Görlitzer "zur Sache! e.V." veröffentlicht Mitteilungsblatt für Mai 2013

Görlitz, 28. Mai 2013. Komplexität zu erfassen, sich unabhängig von Erwartungen und Meinungen Anderer artikulieren zu können - das ist nur wenigen Menschen vergönnt. Wenn Dr. Peter Gleißner im neuesten Mitteilungsblatt des zur Sache! Vereins auf die politische Kaste und die Entwicklungen in Görlitz reflektiert, dann wird sowohl der Blickwinkel seines Standpunktes wie auch der aus der Meta-Ebene auf das, was sich in der Stadt abspielt, deutlich. Der Görlitzer Anzeiger als unabhängige Plattform macht diese Informationen - wie auch die von anderen demokratischen Organisationen in Görlitz zur Veröffentlichung bereitgestellten - zugänglich.

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Der Inhalt des aktuellen zur Sache!-Mitteilungsblatts

Thema: zur Sache! e.V.

zur Sache! e.V.

zur Sache! e.V. ist eine Wählervereinigung, die am 16. Februar 2009 in Görlitz gegründet wurde.

Das nachstehende sowie zum Download bereitgestellte Dokument gibt nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.


Liebe Mitglieder,
sehr verehrte Damen und Herren,

dieses Informationsblatt unseres Vereins erscheint in der Zeit wichtiger Ereignisse in Görlitz. Wir wollen unseren Mitgliedern Informationen geben, die für die Beurteilung und Entscheidung anstehender Probleme wichtig sind. Unsere Bitte ist: Unterstützen Sie unsere Arbeit dadurch, dass Sie diese Informationen weitergeben oder uns wissen lassen, wer an diesem Mitteilungsblatt Interesse haben könnte.

Inhalt:
1. Mehr als 3 x 100 Tage OB Deinege
2. Was not tut!
3. Provinzstadt oder provinzielle Stadt
4. Von der Wahrheit der SZ
5. Modrow und Gysi in Görlitz und eine Gespenstergesellschaft
6. Blick über den Teller-Rand
7. Nebenher gesagt: Gedenktage

1. Mehr als 3x 100 Tage OB Deinege


Präsident Roosevelt wünschte nach seiner Wahl, man solle ihm 100 Tage Zeit geben. Er wollte mit einem „New Deal“ zeigen, dass er von Wirtschaft etwas versteht.

Und nach 100 Tagen hatte sich die US-Wirtschaft erholt - kräftig wuchs Neues. Seitdem ist es üblich, diesen 100. Tag einer Wahlperiode zum Urteil über die neue Zeit zu stilisieren.

Lesen Sie nach, was Sympathisanten in Görlitz über 100 Tage Deinege alles fabulierten. Unser Kommentar ließ sich damals auf den Merkvers reduzieren: Außer Spesen nichts gewesen.

Bei der Komplexität heutiger Aufgaben gehört viel Mut, ja Zumutung dazu, einem Oberbürgermeister so kurze Zeit fürs Einarbeiten und erste Erfolge zuzubilligen. Herr Deinege trat offiziell sein Amt am 16. Juli 2012 an, wenn wir die 14 Tage Verspätung übersehen. Dem Mitteilungsblatt wurde nachgesagt, es sei kleinlich, wenn es auf der Feststellung dieser Verspätung insistiere. Schuld daran ist der - wenn auch schwach gewordene - Glaube, die Oberen hätten Vorbildfunktion. Wie viele fristlose Kündigungen wurden aus diesem Grunde an „kleine Leute“ schon verteilt? Aber nun zählen wir trotzdem fast 11 Monate OB Deinege, also mehr als 3 x100 volle Tage.

Deshalb auch von uns die Frage: Wo ist der „New Deal“ von Görlitz, was ist passiert, wo tut sich was? Dazu das Wort eines Oberbürgermeisters von Mainz, der nach 10 Monaten meinte: „Jetzt ist es wirklich an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen.“ Das Mitteilungsblatt nennt lediglich die Vorhaben, die OB Deinege selbst in seiner Antrittsrede im Stadttheater vordringlich nannte - sicherlich wohlüberlegt. Nicht aufgezählt werden die vielen Versprechungen seiner Wahlzeit, die dem Mangel an Gedächtnis in Görlitz schon wieder zum Opfer gefallen sind. Wir zitieren aus der Antrittsrede:

„Für die Stadtpolitik habe ich A-Themen benannt:
Im a u ß e n p o l i t i s c h e n Bereich sind das
die Stadthalle,
der Berzdorfer See zu Görlitz und
der Handel vom Postplatz bis zum Bahnhof.

