Künstliche Intelligenz im Vertragswesen

Künstliche Intelligenz im VertragswesenGörlitz, 14. März 2022. Von Thomas Beier. Ob es überhaupt künstliche Intelligenz (KI) gibt oder nicht, darüber kann man lange diskutieren. Vielleicht könnte man sich so einigen: Wenn eine Software die intelligente Leistung von Menschen ganz oder teilweise ersetzen kann, weist sich Eigenschaften auf, die der Künstlichen Intelligenz (KI), auch artificial intelligenz (ai) genannt, zuzuordnen sind – und auf diesem Gebiet geht so einiges, wie das Beispiel eines Unternehmens aus Zürich zeigt.

Abb.: Einen Teil der mühsamen Prüfung von Vertragsunterlagen kann Künstliche Intelligenz bereits heute übernehmen
Symbolfoto: Jens P. Raak, Pixabay License
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Rechtstechnologie erlaubt das Checken von Verträgen durch eine Software

Tatsächlich hat das Marketing die Künstliche Intelligenz längst entdeckt, wobei nicht die Anwendungen auf diesem Gebiet gemeint sind, sondern das Label “Künstliche Intelligenz” als neuer Kaufanreiz. Wer für Künstliche Intelligenz Geld ausgibt, sollte etwas genauer schauen was sich im konkreten Fall dahinter verbirgt.

Wirklich interessant neben den Auswirkungen der KI auf den Arbeitsmarkt sind die Anwendungen der Künstlichen Intelligenz im Rechtswesen. Schon vor einigen Jahren hat BeierMedia ein System entwickelt, um rechtliche Risiken bei der Verwendung von Fotos aus Datenbanken zu erkennen und zu bewerten – freilich nur für den Eigengebrauch, weil wir keine Rechtsberatung leisten und weil das Ergebnis eine Risikobewertung darstellt, die keine absolute Aussage über die Rechtssicherheit bei der Bildverwendung bietet, anders gesagt: Über die Konsequenzen der Analyse muss noch immer eine natürliche Intelligenz entscheiden.

Das Beispiel Legartis

Andere Unternehmen sind da viel weiter, so etwa das Schweizer Startup Legartis, genauer gesagt die Legartis Technology AG aus Zürich. Deren Anspruch ist so klar wie herausfordernd: “Das führende LegalTech-Unternehmen zu sein, das juristische Dokumente zum Leben erweckt und Informationen in Dokumenten zugänglich und nutzbar macht – für jeden und in jeder Sprache”, kann man als Mission auf der Webseite des Unternehmens nachlesen.

Was für manchen seltsam klingt, wirkt auf Unternehmer und vertragsverantwortliche Praktiker aus dem Verkauf und dem Vertrieb, aus Einkauf und Beschaffung und auf alle anderen, die ständig Verträge schließen müssen, so etwa Personalverantwortliche, elektrisierend. Selbst Einzelunternehmer ohne Angestellte kennen das Problem rechtlicher Unsicherheiten bei Vertragsabschlüssen. Viele versuchen das zu umgehen, indem sie rechtlich geprüfte Klauseln und Ausdrucksweisen verwenden. Nur zeigt die Praxis: Wird ein Vertrag ausgehandelt, werden nahezu zwangsläufig Klauseln geändert. Eigentlich muss so ein Vertrag vor seiner Bestätigung erneut rechtlich geprüft werden – ein enormer Aufwand an Zeit, die zudem teuer bezahlt werden muss.

Compliance stärken, Aufwand senken

An dieser Stelle setzt Legartis mit seiner KI-Lösung an: Die Software erlaubt es, rechtsverbindliche Dokumente automatisiert zu überprüfen, im Englischen ai contract review genannt. Für Unternehmen unterschiedlichster Größenordnung ist das enorm wichtig, haften sie unter Umständen doch weitreichend für das regelkonforme Verhalten ihrer Mitarbeiter. So gesehen kann die KI-gestützte Vertragsdurchsicht als Teil eines Compliance Management Systems verstanden werden, aber nicht im Sinne eines Mehraufwandes, sondern als Rationalisierungsmaßnahme.

Während Legartis also die Software liefert oder besser gesagt in der Cloud als Software-as-a-Service (SaaS) bereitstellt – anwendungsbereit nach 30 Minuten, wird versprochen – müssen sich Anwender zunächst mit dem sogenannten Contract Playbook beschäftigen. Dies ist so etwas wie die Wissensbasis für die Künstliche Intelligenz zur Vertragsanalyse, ähnlich wie beim Menschen: Ohne gelerntes Wissen ist die höchste Intelligenz nur Vergeudung.

Aus der Praxis

Besonders hohen Aufwand im Vertragswesen kennen vor allem Unternehmen, die ihre Leistungen uno acto – also jedesmal neu – erbringen, typisch etwa in der Unternehmensberatung oder im Sondermaschinenbau. Hinzu kommen jene Anbieter, die besonders kundenfreundlich sein wollen und deshalb nicht auf starre Angebote nach dem Motto “Friss, Vogel, oder stirb!”” setzen, sondern möglichst flexibel auf Kundenwünsche eingehen wollen. Ein dritter Bereich sind Unternehmen, die ihre Konditionen oder ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen immer wieder anpassen müssen, wie man es etwa von Banken kennt.

Hier begleitet die Künstliche Intelligenz de gesamten Vertragslebenszyklus. Der beginnt beim Bekanntwerden eines Bedarf, für den ein Vertragsangebot als Verhandlungsgrundlage erstellt wird. Besteht Einigkeit, wird manuell oder elektronisch unterzeichnet. Nun muss der vertrag erfüllt werden und den nötigen Stellen im Unternehmen zugänglich sein. Nach Vertragsende muss entschieden werden, ob ein neues Angebot – vielleicht auch für andere Kunden – erfolgen soll, also gegebenenfalls neu verhandelt werden muss. Gibt es zunächst keine Vertragsfolgen, zu denen Garantien und die Ersatzteilbereitstellung gehören, wird der Vertrag archiviert, wofür es rechtliche Vorschriften schon allein aus dem Steuerrecht heraus gibt.

Zusammenfassung

Weil die Einführung der ai contract review zur Vereinfachung und damit Beschleunigung von rechtlich bedingten und sich wiederholenden Prozessen führt, werden damit quasi mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen, denn neben der Produktivität profitieren auch die Rechtssicherheit und die Compliance. Dabei werden immer weitere Arten von Verträgen erschlossen, weil sich zum einen die Verarbeitung natürlicher Sprache ständig weiterentwickelt und zum anderen die Software – auch das gehört zur Künstlichen Intelligenz – aus eigenen Fehlen selbsttätig lernt.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: delphinmedia / Jens P. Raak, Pixabay License
  • Erstellt am 14.03.2022 - 10:29Uhr | Zuletzt geändert am 14.03.2022 - 11:53Uhr
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