Von Peru über Prag ins Sorbenland

Bautzen / Budyšín | Lima. Globalisierung ist das große Stichwort unserer Zeit. Auslandserfahrungen in Studium oder Ausbildung so gut wie zur Norm geworden. Vor über 20 Jahren war das noch keine Selbstverständlichkeit. Dennoch ist Yuri Nguyen Lévano Garcia damals aus Peru nach Europa gekommen. Jetzt lebt er schon seit 15 Jahren in Bautzen, lehrt Spanisch an der Volkshochschule, hört den tschechischen Rundfunk und spricht zu Hause sorbisch. Eine Erfolgsgeschichte aus der frühen Zeit der Globalisierung. „Wenn man die Möglichkeit hat ins Ausland zu gehen oder sie sich erarbeitet, dann sollte man das immer nutzen. Das war schon immer wichtig, aber jetzt wird es immer wichtiger. Es wird fundamental.“ Yuri Nguyen Lévano Garcia (41) weiß wovon er spricht. Seine Entscheidung, die Heimat Lima, die Hauptstadt Perus, zu verlassen und lieber in Prag Philosophie zu studieren, hat er nicht bereut. Vor allem deshalb, weil er seine Frau beim Studium in Prag kennen gelernt hat.

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Mit Sorbisch zurück nach Peru - irgendwann

Eigentlich hatte Yuri Lévano Garcia gerade ein Ingenieurwissenschaftsstudium angefangen, aber in Peru gab es zu dem Zeitpunkt große politische und wirtschaftliche Schwierigkeiten. „Es wäre für mich sehr schwer gewesen weiter zu studieren und außerdem hab ich festgestellt, dass ich besser bin, wenn ich mich theoretisch mit der Welt auseinander setze und nicht mit konkreten Formeln.“, sagt er schmunzelnd. Und lachend ergänzt er: „Meine Mutter war anfangs total dagegen. Aber ich war 18 und hatte meine Freiheit. Außerdem hat mich mein Vater unterstützt. Auch finanziell - beim Besorgen der vielen Dokumente zum Beispiel.“

Glücklicherweise ergab sich für den Peruaner die Möglichkeit ein Stipendium für ein Auslandssemester durch eine Regierungsstelle zu bekommen. Jährlich zehn bis 15 Studenten kamen damit nach Prag, einige auch in die DDR. Er selbst war das erste Mal im Sommer 1989 in der Deutschen Demokratischen Republik. „Die DDR kam mir damals Tschechien sehr ähnlich vor. Man merkt nur: In Mitteleuropa läuft alles nach bestimmten Regeln und das ist der Unterschied zu Peru.“

Bautzen ist so schön klein - Lima ist laut, schmutzig und voller Leute

Besonders diese Sicherheit und Ordnung schätzt er an Deutschland. Mit seiner Frau lebt er jetzt schon seit 15 Jahren in Bautzen - seit der Beendigung seinen Studiums in Prag und ihrem Job beim Dorowina-Verlag. „Bautzen ist so schön klein. Lima hat acht Millionen Einwohner, das ist fast ein ganzes Bundesland hier! Lima ist laut, schmutzig und voller Leute. Außerdem weiß man in Peru nie, obwohl es Gesetze gibt, ob alles so laufen wird wie erwartet oder ob überhaupt. Ich war 18 Jahre lang dort und habe das nicht gut gefunden.“, erklärt Yuri Lévano Garcia. Die Menschen in Peru müssten sich dagegen damit abfinden, wie ihr Land funktioniert und sie tun dies auch.

Trotz allem kehrt er immer wieder und regelmäßig nach Peru zurück. Aller drei Jahre fliegt er mit seiner Frau vier bis sechs Wochen lang in das südamerikanische Land. „Dort fühle ich mich zu Hause, aber nach einer Zeit will ich auch wieder zurück.“ Mittlerweile waren sie schon sechs Mal in seiner Heimat. „Früher hatte meine Mutter immer zur gleichen Zeit Urlaub und wir sind mindestens eine Woche lang weggefahren. Aber immer innerhalb von Peru. Reisen war damals nicht so einfach.“, erinnert sich Yuri Lévano Garcia. Selbst für südamerikanische Nachbarstaaten benötigte man einen Pass, heute brauche man oftmals nicht einmal mehr einen gültigen Ausweis. „Dadurch kannte ich schon relativ viel in Peru. Und alles andere schaue ich mir jetzt an.“, lacht Yuri Lévano Garcia. Allgemein lacht der Peruaner viel.

Am Samstag fliegt er das nächste Mal für zwei Wochen nach Peru - das erste Mal als Reiseleiter einer tschechischen Reiseagentur. Mit 41 kulturinteressierten Touristen und einem zweiten – tschechischem - Reisebegleiter geht es auf die Suche nach dem spanischen Erbe in Südamerika. Ein- bis zweimal im Jahr soll er nun Reisegruppen durch Lima und Südperu begleiten.