I n n e n p o l i t i s c h e Themen sind
der Haushalt und die Doppelte Buchführung sowie
ein Personalentwicklungskonzept, das seinen Namen verdient.“

Zu jedem dieser A-Themen nur ein Gedanke als Anstoß zum Nachdenken:

1. Die „Stadthalle“ wurde über Nacht in einsamer Entscheidung - wohl auf Jahre - geschlossen. Der Vorgang erinnert an den selbstbewussten Chirurgen, der es ablehnt, auswärtige Fachärzte für Herz und Kreislauf zur Beratung eines Herzkranken heranzuziehen. Voll Tatendrang reißt er das kranke Herz heraus, bemerkt aber leider zu spät, dass vergessen wurde, ein Ersatzherz zu besorgen.
2. Der OB setzt sich am „Berzdorfer See“ den Hut auf. So hieß es. Daraus ist nichts geworden. Die anderen Anrainer machten viel zu viel Wind. So bleibt nur der Rat: Auf den Hut verzichten, neue Wege beschreiten und versuchen, das Gehirn einfach einmal andersherum zu tragen.
3. Der „Handel vom Postplatz bis zum Bahnhof“ scheint zumindest die Görlitzer Händler nicht zu beeindrucken. Bei ihrem Treffen wurde OB Deinege sehr kräftig gefragt, was dieser Slogan solle. Wo bleibt die gesamte Altstadt in seiner Planung?
Was aus den innenpolitischen Themen wird - Haushalt, Doppelte Buchführung und Personalentwicklungskonzept? Da warten wir weiter.

Es kann jedoch nicht schaden, den Oberbürgermeister so zu wecken, wie es einst die Ehefrau eines Gesamtdeutschen Ministers morgens zu tun pflegte: “Mann, stehe auf und werde bedeutend.“

2. Was not tut!

Während der Bürgervorstellung erfuhr das Konzept der Wohnungsbaugesellschaft Görlitz mbH (WBG) heftige Kritik. Der Niederschlesische Kurier nannte Gedanken daraus sogar „skurril“. Kann einer über ernsthaftes Nachdenken trauriger urteilen?

Dieses Urteil meint den Maßnahmenkatalog „Bevölkerungsentwicklung ist der Schlüssel für die Zukunft der Stadt“, den Arne Myckert in diesen Tagen mehrfach vorstellte. Aus dem Rathaus war zu hören, dass der WBG-Chef dazu ausersehen war, die Ideen des OB zu präsentieren, um bei „Nichtgefallen“ ihn allein ohne Gesichtsverlust für den OB zum Liquidator der „Visionen“ zu machen. Das könnte stimmen, beginnt doch das Konzept auf Seite 2 mit einem Ganzseitenfoto des OB, wie es viel tausendfach mit finanzieller Hilfe der CDU bereits in Görlitz verbreitet wurde. Der Informationswert ist also zu vernachlässigen. Offenbar wird dagegen die für unsere Zeit unübliche Dienstbotengesinnung des angesagten Verfassers.

„Große Visionen für ein attraktiveres Görlitz - OB Deinege will den Bevölkerungsschwund stoppen.“, schreibt der Niederschlesische Kurier. Was also schlägt der OB als erste Maßnahmen vor:
1. Die Errichtung eines Kinder- und Jugendzentrums im früheren Waggonbau, dazu eine „Spielfabrik“ mit Indoor-Spielplatz durch die WBG
2. Die funktionelle Umgestaltung der innerstädtischen Plätze,
3. Die Görlitzer sollen mit ihren Gästen englisch reden.

