Care-Euros für Griechenland

Dresden. Im Sächsischen Landtag hat Ministerpräsident Stanislaw Tillich am 19. Mai 2010 eine Erklärung zu den Hilfsmaßnahmen für Griechenland und zur Stabilisierung des Euro abgegeben:

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Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

2009 hatte der Euro zehnten Geburtstag. Im elften Jahr muss er seine Feuertaufe bestehen.

Der Rat der Europäischen Union hat am 10. Mai 2010 Maßnahmen zur Sicherung der Finanzstabilität beschlossen. Innerhalb kürzester Zeit hat die Europäische Union Handlungsfähigkeit bewiesen und das Hilfspaket für Griechenland in Höhe von 110 Mrd. EUR verabschiedet. Daran schließt sich das Maßnahmenpaket zur Sicherung der Finanzstabilität des Euro im Volumen von 750 Mrd. EUR an.

Der Landeshaushalt des Freistaates Sachsen ist an diesem vorliegenden Rettungspaket nicht beteiligt.

Alle, die Verantwortung tragen, sind entschlossen, den Euro zu stabilisieren.

* Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf gebilligt, der die gesetzliche Grundlage zur Umsetzung dieser Vereinbarung bildet.
* Die Bundesregierung ist außerdem aufgefordert, sich auf europäischer und globaler Ebene für eine wirksame Finanzmarktsteuer, also eine Finanztransaktionssteuer oder Finanzaktivitätssteuer, einzusetzen.
* Der Bundestag wird heute mehrheitlich den Gesetzentwurf der Bundesregierung billigen.
* Und auch der Bundesrat wird seine gesamtstaatliche Verantwortung wahrnehmen und voraussichtlich gegen das Gesetz keinen Einspruch einlegen. Auch der Freistaat Sachsen nicht.

Das ist eine Entscheidung von großer Tragweite. Wir haben sie uns nicht leicht gemacht.

Zur Erinnerung: Am 24. April 1998 stimmte der Bundesrat über die Einführung des Euro in den von der EU-Kommission festgelegten Ländern ab. Sachsen hat nicht zugestimmt. Weil die Staatsregierung schwere Bedenken gegen die Konstruktion der Währungsunion hegte. Diese Bedenken haben sich im Prinzip bewahrheitet. Dennoch gibt es keine Alternative als die Zustimmung zum Hilfspaket.
Viele Bürger fragen sich: Warum stimmt die sächsische Staatsregierung in diesen Tagen dem Hilfspaket zu? Sie haben Angst vor einer Inflation, vor Steuererhöhungen und Sozialabbau. Sie sehen ihren oft bescheidenen Wohlstand durch die Hilfe für Griechenland und die Verteidigung des Euro in Gefahr. Diese besorgten Bürger fragen zu Recht. Denn Sachsens Markenzeichen ist seit vielen Jahren die solide Haushaltsführung. Unsere Philosophie ist: Nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen.

Das gilt gerade auch in schwierigen Haushaltsjahren. Seit 2006 haben wir keine neuen Schulden aufgenommen. Und auch in diesem schweren Jahr 2010 werden wir so viel tilgen, dass die Pro-Kopf-Verschuldung konstant bleibt. Wir haben uns manches wünschenswerte Extra verkniffen, das sich andere, heute hoch verschuldete Länder geleistet haben.

Da lässt es mich, genau wie alle anderen Bürger, nicht kalt, wenn ein Schuldner wie Griechenland letztlich auch mit den hart verdienten Steuereuros sächsischer Bürger unterstützt wird.

Aber es geht hier nicht mehr nur um Griechenland, sondern um den Euro und die Europäische Union selbst.

* Die Europäischen Gemeinschaften haben uns in Europa seit den Römischen Verträgen von 1958 die längste Friedensperiode unserer Geschichte gebracht. Diese Friedensordnung sicherte uns beispiellosen Wohlstand. Der Binnenmarkt brachte uns zusätzlich ein Europa ohne Zollgrenzen und Handelsschranken.
* Die Deutsche Einheit war nur denk- und machbar im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses.
* Die EU war solidarisch mit dem Freistaat. Sie hat uns in Sachsen beim Wiederaufbau bis 2006 mit mehr als zehn Milliarden Euro unterstützt. In der Förderperiode 2007-2013 erhalten wir weitere 4 Milliarden Euro aus Brüssel. Solidarität in der EU ist keine Einbahnstraße.
* Sächsische Exportfirmen verdienen jeden dritten Euro im Handel mit Partnern in der Eurozone, ohne jegliches Wechselkursrisiko.

