Änderungen bei Hartz IV zu erwarten

Berlin. Unter der Überschrift "Grundsicherung für Arbeitssuchende verbessert" hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu dem heute vom Kabinett verabschiedeten Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen) die nachstehende Erklärung abgegeben.

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Erklärung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

"Die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einer Grundsicherung für Arbeitsuchende zum 1. Januar 2005 war richtig. Die intensive Betreuung und Vermittlung arbeitsfähiger ehemaliger Bezieher von Sozial- und Arbeitslosenhilfe ist der vernünftige Weg.

Klar ist aber auch: Damit die Grundsicherung für Arbeitsuchende funktioniert, sind flexible Anpassungen und Verbesserungen notwendig. Diese Anpassungen und Veränderungen sind erforderlich, um Kräfte und Ressourcen frei zu machen, damit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die erforderliche gezielte Unterstützung bei der Arbeits- und Ausbildungssuche effizient geleistet werden kann. Und sie sind erforderlich, damit die begrenzt vorhandenen finanziellen Mittel so effektiv und zielgenau wie möglich eingesetzt werden können. Schließlich werden die Maßnahmen im SGB-II-Bereich aus Steuergeldern finanziert. Auf diese wesentlichen Ziele hat sich die Koalition im Koalitionsvertrag verständigt.

Nach dem SGB-II-Änderungsgesetz werden mit dem heute vom Kabinett verabschiedeten SGB-II-Fortentwicklungsgesetz weitere wesentliche Schritte zur Anpassung und Verbesserung der Grundsicherung für Arbeitsuchende unternommen.

Die Eckpunkte des SGB-II-Fortentwicklungsgesetzes sind: Verbesserung der Eingliederung und Optimierung des Leistungsrechts, Verbesserung der Verwaltungspraxis, Vermeidung von Leistungsmissbrauch:

Dem Ziel Verbesserung der Eingliederung und Optimierung des Leistungsrechts werden wir u.a. gerecht durch das neu eingeführte Sofortangebot für neue Kunden, um Hilfebedürftigkeit nach Möglichkeit erst gar nicht entstehen zu lassen (Überprüfung der Arbeitsfähigkeit von Personen, die Leistungen nach dem SGB II beantragen und zuvor weder Leistungen nach dem SGB II noch nach dem SGB III bezogen haben), die Gewährung einer Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt, aber auch die neu eingeführte Beweislastumkehr bei der Frage, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt.

Dem Ziel Verbesserung der Verwaltungspraxis werden wir u.a. gerecht durch die Klarstellung, dass die ARGEn die Aufgaben der Agenturen für Arbeit bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Grund eines gesetzlichen Auftrags wahrnehmen und dass die Agenturen als Auftraggeber für die Rechtmäßigkeit verantwortlich sind sowie durch die ergänzende Klarstellung, dass die Länder die Rechtsaufsicht über die ARGE als Organisationseinheit führen.
Dem Ziel Vermeidung von Leistungsmissbrauch werden wir schließlich gerecht durch die flächendeckende Einrichtung eines Außendienstes zur Vermeidung von Leistungsmißbrauch vor Ort sowie eine moderate und angemessene Verschärfung von Sanktionen (Pflichtverletzungen, die sich innerhalb eines Jahres - statt vorher innerhalb von drei Monaten - wiederholen, führen zu höheren Sanktionen).

Die genannten Maßnahmen sollen schrittweise im Laufe dieses Jahres umgesetzt werden. Für das laufende Jahr 2006 wird eine Einsparung von rund 400 Mio. Euro für den Bund und von rund 100 Mio. Euro für die Gemeinden erwartet. Zusammen mit den gleichzeitig angestrebten administrativen Verbesserungen bei der Bundesagentur für Arbeit und den Arbeitsgemeinschaften werden durch ein besseres Fallmanagement, die effizientere Gestaltung der Verwaltung sowie die konsequente Vermeidung des Leistungsmissbrauchs für den Bund Einsparungen in Höhe von insgesamt rund 1,2 Mrd. Euro und für die Gemeinden von rund 300 Mio. Euro jährlich ab dem Jahr 2007 erwartet.

