Sorben fordern von Schweden Braunkohle-Ausstieg in der Lausitz
Nebelschütz / Njebjelčicy. 5. September 2014. Es mutet an wie ein Akt der Verzweiflung, wenn sich auf Initiative des Nebelschützer Bürgermeisters Thomas Zschornak Repräsentanten aus Politik, Kirche und Kultur direkt an den schwedischen Finanzminister wenden, um darum zu bitten, auf die weitere Vernichtung sorbischen Siedlungs- und Kulturraums durch den schwedischen Staatskonzern Vattenfall zu verzichten. Der will in der Lausitz neue Braunkohle-Abbaufelder erschließen, wofür rund 3.400 Menschen umgesiedelt werden müssten. Auch Gutachter des renommierten Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hätten in einem Gutachten festgestellt, dass die neuen Tagrbau weder für die Energiewende noch für die Netzstabilität nötig seien. Die Unterzeichner bitten den schwedischen Finanzminister zudem, "eine weitere Beeinflussung politischer Prozesse in Deutschland durch Vattenfall zu unterbinden". Andererseits seien die Tagebauplanungen "offensichtlich nicht allein Sache der deutschen Politik, auch die Eigentümer des Unternehmens müssen sich ihrer Verantwortung stellen".
Der Brief an die schwedische Regierung
Königreich Schweden
Herr Peter Norman
Minister für Finanzmarkt
Drottninggatan 21
SE-103 33 Stockholm
sowie den Abgeordneten des
schwedischen Reichstages (per e-mail)
02.09.2014
Sehr geehrter Herr Minister,
sehr geehrte Damen und Herren,
als Vertreter des sorbischen Volkes in Deutschland wenden wir uns an Sie in großer Sorge um den Erhalt unserer Lausitzer Heimat.
Der Braunkohlenbergbau hat allein in der Lausitz bereits 28.000 Menschen die Heimat genommen, mehr als 130 Dörfer und eine riesige Fläche von unersetzlichem Kulturraum zerstört. Die bedrohte sorbische Kultur und Sprache hat unter dem jahrzehntelangen Raubbau besonders gelitten. Nunmehr besteht deutschlandweit in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft große Einigkeit über die Machbarkeit einer Energiewende. Die Energieversorgung kann damit anders als in früheren Jahrzehnten ohne die weitere Zerstörung sorbischen Kulturraumes gesichert werden.
Die Domowina als Dachverband der Lausitzer Sorben positionierte sich in ihrer Bundesvorstandssitzung am 14. September 2013 für einen geregelten und geplanten mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohle im sorbischen Siedlungsgebiet. Diesem Beschluss lag zugrunde, dass eine Mehrheit der Sorben die sorbische Kultur bedroht sieht durch eine weitere Zerstörung sorbischen Siedlungsgebiets durch den von Vattenfall betriebenen Braunkohlentagebau.
Absicht des schwedischen Staatsunternehmens Vattenfall ist es dagegen, noch bis mindestens in die 2060er Jahre den klimaschädlichen Energieträger Braunkohle in der Lausitz zu nutzen, und dafür weitere Flächen abzubaggern. Für die Tagebaue Welzow-Süd, Teilfeld II und Nochten Abbaugebiet 2 sollen mehrere Dörfer zerstört werden, die Teil des angestammten sorbischen Siedlungsgebietes sind.
Der Aufschluss der von Vattenfall geplanten Tagebaue in der Lausitz ist für die Netzstabilität in Deutschland und Europa als auch für eine Energiewende hin zu erneuerbaren Energien nicht notwendig. Zu diesem Schluss kamen Gutachter des renommierten Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW). Ihre Ergebnisse wurden jedoch bei der Planungsentscheidung der deutschen Behörden ignoriert.
In den vergangenen Monaten hat das Unternehmen Vattenfall mit großem Finanzaufwand in der Region Lausitz eine Imagekampagne für den Energieträger Braunkohle durchgeführt und so Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse zur Energiewende in Deutschland genommen. Die Tagebauplanungen sind damit offensichtlich nicht allein Sache der deutschen Politik, auch die Eigentümer des Unternehmens müssen sich ihrer Verantwortung stellen.
Wir bitten Sie dringend um einen Verzicht auf die oben erwähnten sowie alle weiteren Tagebaugebiete. Nur so werden die Klimaschutzbestrebungen Vattenfalls glaubwürdig, nur so entsteht Planungssicherheit für einen nachhaltigen Strukturwandel in der Bergbauregion. Zudem bitten wir Sie, eine weitere Beeinflussung politischer Prozesse in Deutschland durch Vattenfall zu unterbinden.
Mit freundlichen Grüßen,
Heiko Kosel M. A.
Sorbischer Abgeordneter des Sächsischen Landtages (Fraktion DIE LINKE)
Vorsitzender der Schiedskommission der Domowina – Bund Lausitzer Sorben e. V.
Mitglied des Redaktionsbeirates der sorbischen Tageszeitung »Serbske Nowiny«
Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung für das Sorbische Volk
Mitglied der Domowinaortsgruppe Guttau seit 34 Jahren
Marcel Braumann
Mitglied des Domowina-Bundesvorstandes
Benedikt Dyrlich
Dichter, Publizist, Politiker (u.a. MdL Sachsen von 1990–94)
Mitglied: PEN-Zentrum Deutschland, Domowina (seit 1972) und Sorbischer Künstlerbund (seit 1995 Vorsitzender), SPD (seit 1990)
Ingo Schuster
Gemeinderat von Schleife und Ortschaftsrat von Rohne
Ingolf Kschenka
Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Forst-Noßdorf und Seelsorger der Sorben / Wenden in der Niederlausitz
René Schuster
Mitglied des Braunkohlenausschusses des Landes Brandenburg
Hannes Wilhelm-Kell
Pśedsedaŕ/Vorsitzender der Łužyska Alianca/Łužiska Alianca/Lausitzer Allianz, politische Vereinigung der Wenden und Sorben und der Region Lausitz
Edith Penkowa
Ortschaftsrätin von Rohne
Thomas Zschornak
Bürgermeister der Gemeinde Nebelschütz
Hubertus Rietscher
Bürgermeister der Gemeinde Ralbitz-Rosenthal
Alfons Rytscher
Verwaltungsdirektor des Verwaltungsverbandes »Am Klosterwasser«
Róža Domašcyna
freie Schriftstellerin aus Bautzen, Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und der Sächsischen Akademie der Künste
Milan Hrabal
tschechischer Dichter aus Varnsdorf, Mitglied des Sorbischen Künstlerbundes und des tschechischen PEN-Zentrums
Marcus Kreuz
1. Stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Panschwitz-Kuckau
Jurij Koch
Schriftsteller und Publizist aus Cottbus
Dr. Christiana Piniekowa
Publizistin, Lyrikerin
Dr. Martin Walde
Kulturwissenschaftler, Sorbisches Institut Bautzen
Sprecher der Initiative für eine demokratisch legitimierte sorbische Volksvertretung – Serbski sejmik
(Ende des Zitats)
Mehr:
Auf der Webseite www.lausitzer-braunkohle.de hat die Umweltgruppe Cottbus e.V. weitere Informationen zusammengestellt. Die Argumentation von Vattenfall konzentriert sich hingegen auf Braunkohle als einzigen ausreichend verfügbaren heimischen Energieträger und die Versorgungssicherheit.
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- Quelle: red | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
- Erstellt am 05.09.2014 - 07:08Uhr | Zuletzt geändert am 05.09.2014 - 07:59Uhr
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