"zur Sache!"-Mitteilungsblatt September 2011

Görlitz. Der Görlitzer Anzeiger möchte auch für die politische Meinungsvielfalt, wie sie von den demokratischen Parteien und Gruppierungen in Görlitz vertreten wird, eine Bühne sein. Ein Element dieses Spektrums ist der "zur Sache!" e.V. mit seinem Mitteilungsblatt. Das Angebot, grundsätzliche Positionen zu veröffentlichen und öffentlich zum Geschehen in der Stadt Görlitz Stellung zu nehmen gilt auch für die anderen demokratischen Organisationen in Görlitz. Wer was zu sagen hat, nutzt es.

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Thema: zur Sache! e.V.

zur Sache! e.V.

zur Sache! e.V. ist eine Wählervereinigung, die am 16. Februar 2009 in Görlitz gegründet wurde.

Mitteilungsblatt des zur Sache! e.V. September 2011 *)


Liebe Mitglieder,
sehr verehrte Damen und Herren,

dieses Informationsblatt unseres Vereins erscheint in der Zeit wichtiger Ereignisse in Görlitz. Wir wollen unseren Mitgliedern Informationen geben, die für die Beurteilung und Entscheidung anstehender Probleme wichtig sind. Unsere Bitte ist: Unterstützen Sie unsere Arbeit dadurch, dass Sie diese Informationen weitergeben oder uns wissen lassen, wer an diesem Mitteilungsblatt Interesse haben könnte.

Inhalt:

1. Bericht vom 43. Stadtrat
2. Gedanken zum 13. August 2011
3. Kunst oder Krempel - die Salzkristalle
4. Wieviel „Kita“ tut gut
5. Das Lothringer Kreuz von Görlitz
6. Nebenher gesagt


1. Bericht vom 43. Stadtrat

Haben Sie schon einmal ein 100%ig vermanschtes Wochenende erlebt? Wenn ja, dann wissen Sie, wie dem Berichterstatter während des 43. Stadtrates zu Mute war. Dabei hätte diese Sitzung zu einem Fixstern in der Görlitzer Stadtgeschichte werden können. Denn der Bericht des Oberbürgermeisters über den Halbjahresstand des Görlitzer Haushaltes war mehr als erfreulich: Der Schuldenstand der Stadt, auf den einzelnen Bürger berechnet, ist von 655,10 EUR auf 626,09 EUR gefallen. Das ist im Vergleich zu der wenig vorbildhaften, rasant zunehmenden Verschuldung des Bundes doch eine positive Entwicklung. Der Gesamthaushalt des Vorjahres schließlich endete mit einem positiven Ergebnis von + 0,5 Mio. EUR. Wir waren anderes gewohnt.

Das ist, von niemandem widersprochen, in überaus schwerer Zeit ein mehr als zufrieden stellendes Ergebnis. Und es stände allen gut an, diese kluge Haushaltung durch Oberbürgermeister und Verwaltung anzuerkennen.

Doch kommt es noch besser: Dank ihres „Neißefonds“ war bzw. ist die Stadt auch in der komfortablen Lage, sich selbst immer wieder Entwicklungsimpulse zu geben. Aus den Verkaufserlösen der Anteile an der SWG AG, unabhängig davon, ob dieser Schritt der damaligen Stadtväter richtig oder falsch war, wurden seit 2005 immerhin u. a. das Neißebad die Stadtbibliothek, der Kaisertrutz, das Barockhaus und das neu entstehende Landratsamt mit finanziert. Stadthalle, Kitas, Schulen und Kirchengebäude stehen auf dem Plan.

