ECHOLOT-Non-Stop-Lesung endet am Sonntag
Görlitz-Zgorzelec. Walter Kempowskis Lebenswerk, das kollektive Tagebuch ECHOLOT, stand im Zentrum der längsten bisher registrierten Non-Stop-Lesung. Das collagenartig aus in sich geschlossenen Briefen, Geschichten und Zeugnissen aufgebaute Buch eignet sich in besonderer Weise zum vielstimmigen Vorlesen und Zuhören. Alle zehn Bändem das sind immerhin 7.740 Seiten, werden von ca. 220 Leserinnen und Lesern seit fast zwei Wochen im Görlitzer Bahnhof ununterbrochen vorgetragen. Die Lesung startete genau ein Jahr nach dem Tod von Walter Kempowski, am Sonntag, den 5. Oktober 2008 um 3 Uhr morgens. Die erste Lesestunde gehörte dem Kulturbürgermeister der Stadt Görlitz Dr. Michael Wieler. Ungefähr um dieselbe Uhrzeit am Sonntag, dem 19. Oktober 2008, wird nach 336 Stunden ununterbrochenem Vorlesens die letzte Stimme verklingen.
Kempowski-Witwe begeistert
Zur Mitwirkung an dieser Leseperformance war und ist jeder eingeladen. Die meisten Leser kommen aus Görlitz und Umgebung, viele sind aus Dresden, Berlin und Leipzig angereist. Einen der längsten Wege hat sicherlich die Witwe des Autoren, Hildegard Kempowski, aus Nartum bei Bremen zurückgelegt. Begeistert von der Idee der Lesung, die sie als "grandioses Projekt" bezeichnete, hat sie mehrmals aus dem ECHOLOT gelesen und viel Zeit unter den Lesern verbracht. Ihr in Berlin lebender Sohn, Karl-Friedrich Kempowski, hat sich bereits am zweiten Tag an der Lesung beteiligt.
Die Lesung hat Menschen in Bewegung gesetzt. Ob gezielt zur Lesung nach Görlitz gekommen, oder erst vor Ort die Entscheidung getroffen - Deutschlandradiomoderatoren aus Leipzig und Berlin, eine in der Schweiz lebende Görlitzerin, eine Bibliothekarin aus Thüringen, eine Hochschulprofessorin aus Bulgarien, eine japanische Studentin - sie und viele andere haben den im ECHOLOT dokumentierten Stimmen Gehör verschafft.
Einer der mehrfachen Leser hat in einem schriftlichen Statement seine Beweggründe geschildert: „In meiner ersten Lesestunde fiel mir der Brief eines in Riga stationierten Soldaten zu. Sofort hatte ich unabwendbar das Bild meines Vaters im Kopf. Auch er war als 25jähriger zur gleichen Zeit am gleichen Ort […]. Aus einer Generation der >schweigenden Väter< kommend, dann in der alten BRD als >´68er< oft geschmäht, auf der Suche nach dringend benötigten Antworten, erfüllt mich mit Genugtuung, die damals schuldig gebliebenen Antworten heute als Dokument durch das Lesen im öffentlichen Raum weitergeben zu können.“
Das Buch nimmt den Leser sofort mit. So beteiligen sich viele Görlitzer Leser mehrfach an der Lesung, einige lesen bzw. hören tagtäglich. Darüber hinaus sind die Reisenden und sich zufällig im Bahnhof aufhaltenden Menschen die Mehrheit der Zuhörer, zu Teilen auch Spontanvorleser. Die ECHOLOT-Lesung ist eine Lesung zum Mitmachen, sie soll Öffentlichkeit aktivieren und kulturelle Partizipation ermöglichen. Sie steht damit idealtypisch für das gesamte Festival KUNSTverFOLGEN.
Ziel der Lesung war es, dem Autoren und seinem bahnbrechenden Lebenswerk eine angemessene Referenz zu erweisen. Dieses Ziel haben alle Beteiligten (die Leser, Zuhörer, viele freiwillige Helfer und Organisatoren) gemeinsam erreicht und damit auch ein Zeichen für die vielfältige und vitale Kunst- und Kulturlandschaft von Görlitz gesetzt, dokumentiert durch die unzähligen regionalen, überregionalen und bundesweiten Presse-, Rundfunk- und Fernsehbeiträge zum Projekt.
Der Ort der Lesung war mit Bedacht gewählt. Nur im Stuhlkreis direkt vor dem Lesenden ist der Text eindeutig zu erfassen, ansonsten erfüllt nur das "ECHO" der im Werk dokumentierten Stimmen die Bahnhofshalle und bildet damit einen Nachhall der Geschichte. Den Görlitzer Bahnhof passierten währen des Zweiten Weltkrieges Millionen Menschen. So verwundert es nicht, dass Görlitz und Umgebung im ECHOLOT mehrmals Erwähnung findet. Die Richtigkeit der Ortswahl hat auch Hildegard Kempowski bekräftigt. Aus ihrer Sicht hätte sich Walter Kempowski eine ECHOLOT-Lesung genau so vorgestellt.
Lesung ohne Publikum
Von Tobias am 21.10.2008 - 19:05Uhr
Man kann sich auch was vormachen und eine Pleite schön reden (schreiben). Wer hat denn diese Aktion wieder bezahlt, sicher der, welcher nicht anwesend war, der Steuerzahler! Warum wird das Geld nicht für sinnvolle Dinge ausgegeben, wie Straßen und Schulen. Aber nach wie vor können sich ein paar Spinner ihre Spielereien finanzieren. Hoffentlich hat das bald ein Ende.
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- Quelle: /red
- Erstellt am 18.10.2008 - 07:59Uhr | Zuletzt geändert am 18.10.2008 - 07:59Uhr
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