Sex bei Senckenberg Görlitz
Görlitz, 11. Dezember 2016. Ein Sexfilm ist im Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz produziert worden. Er dokumentiert erstmals das Fortpflanzungsverhalten von Bärtierchen. Die achtbeinigen Tiere paaren sich bis zu einer Stunde lang und genießen ein sehr komplexes Vorspiel.
Wie es die Bärtierchen machen
Entstanden ist der Film in einer Studie zum Lebenszyklus der Bärtierchen-Art Isohypsibius dastychi. Dabei gelang es den Görlitzer Wissenschaftlern in Kooperation mit der Universität Stuttgart, das Sexualverhalten der Winzlinge in einem Video festzuhalten. Die Studie ist unlängst im Fachjournal "Zoological Journal of the Linnean Society" veröffentlicht worden.
Bärtierchen sind faszinierend: Die winzig kleinen Lebewesen mit ihrer langsamen und tappsigen Fortbewegungsweise haben sich an viele Lebensräume angepasst. Weltweit sind sie im Meer, Süßwasser oder in feuchten Lebensräumen an Land zu finden. Dort können sie, auch wegen ihrer Fähigkeit zur Kryptobiose – einem todesähnlichen Zustand – Trockenperioden, Kälteeinbrüche, starke Schwankungen im Salzgehalt oder Sauerstoffmangel überstehen.
"Obwohl dieser Tierstamm aufgrund seiner Besonderheiten schon seit 245 Jahren im Fokus der Wissenschaft steht, ist über den Lebenszyklus und das Sexualverhalten getrennt-geschlechtlicher Bärtierchen-Arten bisher erstaunlich wenig bekannt", erläuterte Dr. Karin Hohberg, Bodenzoologin am Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz. Deshalb habe man sich nun dieses Aspekts am Beispiel der Bärtierchen-Art Isohypsibius dastychi angenommen.
Das Wissenschaftlerteam zeigt in der aktuell veröffentlichten Studie, dass das Paarungsverhalten der achtbeinigen Tiere komplexer ist als es bisher vermutet wurde. Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit gelang es Jana Bingemer, Studentin an der Universität Stuttgart, über 30 Bärtierchen-Paare bei der Fortpflanzung zu beobachten und den Geschlechtsakt auf Video festzuhalten. "Für uns überraschend war das Vorspiel, das zwischen den Bärtierchenpaaren stattfand", begeisterte sich Bingemer, "Die Partner stimulieren sich wechselseitig: das Männchen legt sich um den Kopf des Weibchens und hält sich dort mit seinem ersten Beinpaar fest und das Weibchen stupst ihren Partner so lange leicht mit ihren stilettartigen Mundwerkzeugen an, bis dieser seinen Samen ejakuliert."
Dieser Vorgang wiederholt sich mehrfach während der bis zu einer Stunde andauernden Paarung. Währenddessen legt das Weibchen ihre Eier in ihr Häutungshemd ab und steigt zuletzt aus ihrer alten Haut. Die Befruchtung findet daraufhin außerhalb der Bärtierchenkörper im Häutungshemd statt. Taucht zum passenden Zeitpunkt kein Männchen auf, häutet sich das Weibchen ohne die Eier abzulegen. Die Eier verbleiben dann im Körper und werden binnen weniger Tage resorbiert.
Nichtpaarungsbereite Weibchen werden von den männlichen Bärtierchen ignoriert. "Die aktuelle Studie zeigt uns, dass sich die Bärtierchen auch in ihrem Fortpflanzungsverhalten extrem effektiv verhalten – Energie wird nur aufgewandt, wenn es sich auch lohnt", so Hohberg.
Um das Sexualverhalten zu beobachten haben die Wissenschaftler weibliche von männlichen Bärtierchen getrennt und diese dann gezielt und unter Beobachtung wieder zusammengeführt. "Nur so konnten wir die Paarung studieren und uns auch sicher sein, wie lange die Entwicklung nach der Eiablage andauert", berichtete die Görlitzer Biologin. Eine Gruppe wurde so bei einer Temperatur von 20 Grad, eine andere unter 12 Grad Celsius aufgezogen. Unter kälteren Bedingungen verlängerte sich die Generationszeit der Tiere von etwa 28 auf 44 Tage: die Bärtierchen waren sowohl später geschlechtsreif, als auch deutlich größer, als ihre unter wärmeren Bedingungen lebenden Artgenossen.
Mehr:
Bingemer, J., Hohberg, K. and Schill, R. O. (2016),
First detailed observations _mce_on tardigrade mating behaviour and some aspects of the life history of Isohypsibius dastychi Pilato,
Bertolani & Binda 1982 (Tardigrada, Isohypsibiidae).
Zool J Linn Soc, 178: 856–862. doi:10.1111/zoj.12435



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- Quelle: red | Foto: © Jana Bingemer, Senckenberg Museum Görlitz
- Erstellt am 11.12.2016 - 11:41Uhr | Zuletzt geändert am 29.06.2022 - 15:04Uhr
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