Und als Bonbon obendrauf: Nachdem die Steuerschätzungen der Stadt in diesem Jahr kräftige Mehreinnahmen versprechen, fand der Oberbürgermeister, es sei an der Zeit, die zugegeben immer noch deftigen Realsteuerhebesätze im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit moderat zu senken. Danach verlangte nicht zuletzt auch der örtliche Allgemeine Unternehmerverband. Möglich sei eine Reduzierung des Gewerbesteuerhebesatzes um 50 Prozentpunkte. Das träfe allerdings nur 35 % der überhaupt zur Gewerbesteuer veranlagten Unternehmen, von denen wiederum eine Vielzahl Ursprung und Sitz nicht in Görlitz haben, sondern hier „lediglich“ eine Betriebsstätte bzw. Filiale unterhalten. Da - anzunehmen - den meisten Konzernen oder Handelsketten der für Görlitzer Verhältnisse große Schritt kaum der Rede wert wäre, bevorzugt der OB stattdessen eine Herabsetzung des Hebesatzes der Grundsteuer B um bis zu 100 Prozentpunkte. Den Nutzen davon hätten vor allem die hiesigen Steuerzahler, also neben den privaten Grundstücksbesitzern und Mietern auch die Gewerbetreibenden mit eigenem Grundstück bzw. als Mieter oder Pächter eines solchen. Für den Stadthaushalt hieße das zwar eine Einbuße von 1,4 Mio. EUR pro Jahr. Die könnte die Stadt zumindest in den nächsten zwei Jahren wegen der diesjährigen Mehreinnahmen aber erst einmal verkraften. Danach müssen wir weiter sehen.

Und nun gesteht der Berichterstatter, dass ihn wohl die einem Mediziner angeborene Hochachtung vor jedem Mitmenschen zu völlig falschen Schlüssen geführt hat. 2009 waren sich alle einig: „Die Steuern müssen runter!“ Zwar wusste Dr. Weidle bei seiner damaligen Neujahrsansprache sicher, „dass der OB kein Konzept dafür hat ... wir müssen handeln!“, der CDU-Chef mangels Masse regelmäßige Worthülsen in diesem Sinne wiederholte, die nur noch langweilten. Aber jetzt war doch der Zeitpunkt, wo alle, die an Görlitz Interesse haben, nur laut hätten „Ja!“ rufen müssen. Der Berichterstatter hätte applaudiert, wenn die Chefs der „Großen Görlitzer Koalition“ vor Freude einen Schuhplattler aufs Parkett gelegt und mit den Stadträten „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ intoniert hätten.

Nichts davon: Man sah förmlich, wie der Mehltau über die Bänke kroch und bei CDU und BfG angespannt nachgedacht wurde, wie man die Offerte bewerten solle. In der Aufregung meldete sich schließlich eine Dame vom Bürgerverein, sie verstehe das alles gar nicht. „Wie kommt es, dass das verarmte Görlitz plötzlich die Steuern senken könne?“ Protest, Protest - hieß das übersetzt. Und dem Sprecher der CDU fiel auch nichts anderes ein als nachzufragen, wie lange der OB von diesem außerordentlichen Geldsegen schon wisse. Irgendwie muss doch verhindert werden können, dass gerade dieser Mann (gerne jeder andere) genau diesen gemeinsamen Herzenswunsch umsetzt - so kam diese Frage bei mir an.

Und darum war dieser Stadtrat ein 100%ig vermanschter Tag, der auch das Wochenende noch trübte.

Das Ende der Sitzung soll Ihnen nicht vorenthalten bleiben: Heimgekommen erwartete den Berichterstatter die Frage: „Da hat ein Stadtrat im roten T-Shirt recht abfällig von Dir als „der Gleißner“ gesprochen. Warum hast Du ihm nicht Bescheid gegeben?“ „Eben deshalb“, war meine Antwort, „wer am vornehmsten Ort der Stadt Görlitz im ersten Kreis der Stadtvertreter im roten T-Shirt herumläuft, der hat auch keine Ahnung von zivilisiertem Umgang miteinander.“

2. Gedanken zum 13. August


Görlitz besitzt ausführliche Literatur zur neueren Geschichte der Stadt. Doch nicht deshalb, weil nur ein kleiner Teil der Bürger sie zur Kenntnis nimmt. Geschichtsschreibung ist grundsätzlich kein Ersatz für das kollektive Gedächtnis der Menschen. Es gibt keine Beweise, dass selbst vorzügliche Geschichtsschreibung eine Tradition schafft, die Allgemeingut wird. Nietzsche diagnostizierte dazu bereits 1874 den nachweisbaren deutschen Mangel an historischem Instinkt, woran zu erinnern sei und woran nicht. Beides ist für die Gesundheit eines Volkes nötig.