Nun ist es wie im Kino: Manche Filme sieht man sich einfach nicht an, weil sie so skurril sind, dass man sie nur mit einer Narrenkappe auf dem Kopf erträglich findet. Oder, wie bei des Kaisers Kleidern: Sind sie zu dürftig, verbirgt man sie besser, trägt sie aber nicht. Das gilt auch für diese „Visionen“, die deshalb für sich selber sprechen müssen.
Kritik ist leicht. Besser machen ist die Forderung. Und das versucht der Berichterstatter. Wenige Telefonate mit süddeutschen Stadträten brachten Antworten auf die Frage: Wie machen wir unsere Stadt attraktiv, anziehend und lebenswert. Diese Anregungen erhielt er:

1. Achten Sie auf Ihr Humankapital.
Begraben Sie den gedankenlos hingeplapperten Satz: Wir müssen die Jugend in Görlitz halten. Das Gegenteil ist richtig. Sobald Jugend flügge ist, muss sie raus aus dem Nest. Die Leine kann gar nicht lang genug sein, an der wir die Jugend unmerklich in die Welt entlassen, weil sie für die Heimkehr notwendig ist. Diese Leine heißt: Vorzügliche Schulen, vielfältig mögliche Weiterbildungen, lockende Arbeitsplätze.
Die unbelehrbare Intransigenz, mit welcher der Millionenbau einer Spaßfabrik für Jugendliche vorgeschlagen wird, ist erschreckend. Noch erschreckender aber ist die menschliche Kälte, die das Unglück Hunderter von Görlitzer Jugendlichen in Arbeitslosigkeit oder in noch Schlimmerem einfach ignoriert.

2. Locken Sie privates Geld, um die Infrastruktur zu fördern.
Die Erfahrungen aus der Vorschriftenflut für Investoren zur Entwicklung des Berzdorfer Sees oder der nach Händlermeinung nicht lohnenden Delegation von Pflichtaufgaben an ein City-Management zeigen: Mehr freier Markt und weniger korrigierende Stadt ist notwendig. Weniger planende Funktionäre zugunsten selbstständig Handelnder. Nur ein Vorschlag: Vom Nachbarn lernen! Jeder fahre einmal nach Breslau und lerne, wie man ein Schaufenster dekoriert und Ladenhüter in die Ramschecke verbannt. Das unverständliche Agieren des OB in Sachen Obere Berliner Straße und Kaufhaus hätte jedem Selbstständigen Kopf und Kragen gekostet.

3. Bremsen Sie die Abgabenquote.
Die nächste Erhöhung der Kreisumlage ist vorhersehbar. Dem ist heute schon mit einer aktiven Politik entgegen zu wirken. Und sei es in Forderungen an den Landkreis, städtischen Einsparungen Gleichwertiges entgegen zu setzen. Heute rächt sich die blinde Politik von CDU und BfG, die ihrem OB, damals Paulick, verboten hat, den Weg einer Steuersenkung zu gehen.

4. Die Arbeitslosenquote
Wirtschaft ist mindestens zur Hälfte Psychologie. Nur wer vom Erfolg überzeugt ist und das überzeugend darstellt, wird ihn auch ernten. Wer so zögerlich einen Rohdiamanten, wie es der Berzdorfer See ist, schleifen lässt, wer statt einer imponierenden Investition am See zuvor ein überdimensioniertes Jugend- Spaßzentrum aufbläst, wer so verhalten die Öffentlichkeit an den Entwicklungen in Hagenwerder oder an den Planungen beim polnischen Nachbarn teilnehmen lässt, dazu über die Kaufhausproblematik zur falschen Zeit das Falsche bekannt gibt, der erzeugt unergiebige Diskussionen und übergibt den Bedenkenträgern das Handlungsmonopol.
Sprache ist verräterisch. Ist Ihnen noch nicht aufgefallen, dass unsere polnischen Nachbarn immer von „cele“ sprechen, ihren Zielvorstellungen? In Görlitz heißt es weiterhin: Unser Plan. Das offenbart ein völlig unterschiedliches Denken. Da ist kaum Platz für die Akquisition von Arbeitsplätzen.

Das Mitteilungsblatt hat immer wieder gefragt, warum die Ratgeber aus der großen Koalition dem OB in seinen zunehmenden Problemen nicht beispringen? Ist die Vorhersage gewagt, in der großen Koalition werden schon wieder erste Überlegungen für einen neuen OB angestellt, denn der alte habe kein Fortune, natürlich alles erst nach der CDU-Wahlveranstaltung 17. Juni und den in diesem und nächsten Jahr anstehenden Wahlen. Aus dem Rathaus wird von überlauten „Diskussionen“ berichtet, von Kopfschütteln, da Kommentare bisher nur hinter vorgehaltener Hand gewagt werden. Gestern erhielt der Berichterstatter eine Postkarte, die im Rathaus kursierte, darauf abgebildet der OB als siegreicher Siegfried im Harnisch zu Pferde, gemalt vor der Wahl in vorauseilender Lobhudelei von Neumann-Nochten. Darunter stand jetzt an den OB geschrieben:

