Die Geschichte der kleinen Kapelle

Die Geschichte der kleinen KapelleReichenberg (Liberec), 24. Dezember 2020. Weihnachten ist die Zeit, in der in den Familien die alten Geschichten weitergegeben werden. Berührend ist auch die Geschichte einer kleinen Kapelle im Reichenberg, eine knappe halbe Autostunde südöstlich von Zittau entfernt in der Dreiländerregion gelegen. Stanislav Beran hat sie aufgeschrieben und Fotos gemacht.

Am 8. Dezember 2020 frisch saniert übergeben: Die Kapelle des heiligen Grabes in Reichenberg
Foto: Stanislav Beran
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Renovierte Kapelle trägt falsche Jahreszahl

Renovierte Kapelle trägt falsche Jahreszahl
Traurig stand es um die Kapelle des Heiligen Grabes, bevor sie von September bis Dezember 2020 grundlegend saniert wurde
Foto: Stanislav Beran

Thema: Woanders

Woanders

"Woanders" – das ist das Stichwort, wenn der Görlitzer Anzeiger auf Reisen geht und von Erlebnissen und Begegnungen "im Lande anderswo" berichtet. Vorbildliches, Beispielhaftes und Beeindruckendes erhält so auch im Regional Magazin seine Bühne.

Von Stanislav Beran. Am 8. Dezember 2020 erfolgte in der nordböhmischen Stadt Liberec / Reichenberg die Einweihung der von der Stadt renovierten Barockkapelle des Heiligen Grabes. Die umfassende Renovierung des Außen- und Innenbereichs der kleinen verkommenen Grabkapelle aus dem Jahre 1772, einschließlich der Dach- und Restaurierungsarbeiten, begann im September und wurde Anfang Dezember erfolgreich beendet. Neben den Vertretern der Kirche waren die Bauinvestoren und Bauunternehmer gekommen. Der Reichenberger katholische Priester und Erzdiakon Radek Jurnečka spendete der renovierten Kapelle den kirchlichen Segen.

Zu berichtigen wäre, das die Barockkapelle des Heiligen Grabes 1772 gebaut wurde und nicht 1722, wie es in der Vergangenheit an einigen Stellen fälschlicherweise hieß. Auch an der Frontseite der Kapelle stand die falsche Jahreszahl. Das Grab Gottes wurde am 30. Juli 1772 fertiggestellt und während einer großen Feier am Fest der Jungfrau Maria am 8. September desselben Jahres geweiht. Unbegreiflich ist, dass das falsche Datum bei der Renovierung nicht korrigiert wurde.

Auf meine Nachfrage erklärte Ivan Langr vom Rathaus in Liberec: "Ja, es ist natürlich ein Fehler, der bei den früheren Restaurierungsarbeiten im Jahr 1986 gemacht wurde (damals wurde die Zahl 2 mit der Zahl 7 verwechselt). Ich bin jedoch nicht dafür, das zusätzlich eine Korrektur gemacht wird, schließlich müssten sich die Denkmalschützer dazu äußern. Es ist ein charmanter Fehler, dank dessen die Kapelle eine weitere interessante Reklame zu ihrer Geschichte erhält. Ich würde es lieber in der Werbung verwenden. Das ist nicht der erste Fehler in der Geschichte. Der vielleicht bekannteste Fehler ist die Darstellung des biblischen Moses mit Hörnern, der aus der fehlerhaften Übersetzung der Bibel ins Lateinische stammt..."

Das historische Barockdenkmal, das sich im Garten neben der Kirche des Heiligen Kreuzes und dem Kreuzweg mit den Bildern von Joseph Ritter von Führich befindet, ist eine genaue, wenn auch verkleinerte Nachbildung des ursprünglichen Heiligen Grabes von Jerusalem, in das Jesus Christus nach seinem Tode am Kreuz gelegt wurde. Erbaut hatte die Kapelle der Reichenberger Kaufmann Andreas Josef Wondrak nach Plänen von Johann Joseph Kunze. Erwähnenswert ist, das Wondrak zum selben Zeitpunkt eine Stiftung ins Leben gerufen hatte, vor allem um die für Instandhaltung des Heiligen Grabes, das sich ursprünglich vor der Kirche des heiligen Antonius des Großen befand, in der Zukunft zu sorgen.

1865 wurde das kleine sakrale Gebäude auf den ehemaligen Friedhof bei der Kirche der Kreuzauffindung versetzt. In der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn und in den Jahren der ersten ČSR (Anmerkung der Redaktion: das ist die nachträglich so genannte Tschechoslowakische Republik, die von 1918 bis 1938 existierte) gelang es der Wondrak-Stiftung, Geld für die Rettung des sakralen Denkmals zu sammeln. Die deutschen Bürger und verschiedene Verbände in Reichenberg unterstützten mit ihren Beiträgen die gemeinnützigen Sammlungen, um kirchliche Denkmale zu retten und zu renovieren. Wie lange die Stiftung ihre Interessen vertreten hat, ist nicht bekannt.

