Neujahrsempfang in Görlitz

Neujahrsempfang in GörlitzGörlitz, 18. Januar 2020. Traditionell richtet man zum Beginn eines neuen Jahres den Blick vor allem in Richtung Zukunft, das Vergangene ist passé und nicht mehr zu ändern. Die Konzentration auf das Kommende kennzeichnete auch den Neujahrsempfang "Europastadt Görlitz/Zgorzelec – Stadt der Zukunft 2030", den die Stadt Görlitz vorgestern in ihrer jüngsten Sporthalle ausrichtete.

Ort des Neujahrsempfangs: Die Sporthalle an der Jägerkaserne, hier noch im Bau
Archivbild: @ Görlitzer Anzeiger
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Sieben Projekte für Görlitz, die die Europastadt Görlitz-Zgorzelec voranbringen

Ganz dem Charakter des Neujahrsempfangs entsprechend nutzte der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu die Gelegenheit, gemeinsam mit Gesprächspartnern vor dem Hintergrund des Strukturwandels sieben Projekte vorzustellen, die in den kommenden zehn Jahren eine nachhaltige strukturelle und wirtschaftliche Stärkung der Stadt Görlitz mit ihren mittel- und oberzentralen Funktionen unterstützen sollen. "Wir haben als Stadtverwaltung viele alltägliche Herausforderungen wie Schulen und Kitas, Ordnung und Sauberkeit und vieles mehr zu bestehen, an denen wir stetig arbeiten. Darüber hinaus müssen wir aber auch an die mittel- und langfristige Entwicklung unserer Stadt denken und die Chance des Strukturwandels in der Region ergreifen", verdeutlichte Oberbürgermeister Ursu, worum es geht.

Sieben Projekte binnen zehn Jahren

    • Projekt 1: Siemens Innovationscampus
      Dazu erläuterte Christoph Scholze, Innovationsmanager bei Siemens Görlitz: "Auf dem Siemens-Werksgelände entsteht derzeit ein Innovationscampus mit dem Ziel, Hightech-Firmen, Start-ups und Forschungsinstitute anzusiedeln. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Themenfeldern wie der Digitalisierung, Automatisierung, Energietechnik sowie Werkstoff- und Fertigungstechnologien." Im Anschluss stellte Andrea F. Behr, Geschäftsführerin der Europastadt Görlitz/Zgorzelec GmbH eine Rückkehrer-Kampagne, die sich an in Großbritannien lebende Polen und Oberlausitzer richtet, vor. Sie richtet sich gezielt an Fachkräfte, die in Görlitz und der Region benötigt werden.

    • Projekt 2: Ausbildungszentrum für Gesundheitsberufe
      "Wir wollen unsere Görlitzer Krankenhausakademie zu einem Ausbildungszentrum für Gesundheitsberufe weiterentwickeln. Ausbildung, Fortbildung und Umschulung können aus einer Hand und in direkter Einbindung in die regionale Kliniklandschaft gesteuert und fehlende Mitarbeiter für niedergelassene Ärzte sowie privatwirtschaftlich agierende Pflege- und Fachdienste akquiriert werden", erklärte die Geschäftsführerin des Städtischen Klinikums gGmbH, Ulrike Holtzsch.

    • Projekt 3: Tiefgarage unter dem Wilhelmsplatz
      Die in den 1990er Jahren diskutierte Idee, unter dem Wilhelmsplatz eine Tiefgarage zu bauen, griffen Bürgermeister Dr. Michael Wieler und Arne Myckert, Geschäftsführer der KommWohnen Görlitz gGmbH, erneut auf. Fr. Wieler: "Kein anderer innerstädtischer Platz eignet sich aufgrund seiner Lage, seines Baugrundes, seiner Größe sowie seiner verkehrlichen Anbindung besser für den Bau einer Tiefgarage mit hoher Stellplatzkapazität als dieser Platz. In diesem Zusammenhang können auch die Themenbereiche Elektro- und Wasserstoffmobilität eine wichtige Rolle spielen."

    • Projekt 4: Filmzentrum
      Die Idee eines Filmzentrums zur Ausbildung von filmspezifischen Dienstleistern wie Bühnen- und Setbau, Ausstattung, Requisite, Kostüm und Verleih von technischer Ausstattung stellten Stefan Arndt, geschäftsführender Gesellschafter der Filmproduktionsgesellschaft X-Filme, und Dr. Markus Görsch, Leiter Förderbereich Produktion und Landesbeauftragter Internationale Koproduktionen der Mitteldeutschen Medienförderung vor. Arndt dazu: "Wir haben uns mit mehreren Produktionen in Görlitz sehr wohl und gut aufgehoben gefühlt und wollen weitere Filme hier produzieren. Bisher musste dafür viel Personal und Technik von außerhalb in die Region gebracht werden. Mit einem Filmzentrum können zielgerichtet Fachkräfte für den Film- und Medienbereich aus- und weitergebildet und Firmen in der Lausitz zu etabliert werden, die diese Dienstleistungen vor Ort anbieten und den Filmstandort Görlitz nachhaltig aufwerten." Dr. Grösch: "Der Aufbau einer Aus- und Fortbildungsinstitution für Film- und Medienfachkräfte in Görlitz könnte die Versorgung Mitteldeutschlands mit Nachwuchs sicherstellen und der Branche erhebliche Wachstumsimpulse verleihen."