Vor wenigen Tagen kritisierte Deutschlands Kulturstaatsminister Neumann sehr herb die Schulen, sie hätten bei der Aufklärung des DDR-Unrechtes versagt. Gleichzeitig muss es auch erstaunen, dass die deutschen Literaten nur so marginal über die Mauer berichtet haben. Jens Reich erklärte das so: Die prominenten Ost-Literaten, die in der DDR großgefüttert worden sind, haben also Hemmungen, gegen ihr ehemaliges „Elternhaus“ zu treten. Christa Wolf ist dafür ein gutes Beispiel. Auch im Westen war - sicherlich durch die 68er Ereignisse - die Mauer nur ein Thema für den Verleger Springer. Für Grass war die Mauer und die deutsche Teilung die Strafe für Auschwitz. Wobei zu fragen wäre, ob denn nur die Ostdeutschen für Hitler verantwortlich sind. Das gibt keinen Sinn.

Solche Überlegungen hatten den Stadtrat bewogen, den Oberbürgermeister zu beauftragen, eine Erinnerungskultur in der Stadt zu schaffen und ins städtische Bewusstsein zu pflanzen. Und es macht tief zufrieden, wie erfolgreich der OB sich gerade um die Görlitzer Jugend bemüht, mit ihr zusammen das zu tun. Denn die Görlitzer Jugend macht bereitwillig mit. Schon am 17. Juni dieses Jahres erstaunte die große Zahl junger Menschen, die interessiert den Berichten zuhörte, kräftig und ungeniert die Nationalhymne sang und sich zum deutschen Vaterland bekannte. Dazu Zitate aus dem Vortrag des Oberbürgermeisters: „Die Mauer, die vor 50 Jahren mitten durch Berlin und entlang der Grenze von Ost- und Westdeutschland hochgezogen wurde, trennte nicht nur Städte und Landschaften, sie trennte auch Familien und Freunde. Zahllose menschliche Bande wurden zerrissen, Straßen und Schienenstränge wurden zu Sackgassen oder endeten im Niemandsland. Fast drei Jahrzehnte lang war Deutschland ein getrenntes Land. 28 Jahre später - im November 1989 - konnten wir den Fall der Mauer feiern. Die Teilung war überwunden … Dass dieser erdrückende Teil der Geschichte Deutschlands auch junge Menschen bewegt, haben wir heute auf dem Marienplatz gesehen. Mitglieder der Jusos und der Jungen Union haben Kinder, Jugendliche und Erwachsene aufgerufen … und symbolisch eine Mauer errichtet, um sie hemmungslos wieder einzureißen. Für diese Generation soll die Erinnerung an diese Zeit eine weitergehende Bedeutung haben.“

3. Kunst oder Krempel - die Salzkristalle

Der Technische Ausschuss hat sich endgültig gegen die Aufstellung der Skulpturen mit dem Namen „Salzkristalle“ entschieden. Diese Figuren sollten zwei Gedanken transportieren: Einmal das „Salz“ als Symbol für den Handel auf der via regia. Zum anderen war angekündigt, solche Figuren auch auf der anderen Neißeseite aufzustellen, als Hinweis auf die Weite von Handel und Bewegung auf der königlichen Straße. Als bekannt wurde, dass die zweite Hälfte dieser Symbolik nicht kommen würde und die Absicht des Ganzen damit auf die halbe Optik reduziert bliebe, war die selbstgestellte Aufgabe des Künstlers hinfällig. Es blieb jedoch der von manchem erhobene Vorwurf, in Görlitz wäre damit „Kunst“ verhindert worden.

Was ist Kunst? Joseph Beuys verklagte einst die Stuttgarter Staatsgalerie, nachdem eine Putzfrau seine dort aufgestellte Butterskulptur als vermeintlichen Unrat weggeworfen hatte. Tomi Ungerer sammelte auf Müllplätzen Fundstücke und stellte sie als große Kunst aus.

