Absagen und Schließungen im Landkreis Görlitz bringen neue Entwicklungen

Absagen und Schließungen im Landkreis Görlitz bringen neue EntwicklungenLandkreis Görlitz, 19. März 2020. Oberstes Gebot ist es, die Ansteckung mit dem Coronavirus möglichst zu vermeiden und so die Pandemie im Griff zu behalten, damit das Gesundheitswesen von den schweren Fällen nicht überlastet wird. Entsprechend werden Einrichtungen geschlossen und viele Veranstaltungen vorerst abgesagt. Das ist der Auslöser für neuen Fortschritt, meint der Markersdorfer Unternehmensberater Thomas Beier.

Wahrend der Corona-Pandemie einfach abzutauchen reicht nicht, denn: Wie sieht die Welt nach dem Auftauchen aus?
Foto: Marisa Sias, Pixabay License
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Disruption: Wie Covid-19 Digitalisierung und Cocooning voranbringt

Von Thomas Beier. Im Grunde lohnt es nicht, über die Schließungen und Absagen im Einzelnen zu informieren. Wer dennoch im Zweifel ist, kann bei der Einrichtung oder beim Veranstalter anfragen. Allerdings gibt es auch Tollkühne, die noch immer zu Bespechungs- und Konferenzrunden einladen – hier liegt es wohl beim Geladenen, die Absage zu erteilen.

Fakt ist: In vielen Bereichen scheint das Leben stillzustehen. Das bietet hoffentlich vielen den Anlass, über die weitere Digitalisierung in Zusammenarbeit und Kommunikation nachzudenken, in der Wirtschaft wie im Privaten. Dach das ist nicht die einzige Entwicklung, die von Covid-19 vorangetrieben wird.

Cocooning als Lösung?

Was sich weiter verstärken dürfte, ist der Trend zum Cocooning: Das vollständige sich zurückziehen in die Privatsphäre. Schon seit den Achtzigerjahren igeln sich Menschen in ihrem Wohnbereich ein, besonders stark in Krisenzeiten. Sie gestalten Haus und Grundstück oder die Wohnung so, dass sie im Grunde nicht mehr raus müssen. Dazu gehört auch, möglichst viel Service von außen zu nutzen, etwa Lieferservice. Damit passt das Cocooning perfekt zum gewünschten Verhalten während der Corona-Pandemie.

Außer acht gelassen darf jedoch nicht die Kehrseite dieses Trends: Entstanden ist das Cocooning aus dem Drang zum Rückzug aus einer unübersichtlichen, als widersprüchlich oder gar bedrohlich empfundenen Welt. Dieser Rückzug in die eigene, kleine und damit überschaubare Welt geht einher mit wachsender Gleichgültigkeit gegenüber den Entwicklungen "draußen" und dem Rückgang des Verantwortungsempfindens. Deshalb ist es sinnvoll, wenn Freundeskreise, Stammtische und Vereine sich jetzt in den sozialen Netzzwerken als Gruppen organisieren, um den Gedankenaustausch fortzusetzen und nach der Coronapandemie schnell wieder Anschluss zueinander zu finden.

Natürlich bedienen Hersteller und Handel den Cocooning-Trend seit Jahrzenten. Viele Haushalte sind aufgerüstet mit Profiküchen, Partyeinrichtungen und eigenen Kinoanlagen. In bestimmten Freundeskreisen hat das zur Folge, dass jede Einladung ein mehrfaches Hin und Her von "Ach, kommt doch lieber zu uns!" nach sich zieht – schließlich will man einerseits seinen Kokon nicht verlassen und ihn andererseits auch präsentieren. Wem es weniger auf Präsentation als vielmehr tatsächlich auf möglichst autarkes Leben ankommt, der hat selbstverständlich ein Notstromaggregat und eine Lebensmittelreserve, Toilettenpapier soundso. Das gute daran: Hamsterkäufe sind nicht nötig.

By the way darf an das Zivilschutzkonzept der Bundesregierung aus dem Jahr 2016 erinnert werden. Die darin enthaltene Aufforderung, einen Notvorrat an Lebensmitteln anzulegen, hat damals viele erregt, danach gehandelt haben wohl die wenigsten (siehe Buchtipp unten).