Mit dem SGB-II-Fortentwicklungsgesetz wird das System der Grundsicherung für Arbeitsuchende effizienter und funktionsfähiger ausgestaltet. Das ist kein Selbstzweck, sondern folgt konsequent den Leitlinien unserer Arbeitsmarktpolitik: Überwindung von Hilfebedürftigkeit statt Verwaltung von (Langzeit)Arbeitslosigkeit. Unser Ziel ist es, eine wirksame Arbeitsvermittlung in der Fläche mit erfolgversprechenden Förderinstrumenten zu gewährleisten: Für Arbeitslosengeld-II-Bezieher ebenso wie für Arbeitslosengeld-I-Bezieher.

Das Gesetz soll im zweiten Halbjahr 2006 in Kraft treten. "



Kommentar:

Mach´ sich doch jeder selbst seinen Reim drauf, sollte man meinen. Aber das wäre zu einfach.

In der Strategieentwicklung (für den Arbeitsmarkt dringend notwendig) spricht man vom "Pfad der brennendsten Probleme", was bedeutet: Löst man das zugrunde liegende Problem, lösen sich andere von ganz allein.

Damit scheint sich dieses Fortentwicklungsgesetz aber nicht zu beschäftigen. Vielleicht sollten die Fortentwicklungsgesetzentwickler mal mit offenen Augen durch die Mark Brandenburg und andere etwas abgelegenere Regionen wandern, um anschließend die gefundenen Probleme und entwickelten Lösungsansätze zusammenzutragen.

Wird die obenstehende Erklärung durch den "Faktenfilter" gepresst, so bleiben sechs Punkte, eine Erwartung und ein Ziel übrig:

1)
Sofortangebote für bestimmte neue Alg2-Empfänger im Sinne einer Überprüfung der Arbeitsfähigkeit mit dem Ziel, Hilfsbedürftigkeit nicht entstehen zu lassen

2)
Gewährung einer Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt

3)
Beweislastumkehr bei der Frage, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt

4)
Klarstellungen:

die ARGEn nehmen die Aufgaben der Agenturen für Arbeit bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Grund eines gesetzlichen Auftrags wahr

die Agenturen sind als Auftraggeber für die Rechtmäßigkeit verantwortlich

die Länder führen die Rechtsaufsicht über die ARGE als Organisationseinheit

5)
flächendeckende Einrichtung eines Außendienstes zur Vermeidung von Leistungsmissbrauch vor Ort

6)
Verschärfung von Sanktionen

Erwartung: Einsparung von 0,5 Milliarden Euro in 2006 und 1,5 Milliarden Euro in 2007

Ziel: Überwindung von Hilfebedürftigkeit statt Verwaltung von (Langzeit)Arbeitslosigkeit


Mit diesem Ziel korreliert allerdings nur Punkt 1), und ob die Überprüfung der Arbeitsfähigkeit zum Ende der Hilfsbedürftigkeit führt, darf bezweifelt werden, dazu wären zusätzliche Arbeitsplätze nötig.

An Symptomen zu optimieren, das bringt nichts. Die hohe und weiter rasant wachsende Arbeitsproduktivität sowie die Globalisierung zwingen zum Umbau der Arbeitswelt. Der Traum von der Vollbeschäftigung in der Industriegesellschaft ist längst zerplatzt. Die Aufgabe eines Arbeits- und Sozialministers ist es, für sinnstiftende Tätigkeit (auch Arbeit genannt) bei zur Lebenshaltung ausreichender Bezahlung Sorge zu tragen.

Der Einsatz der Motivatoren "Anreiz" und "Druck" für diesen Zweck ist richtig. Allerdings nur, wenn die von Arbeitslosigkeit Betroffenen tatsächlich eine Einkommens- und Beschäftigungsperspektive damit verbinden können, die auf Arbeitsplätze und nicht nur "Maßnahmen" aller Art gerichtet ist.

Da fällt mir ein Zitat von Heiner Geißler (CDU) ein:
"Der Sozialismus ist untergegangen, weil er keiner war. Der Kapitalismus wird untergehen, weil er einer ist!"

/Thomas Beier

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  • Quelle: /BMAS
  • Erstellt am 03.05.2006 - 14:25Uhr | Zuletzt geändert am 03.05.2006 - 15:14Uhr
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