Erweiterte Startphase für das Deutsche Zentrum für Astrophysik in Görlitz eingeleitet

Erweiterte Startphase für das Deutsche Zentrum für Astrophysik in Görlitz eingeleitet

Görlitz, 11. September 2023. Zu Beginn des Jahres wurde die dreijährige Initialphase zur Errichtung des Deutschen Zentrums für Astrophysik (DZA) in Görlitz eingeläutet. Die Finanzierung des Mammutprojekts erfolgt durch den Strukturwandelfonds für frühere Braunkohleregionen. Die Gründung und Leitung der bedeutenden Forschungseinrichtung in der Lausitz übernimmt Prof. Günther Hasinger, der bis vor kurzem noch als Wissenschaftsdirektor der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Madrid fungierte. 

Radiowellenteleskop

Bild von becuffin auf Pixabay

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Das DZ setzt auf Digitalisierung in der Forschung und weltweite Vernetzung mit Astrophysikern

In den kommenden Jahren wird seine Hauptaufgabe darin bestehen, in Görlitz ein kompetentes Team für den Aufbau des Zentrums zu rekrutieren. Dabei plant er, Experten von extern zu holen und auch auf Absolventen eines neu ins Leben gerufenen Astrophysik-Studiengangs an der TU Dresden zurückzugreifen. Nach dem Abschluss der Anfangsphase, die drei Jahre dauern wird, werden in Görlitz voraussichtlich 1.000 neue Jobs geschaffen. Parallel dazu unterstützt die TU Dresden den wissenschaftlichen Nachwuchs durch die Einführung des neuen Studiengangs in Astrophysik. Ab dem Jahr 2026 soll das Deutsche Zentrum für Astrophysik der Region Lausitz frische Impulse geben und nachhaltige Perspektiven für die Post-Kohle-Ära schaffen.


Die künftige Arbeit im Deutschen Zentrum für Astrophysik (DZA) in Görlitz wird auf den drei Pfeilern Forschung, Digitalisierung und Technologieentwicklung basieren. In dieser Einrichtung werden Daten aus astronomischen Observatorien weltweit gebündelt. Zudem ist die Entwicklung neuer Halbleitersensoren und Silizium-Optiken für solche Observatorien vorgesehen. Die Forschungsaktivitäten im neuen DZA werden sich unter anderem auf die Gebiete der Astrophysik konzentrieren, wobei die Gravitationswellenastronomie und die Radioastronomie im Mittelpunkt stehen werden. Die Radioastronomen werden dabei Zugang zu einem enormen Radioteleskop haben, das derzeit in Südafrika und Australien entwickelt wird. Interessanterweise wird die jährliche Datenmenge, die durch dieses Teleskop generiert wird, der des gesamten Internets gleichkommen, was die Notwendigkeit extrem leistungsfähiger Rechner deutlich macht – ein normaler Homecomputer mit einem Betriebssystem wie Windows 10 würde hierfür nicht ausreichen, wie ein Mitarbeiter humorvoll anmerkt. Um die tiefgehenden Forschungen und die nötigen Datenauswertungen zu ermöglichen, unterstützt die Technische Universität Dresden das DZA durch die Inbetriebnahme eines Hochleistungsrechners. Dieser wird noch in diesem Jahr mit einem Budget von fünf Millionen Euro im Lehmann-Zentrum in Dresden installiert, um den Forschern die „Zeitreise“ in die Anfänge des Universums zu ermöglichen.


Das DZA steht bereits in der Zusage, in den kommenden Jahren eine jährliche Förderung in Höhe von etwa 170 Millionen Euro zu erhalten, um den Übergang der Lausitz aus der Kohlewirtschaft zu unterstützen. Derzeit befindet es sich jedoch noch in einem sehr frühen Stadium und besteht hauptsächlich als Konzept und administrative Einheit der TU Dresden. In der initiativen dreijährigen Errichtungsphase übernimmt die Universität Dresden die Rolle des Projektträgers und stellt dem sich formierenden Team Expertenwissen in den Bereichen Datenanalyse, Künstliche Intelligenz und Hochleistungsrechnen zur Seite. Ab dem Jahr 2026 ist geplant, dass das DZA nach und nach seinen Betrieb eigenständig aufnimmt. Die Initiatoren des Projekts haben bereits zwei Standorte festgelegt: Der Hauptstandort mit den meisten Forschungsbüros wird in Görlitz errichtet, wohin voraussichtlich bis spätestens 2029 auch der Supercomputer aus Dresden transferiert werden soll. Zudem ist die Einrichtung eines Untergrundforschungslabors zwischen Kamenz und Königswartha vorgesehen. In unmittelbarer Nähe könnte potenziell auch ein Standort für das Einstein-Gravitationswellenteleskop geschaffen werden.


Forschungszentrum strebt nach revolutionären Erkenntnissen im Weltraum während die Fragen zur regionalen Joblandschaft bestehen bleiben


Bevor über den Standort des Einstein-Teleskops entschieden wird, planen die Forscher des DZA, die Datenanalyse von anderen globalen Gravitations- und Radioteleskopen intensiv zu fördern. Ihr Ziel ist es, in den immensen Datenmengen Muster zu identifizieren, die Aufschluss über die frühesten Phasen des Universums geben, nämlich die Zeit, die weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall liegt. Dabei werden sie unter anderem Daten von Teleskopen in Südafrika, den USA und Australien heranziehen. Diese Weltraum-“Kucker“ allein werden geschätzte 750 Petabyte an Daten jährlich generieren, eine Menge, die weit über das hinausgeht, was selbst die 1000 Wissenschaftler, die letztendlich im DZA arbeiten sollen, manuell oder visuell auswerten könnten. Aus diesem Grund ist im neuen Forschungszentrum nicht nur erhebliche Supercomputer-Leistung erforderlich, sondern auch revolutionäre Elektronik zur Datenauswertung, die noch konzipiert und hergestellt werden muss.


Dennoch stellt sich allerdings in der Lausitz schon seit Monaten die Frage, wie denn ein Astrophysik-Zentrum den Kohlekumpeln über den Verlust ihrer heutigen Jobs hinweghelfen soll. Und neben den wegfallenden Arbeitsplätzen in der Kohle dürften auch viele weitere, davon abhängige verloren gehen, die durch Hochleistungsforschung nicht ersetzt werden können. Das ganze Projekt könnte zwar das Image der Region als Wissenschaftsstandort stärken, aber eines ist sicher: Auch mit Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen werden aus den Mitarbeitern der LEAG AG keine Astrophysiker oder Informatiker. Bleibt also zu hoffen, das die Sache nicht als einer der üblichen, politisch forcierten Leuchtturmprojekte bleibt, sondern in fernerer Zukunft tatsächlich Arbeitsplätze für die Menschen vor Ort entstehen.

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  • Erstellt am 09.09.2023 - 13:11Uhr | Zuletzt geändert am 11.09.2023 - 07:40Uhr
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