„Steig herunter nach den Pleiten,
und lass den Alten wieder reiten.“

3. Provinzstadt oder provinzielle Stadt

Der Provinzialisierung eines Gemeinwesens geht immer die Selbstgefälligkeit voraus. Das Mitteilungsblatt hat wiederholt auf die gefährliche politische Überalterung der Görlitzer Herrschaftsstruktur und auf die Herkunft derer hingewiesen, die seit der Wahl die beiden wesentlichen Ämter in Görlitz innehaben, die Führung der Stadt und die der großen Koalition. Diese auch intellektuelle Überalterung, bedingt durch das Beharren im Gestern, macht satt, selbstzufrieden und behindert Neues. Peinlich gewordene Geschichten und Misserfolge des eigenen Lebens werden ignoriert.

Bei der Bewertung von Irrtum, ja geschehenem Unrecht durch diese Personen, haben sie doch einst Menschen zur Disposition gestellt, ist für quantitative Kategorien kein Platz. Ob sich ein Herrschaftsbewußtsein aus dem Gefühl, ja dem Irrglauben herleitete, an der Weltbewegung des Stalinismus Anteil zu haben oder aus dem Gefühl der Zugehörigkeit zum Herrschafts-Filz einer Stadt, immer sind von vornherein illegitime Handlungsweisen angelegt. So fühlt man sich in Görlitz immer wieder an die Spätzeit des SED-Staates erinnert, in dem alle Maßnahmen zur Stabilisierung und Aufrechterhaltung der Herrschaftsmacht im Verborgenen durchgeführt wurden.

Zudem fehlt in Görlitz vielfach das Empfinden für die Gefährdung der freien Entwicklung der Stadt. Äußerlich gibt es sicherlich keine, denn die Diktatur ist endgültig zusammengebrochen. In der Görlitzer Politikergarnitur verkrüppelt sicher auch keine öffentliche Zensur das Denken. Aber die stabilen demokratischen Strukturen im Gesamtstaat trüben den Blick für das einzelne Gemeinwesen. Denn jedes Denken ist in dieser Stadt schon zuvor durch eine heimliche, verinnerlichte Zensur gegangen, der man sich auf Grund zahlreicher Erfahrungen verpflichtet fühlt. Typisch dafür ist das Görlitzer Politikerwort: “Ich sag mal so: …“. Das gibt Freiraum, eine Meinung jederzeit zur Disposition zu stellen, ja das Gegenteil zu behaupten.

In Görlitz erfuhr der Berichterstatter erstmals, dass es zwar ein Grundrecht auf Meinungsfreiheit gibt, zugleich aber ein mediales Meinungsklima und ein Pressemonopol, bestehend aus einer einzigen Tageszeitung und einem einzigen Redakteur, der alle Meinungen auf „politische Korrektheit“ überprüft und dann - nach Belieben - befördert oder bekämpft. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn dies wahrheitsgemäß und in einem ausgewogenen Verhältnis innerhalb des demokratischen Koordinatensystems geschähe. Aber dies ist in Görlitz nicht der Fall. Die Macht dieses Redakteurs der SZ geht soweit, dass selbst der erste Repräsentant der evangelischen Kirche in seiner Osterpredigt den Artikel „Weihnostern“ dieses Redakteurs erwähnt, aber kein Wort dazu findet, dass der den Osterglauben an die Auferstehung Christi, den Glauben eines Viertels der Görlitzer Bevölkerung, in diesem Artikel „Humbug“ nennen lässt.

Wundert es dann, dass einzelne Stadträte um die Gunst dieses Mannes buhlen, damit ihre Geburtstage in seinem Blatt Erwähnung finden, dass einzelne wenigstens einmal namentlich genannt werden wollen? Wundert es, dass aus diesem Grund vertrauliche Unterlagen aus dem Stadtrat regelmäßig den Weg zu diesem Redakteur finden? Verwundert dieses vertrauliche Verhältnis zwischen OB und Redakteur, das bis zum privaten Treffen im Schutz der Dunkelheit führt?