Die letzte Sanierung des Heiligen Grabes erfolgte im Jahr 1986. In jenem Jahr wurde wahrscheinlich auch die Jahreszahl auf dem Gebäude der Kapelle verwechselt. Schon vor Jahren stahlen Unbekannte das Kupferblech vom Dach der Kapelle, die zu den interessantesten Sehenswürdigkeiten der Stadt gehört. Die durch das beschädigte Dach in den Raum eindringende Feuchtigkeit verursachte große Schäden. Im Inneren der Kapelle, die von der Kirche für 50 Jahre in die Obhut der Stadt Reichenberg übergeben worden war, begannen Sträucher zu wachsen. Die Sanierungsarbeiten wurden von der Reichenberger Firma Aron House durchgeführt.

"Dass es seit mindestens 30 Jahren in die Kapelle des Heiligen Grabes hineingeregnet hat, ist zu sehen", sagte Michal Felgr, Sprecher der Baufirma. Zusammen mit der Kirche der Kreuzauffindung und der vor kurzer Zeit restaurierten Mariensäule, die sich im selben Garten befinden, gehört die Kapelle des Heiligen Grabes zu den wertvollsten Barockdenkmälern der Stadt Liberec/Reichenberg. Die Kosten für die aufwendige Renovierung der historischen Kapelle, die an die Kreuzigung Jesu Christi in Golgota erinnert, werden auf 2,5 Millionen Kronen geschätzt. Ein Teil davon wurde von der Stadt Liberec bereitgestellt.

Stanislav Beran ist deutscher Staatsbürger und lebt in Frýdlant v Čechách (Friedland in Böhmen, früher: Friedland im Isergebirge). Er arbeitet als Freier Journalist und Korrespondent sowie als Dolmetscher und staatlich geprüfter Übersetzer für die deutsche Sprache und betätigt sich als Heimatforscher und Genealoge.

Das in der Nähe von Zittau, gleich neben dem polnischen Reichenau (Bogatynia) gelegene Frýdlant ist eine Reise wert: Neben Burg und Schloss und weiteren Sehenswürdigkeiten wie etwa der Pestsäule ist der Besuch der Friedländer Weihnachtskrippe (Weihnachtskrippe Bethlehem), geschaffen von Gustav Simon (1873-1953) in sechzigjähriger Bauzeit, eine unbedingte Empfehlung.


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Kommentare Lesermeinungen (4)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Kapelle in Reichenberg

Von Hned Rudolf am 31.12.2020 - 18:08Uhr
Eine sehr seltene Reklame. Gibt es in Reichenberg keinen besseren als diesen Ivan Langr?

J. Rudolf

Sinnvoller Erhalt alter Kulturdenkmäler (kleine Kapelle)

Von H. Effenberger am 28.12.2020 - 16:26Uhr
Schön zu sehen dass diese alten Denkmäler nicht weiter der Witterung und dem Vandalismus ausgesetzt bleiben und durch liebevolle Renovierung doch erhalten werden statt einfach nur verschwinden.
Somit können Nachkommen in der weiß nicht wievielten Generation ehemaliger deutscher Siedler doch auch noch ein wenig länger die Wurzeln der eigenen Familie erkunden und sich durch erhaltene Bauten von damals ein wenig in diese Zeit zurückversetzen.

Großes DANKESCHÖN

(kann man vielleicht noch Bilder von der Kapelle innen einstellen?)

Renovierung der kleinen Kapelle

Von Rainer Thiel am 26.12.2020 - 19:12Uhr
Als völlig unbeteiligter Leser ist es mir unverständlich, dass man die falsche Jahreszahl dort stehen lässt.

Noch eine persönliche Sache: Herr Adamec, ich betreute in einem Altenheim in Deutschland fünf Jahre lang einen Herr Schäfer aus Lusdorf. Dieser Herr Schäfer gab mir folgendes an:

Von meiner Ururgroßmutter Anna Adametz (Adamec?) erbte ich ein großes Restaurant mit Gastwirtschaft, die „Schweizermühle“, beglaubigt auf dem Amtsgericht in Neustadt. Sie lag idyllisch direkt an einem Badesee in Neustadt, dem großen Ort direkt neben Lusdorf.

Könnte es sein, dass Sie verwandt sind mit Anna Adametz? Würde mich interessieren. Mein ganzer Bericht von Herr Schäfer liegt Herr Beran vor.

Gruß Rainer Thiel

Renovierung der Kapelle

Von Hansi Adamec am 26.12.2020 - 11:28Uhr
Nur ein Gedanke. Gott dei Dank - die Erhaltung dieser Kapelle nach so vielen Jahren im ehemaligen deutschen Sprachgebiet. Leider verschwanden so viele historische Gebäude, alle im Zusammenhang mit der Kultur der hier wohnenden Bürger.

In Verbundenheit und meinen Dank

Hansi Adamec

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  • Quelle: red / Stanislav Beran | Fotos: Stanislav Beran
  • Erstellt am 24.12.2020 - 09:01Uhr | Zuletzt geändert am 01.01.2021 - 16:11Uhr
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