Bald nun ist Glühweinzeit

 Bald nun ist GlühweinzeitGörlitz, 20. August 2022. Von Thomas Beier. Das bevorstehende Görlitzer Altstadtfest vom 26. bis zum 28. August 2022 dürfte zu den Befreiungsschlägen für Jahrmarktanbieter aller Art – vom Fahrgeschäft über den Ausschank bis zum Händler – gehören. Und der nächste große Höhepunkt ist näher, als man wahrhaben möchte: Der Schlesische Christkindelmarkt zu Görlitz vom 2. bis zum 18. Dezember.

Abb.: Kombinierte Glühwein-Abgabestelle "Drachenfeuer" in der Freien Republik Schwarzenberg
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Glühwein-Verkauf, ein gutes Geschäft

Je nach Angebot erweist sich für die Anbieter ein Stand auf solch einem großen Stadtfest als Verlustgeschäft oder als Goldgrube. Zu letzteren zählen regelmäßig etwa die Getränkestände – und unter diesen auf den Weihnachtsmärkten die Glühweinstände.

Mal ehrlich: Wenn über eine Übergewinnsteuer diskutiert wird, dann müssten die Betreiber der Glühweinstände vielleicht zu den Ersten gehören, denen ein entsprechender Steuerbescheid ins Haus flattert: Welche Anbieter außer jenen von Glühwein machen so hohen Umsatz pro Verkaufseinheit bei so wenig Wareneinsatz und technischem Aufwand?

Glühweinpreis proportional zum Energiepreis? Das ist naheliegend

Auf die diesjährigen Glühweinpreise darf man gespannt sein, immerhin handelt es sich ja um einen Energieträger, der zudem Ausgleich für kühle Stuben und so gesehen ein Erdgasersatzstoff ist. Üblich waren bislang ungefähr 2,50 bis 4,50 Euro, wobei sich der Glühweinpreis immer wieder als hervorragender Indikator für die Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes erweist: Je schwächer die Wirtschaft, umso geringer die Kaufkraft und desto billiger der Glühwein – was angesichts der Margen für die Händler nicht wirklich das Problem ist.

Hinzu kommt: Etliche Anbieter unterliegen der Versuchung, doppeltes Spiel zu betreiben. Da werden einerseits die Preise so weit hochgezogen, bis Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit des Publikums absolut ausgereizt sind, andererseits wird bei den Kosten gespart, wo es nur irgend geht. Das ist schon doof, wenn vor der Bude der Glühwein als selbstgemacht und lecker angepriesen wird und dahinter im Abfallsack die Glühweinkartons einer Billigmarke durchschimmern. Es muss doch besser zu machen sein!

Von Bayern lernen

In der Wirtschaft ist die vergleichende Betrachtung ja immer wieder ein Quell des Fortschritts. So kann man in München das Oktoberfest besuchen und sich der Gaudi hingeben, insbesondere sich mit ein paar Maß Bayernbier ruinieren – nicht die Gesundheit, dazu reicht’s nicht, sondern das Portemonnaie. Schlauer ist es jedoch, den Aufenthalt zu nutzen, um einmal die logistischen Abläufe des absatz- und umsatzfreudigen Festes unter die Lupe zu nehmen.

Schnell zeigt sich: Versorgungsengpass – ein seit dem Untergang der sozialistischen Unwohlstandsgesellschaft ausgestorben geglaubtes, doch wieder Auferstehung feierndes Wort – ist die Zapfanlage, es dauert halt, bis a g’scheidts Bier gezapft ist. Was heißt das nun für den Glühweinausschank? Das wiederum kann man auf den sächsischen Weihnachtsmärkten studieren. Hier fließt der rote, manchmal weiße und als Standard alkoholhaltige Magen-, Herz- und Seelenerwärmer meist aus elektrisch beheizten Kesseln, wie sie auch zum Einkochen verwendet werden.

Technologiekritik und Lösung

Wer als Anbieter das Potential des Glühweinverkaufs ausreizen möchte, wird bei näherer Betrachtung durch die Heiz- und Warmhaltekessel-Technologie ein Stück weit ausgebremst: Der Kessel muss ständig auf Temperatur gehalten und überhaupt erst aufgeheizt werden, außerdem sinkt beim Nachkippen die Temperatur. Der für viele wichtigste Glühweinbestandteil, der Alkohol, verfliegt mit zunehmender Erwärmung umso leichter; der Super-GAU tritt ein, wenn der Glühwein zu kochen beginnt. Die größte Umsatzbremse ist jedoch die Tatsache, dass so ein einfacher Glühweinkessel nur einen einzigen Hahn hat – und der erfüllt seinen Zweck nur durch die Schwerkraft, will sagen: Es läuft langsam, viel zu langsam.

Wie war das doch gleich auf dem Oktoberfest? Auch dort ist die Zapfanlage der Engpass, der allerdings durch die Zahl der Zapfhähne ausgeglichen wird. Spielen wir also Hesses Glasperlenspiel und übertragen das auf dem Oktoberfest Gesehene auf den Glühweinstand – und plötzlich liegt es auf der Hand: Soll bei Andrang mehr verkauft werden, braucht man nicht eine höhere Anzahl von Glühweinkesseln, sondern mehr Zapfhähne! Und überhaupt: Warum soll man den Glühwein ständig heiß halten, wenn die Hitze doch erst im Moment des Ausschanks gefragt ist?

Die Lösung liefert die Ingenieurskunst: Eine Zapfanlage für Glühwein! Leistungsfähige Glühweinerhitzer nach dem Durchlauferhitzer-Prinzip können nicht nur mehrere Zapfstellen – auch mit unterschiedlichen Getränken – versorgen, sondern arbeiten mit Pumpen, die für einen schnellen Durchfluss sorgen. Jeder vernunftbegabte Weihnachtsmarktbesucher, für den dieser Aufenthalt ohne Glühwein undenkbar ist, stellt sich gewöhnlich dort an, wo die Schlange am kürzesten ist – und dass es einen Zusammenhang zwischen kurzen Schlangen und hoher Ausschankproduktivität gibt, das leuchtet ein – wenn die Qualität stimmt.

Resümee

Man braucht gar nicht den oft beschworenen und mittlerweile von vermeintlichen "Kreativen" verschlissenen Begriff der Kreativität, um neue Ideen hervorzubringen. Oft reicht es, Gemeinsamkeiten zwischen auf den ersten Blick unterschiedlichen Bereichen zu finden und zu vergleichen.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: © haltepunkt-erzgebirge.de
  • Erstellt am 20.08.2022 - 08:32Uhr | Zuletzt geändert am 20.08.2022 - 11:29Uhr
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