Der Berichterstatter, Arzt von Beruf, möchte nicht den totalen Charakter-Verriss des einstigen CDU-Politikers Barzel durch Mitscherlich wiederholen. Aber er fragt sich, ob der sich in der SZ auslebende ganz persönliche Hass dieses Redakteurs auf den ehemaligen OB und unverändert jetzt gegenüber dem Privatmann und die unkritische Lobhudelei des neuen OB - nicht pathologische, ja manische Züge anhaften. Belegen kann er das durch zahlreiche einseitige Berichte bis zu Falschdarstellungen, Auslassungen und sogar Verdrehungen. Warum auch noch manisch? Nur ein Beispiel von vielen: Jeder klardenkende Redakteur hätte die Falschmeldung, OB Deinege sei Kandidat für eine Stammzellspende, schnell verlassen oder zum Irrtum erklärt. Herr Beutler druckte aber weiterhin einen Beitrag nach dem anderen, der durch neue Verdrehungen versuchte, die Falschmeldung zur Wahrheit zu machen. Ebenso wahrheitswidrig fügt er an, diese Meldung habe „zum politischen Streit“ geführt. Das war natürlich nicht der Fall. Kein Politiker kam Herrn Beutler zu Hilfe. Denn das Mitteilungsblatt hatte nur wahrheitsgemäß des Redakteurs „vollendete Desinformation“ der Öffentlichkeit zugunsten eines Gesinnungsgenossen kritisiert. Aber das verschwieg der Redakteur.

Dem Berichterstatter wurde von dem Geschäftsführer einer großen Fraktion im Stadtrat gesagt: “Mit der Presse legt man sich nicht an. Das ist dumm.“ Diese Untertanengesinnung ist in Görlitz leider verbreitet.

4. Die Wahrheit der SZ


Ist es Aufgabe der SZ, die Ablösung eines Fraktionsvorsitzenden zu fordern, dazu mit unwahren Argumenten ( SZ 30.04.2012)? Der Berichterstatter ist der Meinung, Presse habe zu berichten und zu kommentieren, vielleicht im Kommentar Empfehlungen zu geben. Tut eine Zeitung aber das Gegenteil mit „erdachten“ Argumenten, sollte jeder informierte und frei denkende Bürger das nach seinem Geschmack quittieren, vom Leserbrief bis zum Ignorieren des Blattes.

Am 30.04. muss Ingo Kramer, von der SZ als Beobachter in den Stadtrat geschickt, in der Sitzung geschlafen haben. Jedenfalls begründete er seine Forderung nach Ablösung Dr. Gleißners vom Fraktionsvorsitz („Zur Sache!/SPD) mit zwei Unwahrheiten. Die eine: Gleißner habe „alle!“ Stadträte beleidigt. Nichts ist falscher als das. Im Vorgespräch zum Stadtrat erfuhr Gleißner von der CDU, sie beabsichtige den inzwischen bekannten Gegenantrag zum Drogenmissbrauch zu stellen. Gleißner drückte seine tiefe Enttäuschung über dieses Vorhaben aus und bat, in dieser Angelegenheit müssten doch alle zusammenarbeiten. Da kein Entgegenkommen zu erreichen war, bat er schließlich um Verständnis, wenn er seine Enttäuschung im Stadtrat sehr hart äußern werde. Antwort: Tun sie das ruhig. Wir haben gute Nerven. Und dann richtete Gleißner seine Kritik an die CDU. Niemand sonst wurde kritisiert. Nur Ingo Kramer schlief.

Die zweite Unwahrheit: Die Zusammenarbeit mit der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Frau Schwarze („Zur Sache!“/SPD) war und ist vertrauensvoll. Niemand muss oder hat sich entschuldigt - eine der üblichen Verleumdungen.

Der dritte Vorwurf des Herrn Kramer (SZ) ist kurios: Gleißner habe sich auf seine Rede im Stadtrat „vorbereitet“! Will er unterstellen, dass das sonst kein anderer Stadtrat tut, dass jeder einfach so drauflos redet? Ist das nicht die eigentliche Beleidigung aller! Stadträte. Herr Kramer unterstellt ihnen doch: Keiner weiß, was er will oder soll, doch alle machen mit.

5. Modrow und Gysi in Görlitz - und eine Gespenstergesellschaft

Hartnäckige fünf Telefonate und eine Mail an Herrn Gysi waren nötig, um im April eine Karte in die Görlitzer Stadtbibliothek zu bekommen. Gleich nach Beginn des Kartenverkaufes hieß es nämlich: Ausverkauft! Zweites Problem: Wie begegnet man einem inzwischen alt gewordenem Publikum ehemaliger Mitglieder von SED und Stasi, sicherlich verarmt, still und zurückhaltend, wenn nicht gar depressiv. Also: keinesfalls aufdringlich.

