Uhr
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