Baudenkmäler in Polen: Bewahrung und moderne Nutzung
Warschau (Warszawa) | Görlitz, 21. November 2014. Wenn es um den Erhalt von Baudenkmälern geht, verstehen sich viele Görlitzer - durchaus zu recht - als Experten. Nicht ohne Grund zählt man das weitgehend restaurierte Görlitz zu den schönsten Städten Deutschlands. Doch wie ist die Lage im unmittelbar benachbarten Polen? Dazu äußert sich Dr. Ing. Arch. Marek Barański, Fachmann für das polnische Branchenprogramm zur Förderung von Denkmalschutz- und Denkmalpflegeunternehmen, im nachstehenden Beitrag.
Abbildung: Das Chopin Center in Warschau, 2005,
Architekt: Bolesław Stelmach
Ein Beitrag von Dr. Ing. Arch. Marek Barański
Seit mehr als zehn Jahren beobachten wir in Polen eine riesige Anzahl an Investitionsvorhaben und Stadtrevitalisierungsprojekten. Die treibende Kraft hinter diesen Veränderungen sind private Institutionen und Mittel aus verschiedenen europäischen Fonds. Es werden zahlreiche konservatorische Arbeiten an Denkmälern und deren Umgebung durchgeführt. Die erwirkten Mittel erlauben es, die erforderliche Konservierung an kostbaren Objekten vorzunehmen. Zugleich werden diese jedoch auch modernisiert und an neue Funktionen und soziale Bedürfnisse angepasst. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die riesigen finanziellen Mittel sich auf den Zustand der Denkmäler auswirken und tatsächlich zu deren Zustandsverbesserung beitragen.
Um diese Fragen beantworten zu können, muss man sowohl die Lage der Denkmäler in Polen zum Ende der 80er Jahre als auch die Veränderungen in den ersten Jahren der freien Marktwirtschaft in Polen darstellen. Riesigen Einfluss auf den schlechten Zustand der Denkmäler in Polen hatte der Kriegszustand, der nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung des Landes stoppte, sondern auch die Mittel für die konservatorischen Arbeiten nur auf die wichtigsten Objekte einschränkte. Die finanziellen Mittel wurden ausschließlich über die Staatskasse verteilt, daher warteten viele Denkmäler noch lange nach dem Krieg auf Unterstützung und die Verbesserung ihrer Lage. Die wirtschaftlichen Veränderungen in den 90er Jahren führten dazu, dass die Mittel für die Erhaltung und die Renovierung von Denkmälern nun von den Lokalverwaltungen kamen, die zum Aufrechterhalt der lokalen Denkmäler verpflichtet wurden. Privatisierte Denkmäler konnten nun von den neuen Inhabern (Privatpersonen und Privatfirmen) finanziert werden.
Nach dem Jahr 2000 bewirkten Entwicklungshilfen der Europäischen Union, dass neue Denkmaladaptations- und Stadtrevitalisierungsprojekte nun eine finanzielle Unterstützung von 50 bis 85 Prozent erhalten konnten. Und obwohl die Gewährung der Mittel an hohe formale Anforderungen gebunden ist, ist die damit verbundene Hilfe immens. Um jedoch solche Hilfeleistungen in Anspruch nehmen zu können, darf die Projektumsetzung nicht nur konservatorische Maßnahmen umfassen, sondern auch die Entwicklung der lokalen Gemeinschaften und der Wirtschaft fördern und neue Arbeitsplätze schaffen. In dieser neuen Lage wurden verstärkt - insbesondere große und bisher vernachlässigte - historische Bauten zu Hotels und Firmensitzen umgestaltet. Auch Denkmäler in ruinösem Zustand, jedoch mit einer attraktiven Lage, wurden nun für Investoren interessant. Dank der EU-Mittel war es möglich, viele ehrgeizige und schwierige Projekte umzusetzen, deren Kosten die lokalen Möglichkeiten überstiegen.
Zwei Richtungen in der Herangehensweise an die Denkmäler
Die in den letzten Jahren gesammelten Erfahrungen lassen zwei Richtungen in der Herangehensweise an die Denkmäler erkennen. Einerseits haben wir es bei kostbaren Denkmälern mit einer puristischen Herangehensweise zu tun, bei der die konservatorischen Arbeiten zusammen mit den notwendigen konservatorischen Studien und Programmen umgesetzt werden müssen. Zulässig ist deren Modernisierung in Form der Einrichtung von Aufzügen für Behinderte oder Klimaanlagen, was von besonderer Bedeutung für Museumsobjekte oder sonstige öffentliche Objekte ist. In kommerziell genutzten Objekten ist eine kreative Herangehensweise zu erkennen, bei der viele geplante Lösungen mit der Originalarchitektur der Denkmäler verbunden werden.