Und dann ging´s hin. Erste Verblüffung: Im Saal sammelte sich bereits ein sehr seriöses, gut situiertes Publikum. Vom Versammlungsleiter war zu hören, er sei stolz: Im Raum befänden sich mehrere Generäle, Professoren und Doktores. Darum also grüßte so mancher Besucher betont militärisch, nahm mancher Haltung an. Deutlich wurde, es gibt auch heute noch ein intaktes Oben und Unten in dieser Gesellschaft.

Der Berichterstatter kam neben zwei älteren Damen zu sitzen: Goldschmuck, Chanel-Kostüm, sehr gepflegte Frisur, eben distinguiert. Es waren wohl zwei Geheimrätinnen oder Obermedizinalrätinnen - die Titelflut der DDR ist dem Berichterstatter nicht mehr geläufig. Die Top-Haltung der Damen litt etwas, als die Referenten erschienen. Mehr als herzlicher Applaus. Jede der Aussagen von Modrow und Gysi wurde mit zustimmenden Bemerkungen ergänzt: „Sehr richtig“, „Genau so ist es“. Die beiden Damen ersetzten ihre Wortbeiträge durch leises zustimmendes Stöhnen. Die Tiefe ihrer Ergriffenheit durch die beiden Referenten war nicht überhörbar.

Der 85jährige Modrow erschien körperlich frisch und trainiert, elastisch in seinen Bewegungen. Er wechselte schnell die Gesprächspartner, scheinbar Zeichen geistiger Beweglichkeit. Nur sein modischer Cord-Anzug erinnerte in seiner Farbe an seine Funktionärsherkunft. „Alle Achtung“, war der erste Gedanke. Der zweite folgte aber sofort, als Herr Modrow von gestern erzählte und das Heute beurteilte. Da sprach ein Mann, dessen Uhr vor fast dreißig Jahren stehen geblieben war und nie wieder aufgezogen wurde. Alle Gedanken beherrschte Erzlump Schabowski, der nun wirklich alles falsch gemacht haben soll. Ansonsten nur Zitate a la Neues Deutschland. Schade!

Gysi, später immer wieder sehr witzig, locker und Modrow widersprechend, erschien angespannt und schlecht gelaunt. Als ihm der Versammlungsleiter die Verwandtschaft mit dem Görlitzer Hühnerologen Oettel anhängen wollte, schaute er unbewegt aus dem Fenster. Sein Gesichtsausdruck sollte wohl sagen: „Auch das noch“. Den Roten Krimsekt nahm er fast widerwillig entgegen.

Die Fragestunde zu Gegenwartsproblemen wurde eine bessere Stammtisch-Runde: Politik, Kindern dargestellt. Dann ging es um den Untergang der DDR. Hier bezog Schabowski wieder tüchtige Prügel von Herrn Modrow. Gysi meinte dagegen mit klaren Worten etwa so: Die DDR ist untergegangen, weil sie auf falschen Grund gebaut hat. Ihre Prinzipien waren schlecht. Sie ist zu Recht untergegangen.
Das war das einzige Mal, dass ein leichtes Protestgrummeln in der Versammlung zu spüren war. Denn immer wieder wurde zuvor gesagt: Wir lassen uns unsere DDR-Vergangenheit nicht nehmen.

Ich dachte dabei an die etwa 30.000 Görlitzer, die in der Herrschaftszeit dieser Gesellschaft gen Westen flüchten mussten, nur um frei atmen, leben und sprechen zu können. Nicht wenige gingen um dieses Wunsches wegen ins Zuchthaus, einige sogar in den Tod.
Und hier saß weiterhin eine wohlhabende Honoratiorengesellschaft, unbeeindruckt vor allem ihren Wohlstand genießend, den sie einst anderen unrechtmäßig genommen und den ein freies Deutschland ihnen gelassen hat. Ob überhaupt einer von ihnen ahnte, dass die Zeit längst über sie hinweggegangen ist?

