Digitalisierung in Verwaltung und Betrieb

Digitalisierung in Verwaltung und BetriebGörlitz, 9. Januar 2023. Von Thomas Beier. Alle reden von Digitalisierung, nur so richtig vorwärts will es nicht gehen, in der Verwaltung jedenfalls nicht so, wie vor wenigen Jahren noch gedacht. Unternehmen hingegen müssen selbst entscheiden, ob sie Vorreiter oder Nachzügler sein wollen.

Abb. Der Taschenrechner war für manchen für lange Zeit das Alpha und das Omega der Digitalisierung
Foto: Joachim Schnürle, Pixabay License
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Bundesregierung verfehlt Digitalisierungsziele

Das 2017 verabschiedete Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen – kurz: Onlinezugangsgesetz (OZG) schreibt vor, dass bis Ende 2022 alle Verwaltungsdienstleistungen online verfügbar sein müssen. Dem entgegen stehen Zahlen, die das Vergleichsportal Verivox am 20. Dezember 2022 in einer Mitteilung nannte: "Nur 101 von 579 Verwaltungsleistungen sind derzeit komplett online nutzbar. 143 behördliche Dienstleistungen sind teilweise online abrufbar und 326 Leistungen sind gar nicht digitalisiert."

Mäßige Ergebnisse als Erfolg verkauft

In einem aktuellen Europavergleich der EU-Kommission ist die Verwaltungsdigitalisierung unterdurchschnittlich, Deutschland liegt auf Platz 21 von 35 – Spitzenreiter ist übrigens Malta, gefolgt von Estland. Wie man die bisherige deutsche Verwaltungsdigitalisierung zum Nutzen der Bürger als Erfolg verkauft, das konnte man auf einem Webinar mit veröffentlichter Präsentation des Bundesministeriums des Innern und für Heimat am 15. Dezember 2022 nachvollziehen.

Digitalisierungslösungen Teils von geringer Reife

Insider beklagen, dass digitalisierte Verwaltungsdienstleistungen oft nur darauf hinauslaufen, dass Bürger ihre Angaben eine Maske eingeben können und diese Daten in der Verwaltung zwecks weiterer Bearbeitung erst einmal ausgedruckt werden. Tatsächlich gilt eine Leistung bereits dann als digitalisiert, wenn grundsätzlich online beantragt werden kann, Nachweise jedoch regelmäßig nicht online erbracht werden können. Kann sie vollständig online oder zumindest teilweise digital durchgeführt werden, spricht man von höheren Reifegraden.

Die richtigen Prioritäten finden

Wenn man über Digitalisierung nachdenkt, ergibt sich ein ganzes Bündel an Gedanken, beispielsweise:


    • Sollen Abläufe digitalisiert werden, müssen diese zuvor auf ihre Effektivität überprüft werden. Zumindest muss mit der Digitalisierung eine möglichst hohe Automatisierung von Abläufen einhergehen.

    • Nicht alles technisch Mögliche ist auch sinnvoll oder zweckmäßig. Eine besondere Rolle spielt dabei die Datensicherheit, nicht nur in Bezug auf den Verlust, sondern auch den unerwünschten Zugriff und die Manipulation von Daten.

    • Andererseits werden vorhandene technische Möglichkeiten kaum genutzt. So sehen mangels Anwendungsmöglichkeiten viele den elektronischen Personalausweis als Flopp.

Maß der Digitalisierung im Unternehmen bleibt Entscheidungssache – noch

Das vor Jahren propagierte "papierlose Büro" ist die Ausnahme geblieben, obgleich sich gerade hier die Effekte der Digitalisierung zeigen würden. Im Gegenteil: Oftmals wird in den Büros mehr Papier bedruckt denn je – und es gibt tatsächlich noch Führungskräfte, die sich jede E-Mail zur Kenntnisnahme ausdrucken lassen. Für viele spielt zudem eine Rolle, dass eine papiergebundene Ablage aller wichtigen Dokumente und Belege für ein sicheres Gefühl sorgt, weil doch digital gespeichertes einfach so "weg" sein könnte – was angesichts dislozierter Cloudsysteme eine Fehleinschätzung ist.

Papierverwaltung wird zu teuer

Doch die Kosten und Umweltlasten aus der Papierverwendung für Dokumente sind enorm. Technik, Verbrauchsmaterial und vor allem der benötigte Platz für Archive schlagen zu Buche. Deshalb gehen viele Unternehmen einen anderen Weg und verwalten und bearbeiten Dokumente konsequent nur noch digital:


    • digitaler Posteingang
    • digitale Verwaltung
    • digitale Bearbeitung
    • digitaler Versand
    • digitale Archivierung

Erster Schritt ist der digitale Posteingang

Soll ein digitaler Posteingang eingerichtet werden, dann bedeutet das, alle eingehenden Dokumente zu scannen und an die richtige Stelle zur Bearbeitung zu leiten. Die physische Postlogistik mit ihrem Transportaufwand und Zeitbedarf entfällt und ob sich jemand im Home Office oder im Nebenzimmer aufhält, spielt keine Rolle mehr.

Digitales Dokumentenmanagement entlastet

Wird beim Einscannen eine Software zur Zeichenerkennung (OCR) eingesetzt, können Texte etwa elektronisch durchsucht werden. Wird zudem ein echtes Dokumentenmanagementsystem (DMS) installiert, geht nichts mehr verloren und kann nicht mehr in falsche Hände geraten. Ebenso werden automatisch Aufbewahrungs- und Löschungsfristen eingehalten.

Künstliche Intelligenz

Anzunehmen ist, dass bereits in naher Zukunft künstliche Intelligenz immer mehr Aufgaben der Postbearbeitung übernehmen kann. Denkbar ist das zunächst für die Adresserfassung und den Abgleich mit der Datenbank. Doch auch die Beantwortung von Schreiben wird sich immer mehr zu einer Domäne der künstlichen Intelligenz entwickeln. Wer dann noch kein DMS installiert hat, für den ist der Anschluss erst einmal verpasst. Wer es nicht glauben mag: Künstliche Intelligenz im Vertragswesen ist angesichts schnelllebiger Zeiten bereits ein alter Hut.

Resümee

Aus unternehmerischer Sicht liegt der Schlüssel zum Digitalisierungserfolg in der Nutzung der vorhandenen Möglichkeiten. Vorhandene zukunftsrobuste Lösungen erlauben es, nicht nur einzelne Abläufe zu digitalisieren, sondern ganze Geschäftsmodelle zu transformieren.

Tipp:
Grundlegende Veränderungen im Unternehmen bringen neue Anforderungen an die Organisationsentwicklung mit sich. Es muss mit den Ängsten umgegangen werden, die bei einsetzender digitaler Transformation in Bezug auf die Arbeitsinhalte und Arbeitsplätze entstehen.


Der Autor Thomas Beier hat 1994 im Freien Beruf die auf soft factors spezialisierte Unternehmensberatung Beier Consulting gegründet und 2005 um ein gewerblich geführtes Digitalunternehmen ergänzt.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: Joa70 / Joachim Schnürle, Pixabay License
  • Erstellt am 09.01.2023 - 11:31Uhr | Zuletzt geändert am 09.01.2023 - 13:48Uhr
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