Zu den wichtigsten Beispielen der orthodoxen Herangehensweise an die Denkmalpflege zählen die konservatorischen Arbeiten im Wilanów-Palast. Dort wurden seit einigen Jahren Arbeiten an der Konservierung des barocken Fassaden- und Innenraumdekors geführt. Es arbeitete dort ein vielköpfiges, mit der Akademie der Bildenden Künste in Warschau (Warszawa) verbundenes Team polnischer Konservatoren. Bei den Arbeiten wurden neueste Dokumentations- und Konservierungstechnologien verwendet. Die durchgeführten konservatorischen Studien ermöglichten die Aufklärung vieler Geheimnisse um die erste Bauphase des Palasts von König Johann III. Sobieski. Nach den Renovierungsarbeiten stellt dieser eines der ansehnlichsten Denkmäler aus der Zeit der Wende vom 17. zum 18. Jahrhunderts dar. Derzeit wird ein riesiges Konservierungsprojekt im Palast-Komplex Łazienki in Warschau umgesetzt, das dem beliebtesten Denkmal der Warschauer den alten Glanz wiederbringen soll. Ein vergleichbares Vorhaben stellt die Konservierung des Inneren im Palast Łańcut dar. Seit über 10 Jahren wurden konservatorische Arbeiten in vielen Kirchen, Schlössern und Palästen durchgeführt. Zu den bestdurchgeführten zählen u.a. die konservatorischen Arbeiten in der gotischen St.-Johannes-Kirche in Thorn (Toruń) und in der ehemaligen Jesuitenkirche in Lublin, die Konservierung der gotischen Innenausstattung im Schloss Marienburg (Malbork), sowie die Gemälderenovierung und Rekonstruktion der Aula im historischen Gebäude des Stanisław-Małachowski-Lyzeums in Plock (Płock) als auch die Konservierung des kostbaren Stuckdekors aus dem 17. Jahrhundert im Schloss Krasiczyn.
Beispiel: Warschauer Königsschloss
Eine konservatorische Herausforderung stellte der Abschluss der Arbeiten am Königsschloss in Warschau dar. Das nach Kriegszerstörung wiederaufgebaute Schloss stieß praktisch an die Grenze seiner technischen Möglichkeiten. In der Wiederaufbauzeit (1971 bis 1988) ahnte niemand, welche Tourismus- und Nutzungsbelastung auf das Objekt zukommt. Das Königsschloss in Warschau erwies sich als die beste Adresse in Polen für die Veranstaltung prestigeträchtiger Ausstellungen, Konferenzen und internationaler Treffen. Ein Ergebnis dieser Entwicklung stellte die Notwendigkeit der Anpassung und Einbeziehung der angrenzenden Objekte (u.a. des Blauen Palasts und der Kubicki-Arkaden) in den Service. Die an der Weichsel errichtete Arkaden-Konstruktion aus dem 19. Jahrhundert diente als Nutzfläche im Zusammenhang mit dem Schlossservice. Zusätzlich dienten die Arkaden zur Verstärkung einer Böschung auf der im 18. Jahrhundert das Schloss ausgebaut wurde. Die heutige Anpassung der Arkaden verbesserte die Zugänglichkeit zum Schloss. Die im Rahmen der Anpassung der Arkaden erwirtschafteten Rauminhalte ermöglichten die Einführung eines neuen technischen Servicesystems für den gesamten Schlosskomplex. Nach der Verglasung der riesigen Flächen der Kubicki-Arkaden werden diese nun als mobiles System frei arrangierbarer Innenräume für Konferenz-, Ausstellungs- und Treffzwecke genutzt. Zur Verbesserung der Touristenabwicklung wurde zwischen der unteren Ebene der Arkaden und dem Schlosskellern, wo sich die Garderoben befanden, eine Rolltreppe eingebaut. Dieses Anpassungsprojekt galt als optimale Lösung.
Beispiel: Untergrundmuseum an den Krakauer Tuchhallen
Ein Vorhaben, das ein internationales Interesse rechtfertigt, bildete die Errichtung des Untergrundmuseums an den Krakauer Tuchhallen. Im Rahmen dieses Projekts wurde eine interessante Multithemen-Multimedia-Museumsexposition geschaffen, die mit der Darstellung archäologischer Funde verbunden wurde. Somit wurde Krakau (Kraków) um ein neues interessantes Museum bereichert, das die Originalfunde präsentiert und sich dabei moderner Multimediatechnik bedient. Das Projekt der Umgestaltung des ehemaligen Straßenbahn-Elektrizitätswerks zum Museum des Warschauer Aufstandes in Warschau ist nicht nur wegen des Themenreichtums beachtenswert. Es stellt die breite Aufstandsproblematik im Kontext der politischen Bedingungen für den Volksbefreiungskampf der Polen dar. Die architektonische Umsetzung dieses ehrgeizigen Vorhabens lässt jedoch zu wünschen übrig. Obwohl der Charakter der historischen Gebäudefassade beibehalten wurde und sogar ein Teil der originalen technischen Anlagen und Geräte des ehemaligen Elektrizitätswerks renoviert wurde, erhält der Tourist keine einfachen Informationen zur Geschichte dieses Denkmals. Die dramatische Geschichte des Warschauer Aufstands und die verwendeten Ausdrucksformen dominieren dieses Denkmal.