Ein gemeinsames Ziel von Oberbürgermeister Octavian Ursu und seines polnischen Amtskollegen Rafał Gronicz ist es, die Europastadt Görlitz-Zgorzelec zu einer klimaneutralen Kommune zu machen. Zu diesem Zweck will Görlitz einen Masterplan "Klimaneutralität 2030" in Auftrag geben und hat dazu bereits Gespräche zur wissenschaftlichen Begleitung durch das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung geführt. Vor dem Hintergrund der angestrebten Klimaneutralität arbeiten die Görlitzer Verkehrsbetriebe GmbH und die Stadtwerke Görlitz AG an den beiden nachfolgend benannten Projekten.

    • Projekt 5: Anschaffung moderner Straßenbahnen
      Andreas Trillmich, Geschäftsführer der Görlitzer Verkehrsbetriebe GmbH, erläuterte die geplante Anschaffung moderner, innovativer und umweltfreundlicher Straßenbahnen: "Es geht um die Straßenbahn der Zukunft, die Görlitz in den kommenden drei bis vier Jahrzehnten begleiten wird. Sie wird in Kooperation mit der Stadt Leipzig angeschafft und soll zukünftig unter anderem auch für autonomes Fahren ausgerüstet werden können."

    • Projekt 6: Moderne Fernwärmeversorgung
      Über eine moderne Fernwärmeversorgung für die Europastadt Görlitz-Zgorzelec bis 2030 sprachen der Zgorzelecer Bürgermeister Rafał Gronicz und Matthias Block, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Görlitz AG. "In einer Zeit, wo Umweltschutz in aller Munde ist, verbinden Görlitz und Zgorzelec ihre Fernwärmenetze, um gemeinsam die Europastadt mit klimaneutraler Fernwärme zu versorgen. Eine Zusammenarbeit mit Symbolcharakter für die Europastadt und Vorbildfunktion in ganz Europa: zwei Länder arbeiten Hand in Hand für eine klimaneutrale Versorgung ihrer Bürger", so Block.

Das letzte der vorgestellten Projekte ist ein Verkehrsprojekt, das neben der praktischen Notwendigkeit hohen Symbolwert besitzt.

    • Projekt 7: Zweite Autobrücke über die Neiße
      Die Bürgermeister Rafał Gronicz und Dr. Michael Wieler stellten abschließend dar, dass eine zweite Autobrücke über die Neiße neben der Stadtbrücke – wenn man einmal von der Autobahnbrücke absieht – für die Verkehrsflüsse in der Europastadt sinnvoll und entlastend wäre. "Wir sollen Brücken bauen und nicht Zäune", sagte Bürgermeister Gronicz und Oberbürgermeister Ursu verdeutlichte: "Wir wollen die Europastadt als Einheit denken. Dazu werden wir auch weiterhin Unterstützung von Land, Bund und EU brauchen."


Kommentar: Die Stimmen der anderen

Der Görlitzer Neujahrsempfang war noch keinen vollen Tag alt, als bei Linkspartei und AfD schon das große Mosern einsetzte. Die AfD zeigte sich vom Vorschlag der alten Idee der Wilhelmsplatz-Tiefgarage "gewaltig" überrascht und verweist in diesem Zusammenhang auf einen im Dezember 2019 vorgelegten Grundsatzbeschluss zur Neugestaltung des Parkraums, in dem der Wilhelmsplatz seitens der Stadtverwaltung als Option verworfen worden sei. Allerdings bezeichnet die AfD diese Vorlage selbst als "unausgegoren". Die Linken hingegen kritisieren den mangelnden Blick auf die Gegenwart und bezichtigen die kommunalen Projekte der "Fantasielosigkeit", es handele sich um "Standardlösungen".

Aber was will man denn von einem Oberbürgermeister anderes erwarten, als mit Realitätssinn die Entwicklung seiner Stadt im Auge zu haben? Was liegt näher: Der bei den Linken laut gewordene Ruf nach einer "Straßenbahn von Kodersdorf, Klingewalde zum Berzdorfer See und bis nach Zgorzelec" oder endlich die veraltete rollende Technik der Görlitzer Straßenbahn auf zukunftsfähigen Stand zu bringen? Was bringt voran, etwa die AfD-Forderung nach einer klaren "Auflistung aller möglichen Parkplatzoptionen für die Innenstadt und Altstadt, bei Ausweisung der Kosten für eine Tiefgarage, ein Parkdeck und Parkhaus unter der Angabe von Für und Wider, sowie der jeweiligen zu erwartenden Herstellungs- und Betriebskosten"?

Es geht um einen Zehn-Jahres-Horizont, da sind ideologisch gefärbte Visionen ebenso wie Erbsenzählerei fehl am Platze, gefragt sind Entschluss- und Tatkraft! Gerade in der Zeit des rasanten Wandels weg von der carbonbasierten Industrie, für dessen Begründung man nicht einmal die Klimafrage heranzuziehen braucht, müssen die Chancen, wie sie in jeder Veränderung liegen, beherzt genutzt werden! Dabei ist es nicht relevant, ob eines der Projekte eh schon anstand oder wo die Messlatte für den Erfolg in zehn Jahren liegen wird, denn: Wer heute nicht beginnt, kommt zu spät,

meint Ihr Thomas Beier

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  • Quelle: red/TEB | Kommentar: Thomas Beier | Foto: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 18.01.2020 - 07:32Uhr | Zuletzt geändert am 20.01.2020 - 16:41Uhr
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