Ist also Kunst heute alles, was zu Kunst erklärt wird? Walter Benjamin zählte sogar Happenings zur Kunst. Fragt sich der Künstler heute also nicht mehr: Was drängt es mich zu erschaffen? Sondern: Was kann ich anbieten, wie finde ich einen Käufer, welches Feld ist unbesetzt? Kunst wäre damit heute nur noch die wiederholte Logik der Gesellschaft, somit ohne Markt, Angebot und Nachfrage nicht zu denken. Auch beim Thema „Salzkristalle“ lebt diese Kunstvorstellung vom Sachbezug zu einem gesellschaftlichen Problem, dazu in einer Form, die sowohl als ironische Verfremdung, aber auch als Veralberung empfunden werden kann.

Kunst ist heute an die Qualität der jeweiligen Gesellschaft gebunden und nicht mehr durch historische oder formale Normen oder Qualitätsanforderungen geformt. Genauso steht es um die Transzendenz in der Kunst. In der Generation unserer Väter wurde noch die platonische Frage gestellt, was ein Kunstwerk bedeutet, von welcher Wahrheit es Auskunft gibt. Das ist heute irrelevant. Der Künstler kann alles machen und der, der davor steht, kann alles akzeptieren (oder ablehnen). Die klassischen Methoden der Interpretation gelten nicht mehr. Die Frage an Christo, was er mit der Verhüllung des Reichstages zeigen wollte, ist unsinnig und uninteressant.

Kunst hat heute Marktcharakter. Letzten Endes entscheidet über den Wert dieser Kunst, wie sie sich auf dem Markt platzieren lässt und wie viel Publikum sie interessieren kann. Zurück zu den Salzkristallen, deren Aufstellung auch unser Vertreter im Technischen Ausschuss ablehnte. Sein Grund dafür war formal die Unvollständigkeit des Kunstwerkes. Dabei dachte er an Johannes Brahms, dem einst Dvořák einige Musikblätter schickte, mit der Bitte, die Komposition zu beurteilen. Die Blätter waren zum Teil ausgerissen, Teile fehlten, Teile mit Fettflecken übersät. Brahms schrieb ihm: Wir können zwar nicht mehr so gut komponieren wie Mozart, aber so ordentlich schreiben wie er, darum sollten wir uns bemühen.

4. Wieviel „Kita“ tut gut

Der Stadtrat war aufgefordert, in seiner Augustsitzung den individuellen Betreuungsbedarf für Kinder bis 6 Jahre in Krippe und Kindergarten auf 6 Stunden am Tag festzulegen, in begründeten Einzelfällen auf 9 Stunden. Er wäre damit dem Beispiel des Landkreises und der umgebenden Kommunen gefolgt. Auf begründete Bitte der Fraktion „Bürger für Görlitz“ wurde das Thema auf Ende September vertagt. Da die Diskussion aber bereits eröffnet ist, unsere Gedanken dazu.

Widersprochen werden muss vor allem der Meinung, der Stadtrat wolle an den Kindern sparen. Deshalb die Antwort zu der Frage: Wie viel Fremdbetreuung, also „Kita“, darf oder soll ein Kind haben?