Schulenglisch in Lateinamerika ist entweder schlecht, oder man praktiziert es nicht


Eigentlich ist Yuri Lévano Garcia aber freiberuflicher Spanischlehrer. In Niesky, Weißwasser, Görlitz und Zittau gibt er an der Volkshochschule Spanischkurse, allein in Zittau sind es vier Stück. „Englisch ist an der Volkshochschule sehr stark nachgefragt. In der Region werden aber auch noch genug Spanischkurse belegt. Die VHS in Zittau braucht zur Zeit sogar noch jemanden der Spanisch lehrt.“, erklärt der Peruaner mit seinem leichten Akzent, den er immer noch hat.

Als er damals nach Bautzen kam, konnte Yuri Lévano Garcia sogar noch kein Wort deutsch. Das musste er an einer Schule in Berlin dann nachholen. Auch sonst war er anfangs nicht sehr gut darin , Sprachen zu lernen. „Bei mir gab es seit der dritten oder vierten Klasse Englischunterricht aber damit hatte ich Schwierigkeiten. Schulenglisch in Lateinamerika ist entweder schlecht oder man praktiziert es einfach nicht. Russisch war für mich auch total schwierig, aber mittlerweile weiß ich, dass das nicht nur an mir, sondern auch an der Lehrerin lag.“ Schließlich hat er während seines Studiums in nur sechs Monaten erneut Russisch gelernt - mit Erfolg. Genauso wie Tschechisch. Mittlerweile spricht Yuri Lévano Garcia aber auch etwas Portugiesisch und Polnisch, was er bei seinem zweiten Studium - Tourismuswirtschaft in Görlitz - gelernt hat. „Es ist doch selbstverständlich wenigstens etwas mit seinen Nachbarn sprechen zu können. Das machen hier viele Leute nicht und das finde ich auch nicht gut in der Region.“, sagt er und rührt nachdenklich in seinem Espresso macchiato. Durch seine Arbeit als Spanischlehrer an der Volkshochschule weiß Yuri Lévano Garcia aber auch, dass viele Menschen trotz Interesse an einem bestimmten Land und seiner Sprache nicht die Zeit finden, nebenbei noch eine Sprache zu lernen. „Viele sind schon von ihrer Arbeit überfordert.“

Die ungewöhnlichste Sprache, die der Peruaner selbst beherrscht, ist sorbisch. Und zwar fließend. Denn seine Frau ist Sorbin. „Zuerst haben wir nur tschechisch zu Hause gesprochen aber nach dem Studium habe ich dann ein Angebot einer sorbischen Sprachschule bekommen und musste sorbisch lernen. Nach meiner ersten Unterrichtsstunde an der Schule habe ich mit meiner Frau dann auch nur noch sorbisch gesprochen. Aber ich höre immer noch den tschechischen Rundfunk.“, berichtet Yuri Lévano Garcia. Diese selten gesprochene Sprache zu lernen, war für ihn aber kein großes Problem. Er erklärt: „Es ist einfacher eine dritte oder vierte Sprach neu zu lernen, vor allem wenn sie anderen Sprachen, die man beherrscht sehr ähnlich ist. So wie Sorbisch dem Tschechischem sehr ähnlich ist.“

Ich will hier nicht sterben

Eigentlich will Yuri Lévano Garcia „überall“ einmal gewesen sein. Allerdings reizen ihn afrikanische oder asiatische Länder nicht so stark wie andere Regionen. Das nächstes Ziel von Yuri Lévano Garcia ist ein Besuch seiner Verwandtschaft in den USA. Genauso stehen auch Slowenien, Serbien und Mazedonien auf seiner Reiseroute. „Es gibt auch eine Menge Orte, die meine Frau und ich schon kennen und wieder besuchen würden. Wir waren zum Beispiel vor 15 Jahren Irland. Wir lieben das Land, haben aber einfach nicht die Zeit wieder hinzufahren.“, sagt er.

Trotz allem zieht es den Peruaner zurück in seine Heimat - nach Lima. Vor allem die Mentalität der peruanischen Menschen begeistern ihn. „In Deutschland gehen die Leute nur im Sommer häufig auf die Straße. Und dann auch nur bis zu einer bestimmten Uhrzeit. In Peru sind die Leute bis abends um 22 oder 23 Uhr alle auf der Straße. Dafür stehen sie später auf. Ich könnte zum Beispiel auch nie um sieben Uhr anfangen zu arbeiten. Für viele Deutsche ist das normal.“, erklärt Yuri Lévano Garcia. Auch das Essen sei in Peru wesentlich besser als in Deutschland. Wenn er die richtigen Zutaten hat kocht der Spanischlehrer auch sehr gerne peruanisch. „Meine Frau freut sich immer wenn ich koche.“, lacht er. Typische südamerikanische Hobbys wie Panflöte spielen hat Yuri Lévano Garcia aber nicht. Stattdessen spielt er ein wenig Percussions oder singt sehr gern mit seiner Verwandtschaft.

„Ich weiß noch nicht wann, aber ich will irgendwann zurück nach Peru, selbst wenn dort niemand mehr auf mich wartet. Ich will hier nicht sterben. Dafür bin trotz allem noch zu verbunden mit meiner Heimat.“

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  • Quelle: /Romy Ebert | Foto: /privat
  • Erstellt am 08.10.2009 - 22:09Uhr | Zuletzt geändert am 09.10.2009 - 01:14Uhr
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