Beispiel: Hotel Copernicus
Mit der dynamischen Wirtschaftsentwicklung bieten sich ganz neue Möglichkeiten der Denkmalbewirtschaftung. Die Umgestaltung des mittelalterlichen Mietshauses in Krakau in der Kanoniczna-Straße in das Fünfsternehotel Copernicus ermöglichte die Konservierung des alten Dekors der Säle, die nun in Hotelräume umgestaltet wurden. Ein zusätzliches ehrgeiziges Unterfangen bildete die Einrichtung eines Hotelschwimmbads in den gotischen Kellnern. Diese Lösung wurde heftig diskutiert, da man auf die fehlende Notwendigkeit einer solchen Lösung verwies. Es stellte sich heraus, dass die Kreativität bei der Anpassung mittelalterlichen Burgen in Polen grundsätzlich erweitert wurde. In der Burg Ryn (Rhein), die noch im 19. Jahrhundert als Gefängnis diente, wurde das ehrgeizige Vorhaben der Überdachung des Burghofs umgesetzt, wobei der Raum vor dem Hof für die Rezeptions- und Gastronomiebasis verwendet wurde. Die Lösung mit der Überdachung des gesamten Hofs wurde auch in der Burg Gniewo (Mewe) wiederholt, wo die Fläche zu einem modernen Konzert- und Eventsaal angepasst wurde. Die Kreativität beim Umgang mit Denkmälern ist auch bei der Anpassung vieler Mietshäuser für Bürozwecke sichtbar. Mietshäuser mit einer attraktiven Lage werden oft überbaut und deren Keller werden vertieft, um neue Parkplätze zu schaffen. Der Überbau wird jedoch von Denkmalpflegern nicht immer genehmigt. Ein Projekt, bei denen Erfahrungen im Zusammenhang mit der Kellervertiefung und der Anpassung des Hofuntergrunds genutzt werden, wird schon bald der Branicki-Palast in Warschau darstellen. Dieser soll in ein Luxushotel in unmittelbarer Nähe des Königsschlosses umgestaltet werden. Zwecks Erhöhung der Nutzfläche ist die Anpassung des Dachgeschosses geplant. Damit in der Dachfläche keine Fenster geschaffen werden, plant man die Fenster mit Keramikjalousien abzudecken.
Beispiel: Industriebauten
Das Schaffen neuer Nutzflächen in alten historischen Industriebauten stellt die neueste Herausforderung für Architekten und Denkmalpfleger dar. Es wurden schon einige solche Anpassungen vorgenommen, u.a. in Lodz (Łódź), wo der Komplex der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Poznański-Textilfabriken in ein Handels- und Dienstleistungszentrum umgestaltet wurde und in der Scheibler-Manufaktur (Scheibler-Textilfabrik) ein Teil der Gebäude zu Loft-Wohnungen umgestaltet wurde. Ähnliche Umsetzungen in historischen Objekten gab es auch in Żyrardów und Warschau (alter Komplex der Wodka-Fabrik Koneser).
Polnische Denkmalpfleger und Architekten auf Auslandseinsatz
Erfahrene polnische Denkmalpfleger und Architekten sind auch im Ausland tätig, wo sie kostbare Denkmäler schützen. Dazu zählen u.a. der Palast-Komplex Peterhof in Russland, aber auch Denkmäler in Kiev und Lemberg in der Ukraine, in Ägypten, Vietnam und Libyen.
Ein Teil der polnischen Fachkräfte, die Denkmalpflegeunternehmen vertreten, entschied sich, am Branchenprogramm des Wirtschaftsministeriums teilzunehmen. Im Rahmen dieses Programms nehmen sie seit dem Jahr 2012 an Businesstreffen, Messen und Wirtschaftsmissionen auf dem russischen, deutschen, österreichischen, indischen, libyschen und ägyptischen Markt teil. Während dieser beiden Jahre war es ihnen möglich, fruchtbare Kontakte zu ausländischen Fachkräften herzustellen. Was sie verknüpft ist ein gemeinsames Ziel: der Schutz des Kulturerbes, der Kunstwerke und Denkmäler, die die nächsten Generationen prägen.
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- Quelle: red | Fotos: © Agencja M Promotion, Warschau
- Erstellt am 21.11.2014 - 03:06Uhr | Zuletzt geändert am 21.11.2014 - 04:07Uhr
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