Das Beziehungstrias Kind-Eltern-Fremdperson ist ein gut erforschtes Gebiet der Soziologie (Heinsohn, Uni Bremen). Der Soziologe differenziert unseren Begriff „Erziehung des Kindes“ auf zwei Ebenen: Sozialisation und Erziehung. Sozialisation meint das unbewusste So-nebenher-lernen, durch Anschauung und Nachahmen der Eltern: Bewegungen des Vaters werden kopiert, Redewendungen der Mutter nachgeplappert, alles ungeplante Übertragungsleistungen. Ganz anders die geplante Erziehung, erkennbar am erhobenen Zeigefinger und dem „du musst“ oder „du darfst nicht“. Sie wird von allen ausgeübt, die über dem Heranwachsenden stehen, von Familie wie Fremden. John Locke sprach einst vom tabula-rasa-Prinzip, dass der Mensch ein unbeschriebenes Blatt sei, aus dem Erziehung alles machen könne. In der Familie findet sich meist eine gute Mischung aus Sozialisation und Erziehung, worauf einst Schule und später Lehre aufbauen konnten. Durch den zunehmenden Funktionsverlust der Familie - durch staatliche Maßnahmen noch gefördert - wurden beide Funktionen zunehmend auf sekundäre Sozialisations- und Erziehungsinstanzen wie Schule oder Lehre verlagert. Hartmut von Hentig stellte in den siebziger Jahren fest, dass in der modernen Gesellschaft aber die Sozialisationsmöglichkeiten verloren gehen und zunehmend alles Erziehung wird. Jede Kindheit ist „pädagogisch totalisiert“, alle Bezugspersonen wenden sich dem Kind in „pädagogischer Attitüde“ zu. Es wird nicht mehr zu wenig, sondern zu viel erzogen. Die Sozialisationsdefizite können aber auch durch größte Anstrengungen der Erziehungssysteme nicht kompensiert werden.

Seit 15 Jahren laufen Studien in den USA und Kanada (Sloterdijk), die das Verhalten von Kindern untersuchen, die in umfassender Kita-Versorgung aufwuchsen, in einfachen oder sogenannten Edel-Kitas. Bei diesen Kindern fand sich eine auffallend vermehrte Aggressivität. Die Kinder waren schwerer beschulbar mit schlechter sozialer Prognose (Heinsohn).

Eine umfassende Betreuung der Kinder in Kitas kann nicht die Lösung für die Erziehung der Kinder sein. Es werden wieder Eltern gebraucht.

5. Görlitz und sein „Lothringer Kreuz“

Die Natur hat es wohl klug eingerichtet, dass sie dort, wo sie im Überfluss gibt, immer auch ein Quentchen Sauermilch beifügt. Jeder Braunbär hat seine Laus, auch die schönste Frau wird von einer Mücke nicht verschont und selbst der mit Lebensglück gesegnete Churchill klagte einst über sein Lothringer Kreuz, womit er den querulierenden General de Gaulle meinte. So muss es eine so schöne Stadt wie Görlitz wohl auch tragen, dass sie in ihren Mauern keinen Erfolg feiern kann, zu dem nicht ein pathologischer Kritikus Essig, ja zuweilen Gift eisteuert. Allerdings wird der Gleichmut ein wenig zornumwölbt, wenn die von diesem Redakteur geschriebenen Zeitungsberichte auf die Täuschung des Lesers aus sind oder ganz erfunden werden. So auch diesmal wieder: Da hatte die Brief-Aktion vom Görlitzer Werbechef Thielemann in der Schweiz einen erstaunlichen Erfolg, der jeden Görlitzer freuen müsste. Was aber schreibt Herr Beutler: “Unmut in der Schweizer Politik über Görlitz-Brief. Görlitz habe aufdringlich um Investitionen geworben, heißt es von den Kantons-Wirtschaftschaftsministern ... (der Brief) hat für diplomatische Verärgerung gesorgt …“

Der Berichterstatter meint: Solange Herr Beutler nicht den genauen Wortlaut und seine Quelle für diese Behauptungen nennt, hält er diesen Text für eine seiner üblichen Fehlinformationen, mit denen er unserer Stadt und ihrer Verwaltung schaden will. Denn die Meldung der prominenten Neuen Züricher Zeitung vom 7. August klingt völlig anders: „Görlitz … hat es auf die Schweiz abgesehen … OB Paulick hat 1.500 Schweizer Firmen angeschrieben … Die „sehr starken Wechselkursverschiebungen zwischen Schweizer Franken und Euro“ machten „Wachstums- und Erweiterungsinvestitionen in Deutschland interessant“, heißt es im Brief des Oberbürgermeisters …

