Kommt bald wieder...
Görlitz | Münster, 7. September 2018. Von Tina Giesenkämper. Schon im Foyer diese schwere, süßlich riechende, stickige Wolke: Wir sind auf Besuch im Altenheim, im Gepäck eine Flasche Rotkäppchensekt und drei Plastikbecher. Unser Plan ist, der alten Dame ein wenig Gesellschaft zu leisten, sie aus ihrem Zimmer nach draußen auf die Terrasse zu schieben, denn im Zimmer selbst ist die Wolke noch stickiger, weil Mitbewohnerin Gerda (Name geändert) keine frische Luft mag. Schnell raus hier, dachte ich nur.
Abbildungen: Symbolfotos
Zu Besuch im Pflegeheim
Thema: What's up?

Tina Giesenkämper pendelt zwischen den Welten: West und Ost, öffentlicher Dienst und freie Künstlerin, Großklappe und stille Beobachterin. In Ihrer Kolumne berichtet sie aus ihrem Alltag.
- Heimat – Heymat? [03.02.2019]
- Tomaten mögen keine Fernbeziehung [27.08.2018]
- Mit der Katze auf Reisen [23.07.2018]
Gerda lag wie immer in ihrem Bett. Ein kurzes Nachthemd, halb zugedeckt. Dass sie keine Unterhosen trug, war deutlich zu sehen. Ein Blutfleck auf dem Oberbett, benutzte Taschentücher und eine leere Plastikschale unter dem Bett. Gerda spricht nicht viel, wahrscheinlich, weil sie kein Gebiss trägt.
Wir schoben unsere Dame auf die Plattform, von der man einen wunderschönen Blick über die Stadt hat und tranken Sekt, rauchten und lachten. Später, auf meine Frage hin, warum man Gerda in diesem Zustand lässt, kam die kurze Antwort: Zu wenig Personal. Aber trotzdem sind hier alle Pfleger sehr nett. Unsere Dame hat Glück, denn sie hat eine große Familie und viele Freunde, die sie besuchen und sich kümmern, im Gegensatz zu Gerda.
Ich stelle mir Angela Merkel, Horst Seehofer und Jens Spahn in Gerdas Situation vor. Vielleicht sollten die beiden sich das einmal selbst vorstellen, das würde die Änderung des Pflegenotstandes sicherlich beschleunigen. Aber es ist wie bei der deutschen Fußballmannschaft, sie sind satt, haben keinen Hunger mehr, zu gewinnen, und schweben (zumindest bis zum WM-Aus) auf irgendeiner "wir sind ja Weltmeister"-Wolke. Das Politikum Özil wird auf der Suche nach einer Entschuldigung für den frühen Rauswurf dann gern benutzt.
Übrigens, kurz nach dem Ausscheiden der Mannschaft entdeckte ich beim Einkauf stark heruntergesetztes Toilettenpapier, ein mit Fußballfeldern bedrucktes Weltmeisterpapier. Wie passend. Es sind die kleinen Dinge im Leben, die mich zum Schmunzeln bringen.
Beim Abschied sagt die alte Dame: "Es ist scheiße, scheiße alt zu sein. Kommt bald wieder..." – und lächelt freundlich. Da kommen auch schon die nächsten Besucher.



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- Quelle: Tina Giesenkämoer | Foto Dame: geralt / Gerd Altmann, Pixabay, Lizenz CC0 Public Domain; Foto mit Rollstuhl: truthseeker08
- Erstellt am 07.09.2018 - 08:15Uhr | Zuletzt geändert am 08.09.2018 - 03:56Uhr
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