In diesen Tagen ist es Aufgabe, den Euro zu stabilisieren.

Was aber wäre die Alternative? Das wäre der Bankrott des griechischen Staates. Das wäre die ordnungspolitisch saubere Lösung. Aber die Konsequenzen wären auch für uns Sachsen fatal.

Für die Länder, die noch im Euroverbund sind, würde sich die Kreditaufnahme erheblich verteuern. Die wachsenden Zinslasten würden die Spielräume in den öffentlichen Haushalten noch weiter einschränken. Wie im Domino wäre ein hochverschuldetes Euroland nach dem nächsten gefährdet. Es wäre das Ende des Euro und womöglich das Ende der EU und der europäischen Idee.

Das würde uns in Sachsen und Deutschland hart treffen. Tausende Arbeitsplätze in der Exportindustrie wären in Gefahr. Unsere Unternehmen wären einem immens hohem Wechselkursrisiko ausgesetzt. Die wirtschaftliche Entwicklung gerade in Osteuropa, aber auch hier in Ostdeutschland käme ohne EU-Hilfen massiv ins Stocken.

Wir wollen die sächsischen Bürger diesen Gefahren nicht aussetzen. Deshalb werden wir im Bundesrat keinen Einspruch einlegen.

Meine Damen und Herren,

Kurt Biedenkopf hat damals bei der Entscheidung über den Euro gesagt: Das Ziel ist es, eine Stabilitätsgemeinschaft zu schaffen und eine Stabilitätskultur zu verwirklichen. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft braucht starke, durchsetzbare Regeln für gute Haushaltsführung. Ein Fall wie der von Griechenland darf nie wieder vorkommen. Die Währungsunion braucht eine starke, unabhängige Zentralbank. Wir sehen allerdings, dass die EZB in ihrer Unabhängigkeit massiv bedroht ist - mit schweren Konsequenzen für die Stabilität des Euro.

Wenn wir nicht bald diese Regeln bekommen, dann haben wir mit der Hilfe für Griechenland kurzfristig ein Problem gelöst und uns langfristig ein noch viel größeres eingehandelt. Das mahnen die sächsischen Koalitionsfraktionen zu Recht an.

Die sächsische Staatsregierung wird sich bei der Bundesregierung mit allem Nachdruck dafür einsetzen, die Stabilität der Währungsunion mit Blick auf das Regelwerk zu verbessern. Auch das gehört zu unserer gesamtstaatlichen Verantwortung. Zwischenzeitlich sind es die harten Regeln des IWF, die die verschuldeten Länder zur drakonischen Konsolidierungsmaßnahmen zwingen.

Meine Damen und Herren,

Ursache der Krise ist nicht Spekulation, sondern die übermäßige Verschuldung Griechenlands - und anderer Staaten. Wenn Griechenland im Verhältnis zu seiner Wirtschaftskraft so gering verschuldet wäre wie Sachsen, gäbe es keine Probleme.

Andersherum formuliert: Sachsen ist mit seiner Haushaltspolitik ein Garant für die Stabilität des Euro. Das wird mit dieser Staatsregierung auch weiterhin so bleiben. Und wir hoffen, dass unser Kurs in den Staaten und Regionen zahlreiche Nachahmer findet. Dann wird die Erfolgsgeschichte Europa viele weitere Kapitel bekommen.

Vielen Dank!



Kommentar

Die Regierung macht, was sie in dieser Situation als Einziges tun kann: Geld bereitstellen.

Wer da meint, Griechenland sei weit weg und man könne auch locker ohne Feta und den Wein von Samos auskommen, der irrt. Der größte Wert der Europäischen Union besteht doch nicht darin, Wohlstandsmaschine zu sein, sondern in Europa selbst das friedliche Miteinander-Leben der Völker zu ermöglichen. So gesehen ist Stabilität der größte Erfolg.

Allen Nörglern sei ins Stammbuch geschrieben: Wenn ein Land Mist baut, muss man ihm helfen, da wieder raus zu kommen - gerade uns Deutschen sollte das klar sein.

Und trinkt Ouzo!


Ihr Fritz R. Stänker

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  • Erstellt am 20.05.2010 - 09:04Uhr | Zuletzt geändert am 20.05.2010 - 09:20Uhr
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