6. Blick über den Teller-Rand

Es war nach der Wende 1990 ein glücklicher Gedanke, die meisten Ämter der Stadt Görlitz in der Jägerkaserne zu versammeln. Und es ist uneingeschränkt anzuerkennen, dass sich die Verwaltung der Stadt ungemein bemüht, die Wünsche der Einwohner zu erfüllen. Doch sollten wir nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Die Zeit und der Fortschritt fliegen zuweilen schneller als wir es bemerken. Der Ärger um das Einwohnermeldeamt vor längerem wegen langer Wartezeiten und der Hinweis eines Görlitzers sollte deshalb bedacht werden:

„Als Deutscher und lange Jahre gewesener Schwede, brauchte ich vor einiger Zeit einen neuen Pass. Also flog ich nach Stockholm und war am Morgen 9 Uhr in der Dienststelle. Ich war nicht allein. Ich zog eine Nummer und wartete. Nach etwa 15 Minuten war ich an der Reihe. Die nette Dame bat mich, meinen alten Pass vorzulegen und eine Bescheinigung des Finanzamtes, das in Schweden gleichzeitig Einwohnermeldeamt ist, mit der Angabe meines festen Wohnsitzes. Vor dem Schalter waren zwei Fußsohlen abgebildet. Ich wurde gebeten, mich darauf zu stellen, dann ein Blitzlicht. Und die gleiche Dame zeigte mir darauf das Foto und fragte, ob ich zufrieden sei. Sie schaute in meinen Pass, dann auf die Bescheinigung und fragte ob alles richtig sei. Ich nickte. Da bat sie noch um meine Mobiltelefonnummer. Ich war erstaunt, wurde aber belehrt, dass sie jetzt meine Angaben nach Finnland mailen würde. Dort wird der Pass gedruckt und umgehend nach Stockholm zurückgeschickt. Sie versprach, mich anzurufen, wann ich den Pass abholen könne. Am nächsten Tag, nachmittags, rief sie mich an: Der Pass kann abgeholt werden. Früher hatte ich mich oft über die schwedische Bürokratie geärgert, heute nicht mehr.“

7. Nebenher gesagt: Gedenktage

250 Jahre Hubertusburger Frieden!
Dieser Frieden beendete 1763 den Siebenjährigen Krieg „um Schlesien“. Interessant ist die These, dass sich in diesem Krieg der Gegensatz Nord- und Süddeutschland austobte, also der Streit zwischen Welfen und Stauffern ebenso wie der Gegensatz zwischen Katholizismus und Protestantismus. England stand Preußen unter dem Gesichtspunkt der „antipapistischen Solidarität“ zur Seite.
Nur vordergründig ging es um Schlesien. Churchill meinte, dieser Krieg sei der 1. Weltkrieg gewesen. Zu gleicher Zeit kämpften in Übersee Großbritannien und Portugal auf der einen, Frankreich und Spanien auf der anderen Seite. Frankreich verlor und schied als Konkurrent für England aus. England übernahm den französischen Kolonialbesitz in Nordamerika und Indien.
Betrachtet man das Jahr des Friedensschlusses, so ist es ebenso das Geburtsjahr des deutsch-österreichischen Dualismus wie das Todesjahr des britischfranzösischen Gegensatzes. Dieses eigentlich globale Geschehen wird in unseren Geschichtsbüchern immer noch als innerdeutsches Ereignis behandelt. Doch schuf dieser Frieden Konstellationen, die unsere Welt bis heute beeinflussen.

200 Jahre der Aufruf „An mein Volk“ in Breslau
Am 17.3.1813 war es das erste Mal, dass ein Monarch sich vor seinem Volk rechtfertigte. Friedrich Wilhelm III. von Preußen begründete den Krieg gegen Napoleon, aber auch seine Angst und sein Zögern, einen Krieg überhaupt zu beginnen und zu führen. In einer Ausstellung im Kloster Leubus wird ab 11. Mai auf die Bedeutung Schlesiens in diesem Krieg hingewiesen.
Dem Berichterstatter ist wichtiger, dass damals erkannt wurde, man muss durch geistige Kräfte ersetzen, was an materiellen fehlt. Dieses Wort Friedrich Wilhelms III. sollten wir uns ins Stammbuch schreiben.

Ihr
Dr. Gleißner


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Mitteilungsblatt des zur Sache! e.V. Mail 2013 (ca. 119KB)

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  • Quelle: red
  • Erstellt am 28.05.2013 - 20:08Uhr | Zuletzt geändert am 28.05.2013 - 22:34Uhr
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