BOY dokumentiert verstörende Tradition in Afghanistan

Leipzig | Halle (Saale) | Landkreis Görlitz, 2. November 2015. Wenn die "Filmstadt Görlitz" stolz darauf ist, dass die Filmteams kommen und gehen, so können Kommunen im Landkreis Görlitz eher darauf verweisen, dass aufstrebende Filmemacher hier ihre Wurzeln haben. Beispielsweise die ROSENPICTURES FILMPRODUKTION GbR in Halle (Saale), die als Produzent von "BOY" (2015, Regie:Yalda Afsah und Ginan Juliane Seidl), einem in Afghanistan gedrehten Film, am 27. Oktober 2015 erstmals eine Weltpremiere auf dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm - kurz: DOK Leipzig - feiern konnte. Die Gesellschafter und Filmproduzenten sind in Markersdorf und in Rothenburg/O.L. aufgewachsen.

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Zwei afghanische Mädchenschicksale auf der DOK Leipzig

Thema: Woanders

Woanders

"Woanders" – das ist das Stichwort, wenn der Görlitzer Anzeiger auf Reisen geht und von Erlebnissen und Begegnungen "im Lande anderswo" berichtet. Vorbildliches, Beispielhaftes und Beeindruckendes erhält so auch im Regional Magazin seine Bühne.

In Afghanistan sind Söhne, die beschützen und Hilfe im Alter sein können, mehr wert als Töchter. Doch was, wenn in einer Familie nur Töchter geboren werden? Dann erlaubt es die Tradition, die fünfte Tochter zum "Bacha Posh" zu machen und als Jungen zu erziehen.

Freiheit für Mädchen nur als Junge

Diese Mädchen, die schon in frühester Kindheit wie Jungen gekleidet und erzogen werden, entsprechend auch mehr Freiheiten genießen, sind Gegenstand von "BOY". Der Film dokumentiert zwei Schicksale.

Erzählt wird die Geschichte der 13jährigen Farahnoz, die im afghanischen Mazar-I Sharif als Junge aufwächst. Sie spielt Fußball, fährt Fahrrad, geht in die Schule und hilft ihrer Familie im Alltag. Andere Mädchen in ihrem Alter sind längst verheiratet und müssen im Haus bleiben. Als Bacha Posh genießt das Mädchen Farahnoz Freiheiten, die in Afghanistan sonst nur Jungen und Männern vorbehalten sind. Aber: Die Freiheit, die mit der Jungenrolle verbunden ist, endet, wenn die Bacha Poshs wie "normale" Mädchen verheiratet werden, sobald sie geschlechtsreif werden. Farahnoz sieht diesem Moment mit Schrecken entgegen.

Die heute 24jährige afghanische Sängerin Elaha Sorur (Elaha Soroor) - die zweite Protagonistin des Films - kennt dieses Gefühl. Sie hatte sich als Mädchen selbst dafür entschieden, sich als Junge auszugeben, um ein selbstbestimmteres Leben führen zu können. Sie beschreibt sehr genau, wie anders die Umwelt auf sie reagierte, aber auch, warum die Maskerade an ihr Ende kam, als sie als junge Frau Morddrohungen der Taliban erhielt. Heute lebt und arbeitet Elaha in London und ist froh, sich nicht mehr verstecken zu müssen.

Mit "BOY" haben die Regisseurinnen Yalda Afsah und Ginan Juliane Seidl ein sensibles Doppelportrait zweier Frauen gezeichnet, die sich ganz bewusst jenseits traditioneller Geschlechterrollen verorten und damit das System selbst in Frage stellen. In klar kadrierten Bildern, die in langen Kamerafahrten die Menschen als Teil ihres sozialen Umfelds erfassen und sich andererseits immer wieder auf Details konzentrieren, kommt der Film seinen Protagonistinnen nahe.

Farahnoz und Elaha sind Beispiele für Mut und Entschlossenheit in einer aus europäischer Sicht archaisch anmutenden Gesellschaft. Der Film zeigt jedoch zugleich, wie der Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung an die Grenzen verkrusteter gesellschaftlicher Normen stößt - in Afghanistan wie in Europa. "Eine berührende Etüde über Gender und Freiheit", so Dr. Grit Lemke von der Auswahlkommission der DOK Leipzig 2015, zugleich Leiterin des Filmprogramms, über "BOY".

Die Regisseurinnen

Yalda Afsah wurde 1983 in Berlin geboren. Sie studierte Medienwissenschaften in Halle (Saale), Berlin and Los Angeles und hat am Goldrausch-Programm, einem Professionalisierungstraining für junge Künstlerinnen, teilgenommen. Afsah lebt und arbeitet in Berlin.

Ginan Juliane Seidl wurde 1984 ebenfalls in Berlin geboren und studierte Bildende Kunst in Halle (Saale), Berlin and Mexico City. Sie war Teilnehmerin der "Professional Media Master Class of Werkleitz e.V." 2012. Seidl lebt und arbeitet in Halle (Saale) und gehört zum ROSENPICTURES Filmkunstkollektiv.

Film-Fakten

    • Dokumentar-Kurzfilm (30 Minuten)
    • DCP, FullHD, Colour, 5.1 DCP + TV 2.0
    • Sprachen: dari, farsi, englisch (Untertitel: englisch, deutsch)

    • Weltpremiere: 58. Internationales Leipziger Festival für Dokumentar und Animationsfilm 2015 (Deutscher Wettbewerb)
    • Premiere Deutschland: 58. Internationales Leipziger Festival für Dokumentar und Animationsfilm 2015 (Deutscher Wettbewerb)
    • Internationale Premiere: TBA

    • Buch, Regie, Montage: Yalda Afsah und Ginan Seidl
    • Bildgestaltung: Ginan Seidl

    • Produzenten: Ray Peter Maletzki und Stephan Helmut Beier
    • Produktion: ROSENPICTURES FILMPRODUKTION GbR

    • Förderer: Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Mitteldeutsche Medienförderung GmbH, Evangelisches Zentrum für entwicklungsbezogene Filmarbeit, Künstlerinnenprogramm Senatskanzlei Berlin - kulturelle Angelegenheiten, Werkleitz Gesellschaft e.V.

    Mehr:
    www.boy.rosenpictures.com

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  • Quelle: red | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 01.11.2015 - 20:46Uhr | Zuletzt geändert am 01.11.2015 - 23:32Uhr
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