Volkstrauertag: Gedenken, keine Ehrung
Landkreis Görlitz, 15. November 2020. Von Thomas Beier. Heute ist Volkstrauertag. In diesem Jahr steht er im Zeichen des deutsch-britischen Gedenkens. Wer muss da nicht an die Dresdner Frauenkirche mit ihrem britischen Kuppelkreuz als Zeichen der Versöhnung denken? Prinz Charles hält die Gedenkrede auf der vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge veranstalteten Zentralen Gedenkstunde im Bundestag, Schirmherr ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der auch das Totengedenken spricht.
Verständigung, Versöhnung und Frieden als Ziel
Zunächst – nach dem Ersten Welthrieg – als Tag der Solidarität gedacht war der Volkstrauertag außer in der Nazizeit stets auch eine Mahnung zu Verständigung, Versöhnung und Frieden. Nur die Nazis pervertierten den Tag zum "Heldengedenktag".
Von der "Versöhnung über den Gräbern" und der "Arbeit für den Frieden" schreibt der Volksbund auf seiner Webseite. Zum Gedenken gehört die Frage, weshalb Menschen immer wieder begeistert in den Krieg ziehen. Im Deutschland des Jahres 1914 war es die Erinnerung an den Deutsch-französischen Krieg vom 1870/71, der viele Glauben ließ, ein nur kurzes Abenteuer stünde bevor. Doche eine unheilvolle Triade aus Militär und Politik mit einem unfähigen Kaiser an der Spitze, aus Wirtschaftsbossen und der Kirche führte die Deutschen, die eine Bündnisverpflichtung zum Kriegsanlass genommen hatten, in den ersten industrialisierten Krieg der Geschichte. Im Stellungskrieg, im Schrapnellfeuer und im Gas, wurde dann auf beiden Seiten der Fronten millionenfach verkrüppelt und verreckt. Und der Chef der Obersten Heeresleitung, Paul von Hindenburg, bekannte, der Krieg bekomme ihm wie eine Badekur. Ob das denen, die heute an Sonntagvormittagen an Bundesstraßen in Sachsen Reichskriegsflaggen schwenken und nichts besseres zu tun haben, als Maulaffen feilhaltend gegen die Demokratie zu protestieren, bewusst ist?
Schon eine Generation später wiederholte sich in Deutschland das Elend. Binnen weniger Jahre hatten die Nazis die junge Generation für sich begeistert und da ja die allermeisten Deutschen mit den Nazis mitliefen, hatte die Jugend wenig Grund, an der Ideologie zu zweifeln und zog begeistert in jenen Krieg, der hernach der Zweite Weltkrieg genannt wurde. Ergebnis diesmal: Millionen Tote in Rekordhöhe, Kriegsgräuel und schließlich nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa in Schutt und Asche, Frauen ohne Männer, Familien ohne Väter, Flucht und Vertreibung, Kriegsgefangenschaft, deutsche Teilung.
Zweimal haben deutsche Soldaten im vergangenen Jahrhundert Leid und Verderben in andere Länder getragen. Da mutet es makaber an, wenn heute im Landkreis Görlitz Veranstaltungen zum "ehrenden Gedenken" mit Namensverlesungen jener stattfinden, die oft genug getötet hatten, bevor sie selbst getötet wurden. Mit den Namensverlesungen und Ehrungen zeigt sich eine gefährliche Nähe zum Heldengedenktag, der aber der Volkstrauertag ausdrücklich nicht ist: Es geht um Gedenken, Trauer und Mahnung, auch ums Hinterfragen, nie aber um Ehrung. Dazu muss gesagt werden, das die Frage einer soldatischen Ehre eine ganz andere ist, die pauschal nicht beantwortet werden kann, sich aber keinesfalls auf die bloße Teilnahme an einem Krieg bezieht. Der Besuch des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden kann – sobald wieder geöffnet – nur dringend empfohlen werden.
Mehr:
Görlitzer Anzeiger vom 05.11.2016: Zum Volkstrauertag in Görlitz



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- Quelle: Thomas Beier | Foto: © BeierMedia.de
- Erstellt am 15.11.2020 - 12:41Uhr | Zuletzt geändert am 15.11.2020 - 14:09Uhr
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