Eigentlich sollte der Osten einen Vorsprung haben auf dem Gebiet der Selbstversorgung. Weil das weiland Kombinat Obst-Gemüse-Südfrüchte, kurz OGS (wegen des Mangels an Südfrüchten später in Obst-Gemüse-Speisekartoffeln umbenannt) nicht ausreichend liefern konnte, waren viele Leute in einer der Kleingartensparten organisiert, um hier eine Scholle zu beackern. Verbunden war das allerdings mit Auflagen zur Obst- und Gemüseerzeugung nebst Ablieferung an den Handel. Die sozialistische Preispolitik lieferte die Grundlage für diese immer wieder gern kolportierte Geschichte: Ein Kleingärtner liefert eine Tüte Pflaumen an der Hintertür eines Lebensmittelgeschäfts ab und bekommt das vergütet. Dann betritt er den Laden durch die Vordertür und kauft diese Tüte, weil staatlich subventioniert, zu einem geringeren Preis. Wie dem auch sei: In manchem bisher von Rasen oder gar Steinwüsten dominierten Vorgarten dürften demnächst Beete und Gewächshäuser auftauchen. Zusatznutzen: Über die Qualität der selbsterzeugten Lebensmittel gibt es keine Zweifel.

Nach der Corona-Pandemie wird unsere Welt eine andere sein

Es liegt auf der Hand: Das Coronavirus verändert die Art, wie wir zusammenleben, in vielen Bereichen werden die Karten neu gemischt und verteilt. Ganz aktuell sorgt es überall vor Ort für mehr räumliche Distanz, sozial aber zugleich für mehr Nähe zu Menschen, mit denen man sonst kaum zu tun hätte, wenn man etwa an jene denkt, die für Risikogruppen Besorgungswege übernehmen.

Die ersten Veränderungen, die weltweit wirken, sind angekündigt, andere werden sich zwangsläufig ergeben. Bekannt sind bereits Bestrebungen, einen Teil der Arzneimittelproduktion aus Indien und China zurückzuholen. Die neue Besinnung auf nationale Absicherung hat für Europafreunde und Weltbürger einen schalen Beigeschmack, dem man nur begegnen kann, indem man die Nation vor allem als Organisationsterritorium des Staates begreift.

Umschlag der Quantität in neue Qualität

Was heute als Emergenz bezeichnet wird – das mehr oder weniger schnelle Entstehen neuer Eigenschaften eines Systems infolge des Zusammenspiels seiner Elemente – haben viele "DDR"-Bürger in der Schule gelernt, ob nun im Fach "Staatsbürgerkunde" oder an den Hochschulen im Zwangskurs "Wissenschaftliicher Kommunismus", wenn die materialistischen Dialektischen Grundgesetze im Lehrplan standen. Wer sich gerade nicht erinnert: Es geht um "die Einheit und den Kampf der Gegensätze", die "Negation der Negation" und den "Umschlag von Quantität in Qualität". Hat sich Covid-19 also ausreichend verbreitet, werden die Menschen zu neuen Qualitäten im Zusammenleben und Wirtschaften finden, ja, finden müssen. Es beginnt eine Zeit vermehrter disruptiver Prozesse, die gewohnte und liebgewonnene Abläufe und Verfahren ablösen werden.

Die Managementtrainerin Dr. rer. oec. Karin Hofbauer aus Bernstadt a. d. Eigen bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt: "Reformen dauern der Evolution zu lange." Wie lange hätte es wohl gedauert, den Ostblock zu reformieren? Hätte man unter den Maßgaben eines Wählscheiben-Telefons jemals ein Handy entwickeln können? Es finden sich viele Beispiele, von der Reformation über die Französische Revolution und die Deutsche Wiedervereinigung bis zum Braunkohleausstieg – stets sind in gewisser Weise destruktive Kräfte am Werk, um letztlich neuen Fortschritt zu erzeugen. Für viele ist das zu starker Tobak, weil sie die Hintergründe nicht erfassen, und sie wehren sich gegen diese zerstörenden Kräfte. Doch Dr. Hofbauer verweist darauf, dass die Rolle der Destruktivkräfte für den Erhalt des Universums existenziell ist: "Konstruktivkräfte senken langfristig die Kreativität zur Problemlösung, Destruktivkräfte entfalten sie."

So gesehen darf auch in Bezug auf das Coronavirus die vor allem von Unternehmern angesichts negativer Entwicklungen gestellte Frage "Was ist das Gute am Schlechten?" gestellt und die Zukunft nach Covid-19 vorgedacht werden.

Mehr:
Wer sich für Denkanstöße und Handlungsstärke als Schlüsselkompetenz interessiert, findet das gebündelt in einem Buch, das sich an Führungskräfte und Manager richtet – gegebenenfalls herunterbrechen auf die eigenen Verhältnisse kann das jeder selbst:

Helmut Fuchs (Co-Autoren Andreas Huber und Mirko Kibul):
Wir sind Wissensriesen, aber Realisierungszwerge
230 Seiten kosten hier 16,76 Euro
Erschienen im Linde Verlag Wien, ISBN-13: 9783709300213

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: Marisa_Sias / Marisa Sias, Pixabay License
  • Erstellt am 19.03.2020 - 08:13Uhr | Zuletzt geändert am 22.01.2022 - 13:50Uhr
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