Es ist das Angstszenario der Schweizer Wirtschaftsförderer: Unternehmer verlegen angesichts des starken Frankens ihre Produktion in den Euro-Raum … Punkt für Punkt schildert OB Paulick die Vorzüge seiner Stadt … Bereits genützt haben solche Argumente bei Hans Frauenknecht, Inhaber der Appenzeller HBB AG, spezialisiert auf Biegetechnik. Seit wenigen Wochen betreibt er ein Werk in Görlitz, 10 von total 60 Angestellten arbeiten dort, mittelfristig könnten es mehr sein ... Bleibt der Wechselkurs auf diesem Niveau, müssen wir insbesondere in der Maschinenindustrie mit einer großen Zahl von Produktionsverlagerungen ins Ausland rechnen …“

Das ist doch großartig, wird jeder Görlitzer sagen. Nur weiter so - trotz SZ! Gute Werbung muss auffällig sein, sonst wirkt sie nicht. Missgünstige nennen das „aufdringlich“. Es bleibt dabei: Hier hat die Stadt zur rechten Zeit richtig reagiert. Und sie sollte das weiter so tun. Sie folgt damit dem Beispiel Sachsens, das kürzlich werbungskräftig, nach Herrn Beutler also „aufdringlich“, die Schwaben tüchtig erschreckt hat. Der Erfolg gibt recht. Den aber verschweigt Herr Beutler. Er will eben nicht informieren, sondern Politik machen. Leider die falsche.

6. Nebenher gesagt

Trotz Jecht, Knothe und Lemper - die 990jährige Geschichte des Görlitzer Landes und unserer Stadt birgt auch heute noch immer wieder Überraschungen. Prof. Kiesow brachte im August neue Gedanken zur Stadtgeschichte mit. Seine Anmerkungen sollen Ihnen als erfrischende Abwechslung zur Stadtpolitik nicht vorenthalten werden:

1. Wenn Sie heute durch die als Barockpark gestaltete Ochsenbastei wandern, dann erleben Sie zur Rechten und zur Linken die Reste der Görlitzer Festungsanlage, bedeutende Überbleibsel der einst gedoppelten Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert. So etwas existiert in dieser Art nur noch in Carcasonne in Südfrankreich. Diese Stadt, etwa von der Größe der unseren, liegt an einer Handelsstraße zwischen dem Mittelmeer und dem Atlantik. Carcasonne ist ebenso von zwei gleichen Mauerringen umgeben. Der erste stammt aus dem 12. Jahrhundert, der Bau der zweiten wurde von König Ludwig dem Heiligen (+1270) veranlasst. Ob und welche Zusammenhänge zwischen beiden Städten unter diesem Thema bestehen, das zu finden wäre die Intelligenzleistung einer Doktor-Arbeit.

2. Der Kaisertrutz gehört in die Familie der Barbakane (die oder auch der Barbakane). Das waren Rundbauten spätmittelalterlicher oder renaissancezeitlicher Verteidigungswerke, die der Stadtmauer vorgelagert wurden. Die Barbakane sind in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts der Versuch, auf die Feuerwaffen zu reagieren. Man baute schon vor den Stadttoren zusätzliche Hindernisse und Schutzbauten. Den größten dieser Art gibt es in Krakau, kleinere in Naumburg a. d. Saale, in Jena, Rothenburg a. d. Tauber und in Aachen.

3. Rings um die Zeile auf dem Untermarkt zogen sich bis ins 19. Jahrhundert die offenen Verkaufsstände der Görlitzer Krämer. Nach Abbruch der Nordlauben wurde an dieser Stelle die Börse errichtet. Auf der Südseite verbergen sich heute noch die Säulen der einst offenen Verkaufsstände. Zwischen den beiden Häuserreihen der Zeile gibt es heute noch einen Mittelgang. Das ist das Bauprinzip der arabischen Bazare, durch den Fernhandel nach Görlitz transportiert. Am Kopfende der Bazare war die Obrigkeit stationiert, die den Handel überwachte. So auch in Görlitz, wo bis heute die Waage die Zeile abschließt.

Ihr Dr. Gleißner


*) Das Dokument gibt nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.

Abbildung: Der Meridianstein zu Görlitz
Archivbild 2006: BeierMedia.de

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  • Quelle: red | Foto: BeierMedia.de
  • Erstellt am 02.09.2011 - 22:01Uhr | Zuletzt geändert am 02.09.2011 - 22:23Uhr
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