Aktive Kundengewinnung auch in der Kreativwirtschaft nötig
Görlitz, 13. September 2020. Von Thomas Beier. Die Corona-Pandemie und vor allem die Maßnahmen gegen deren Ausuferung haben tief ins Wirtschaftsleben eingegriffen. Mancher ist versucht, Unternehmen in “relevant” und “nicht relevant” einzuteilen – eine Herangehensweise, die schon im Ansatz falsch ist und nicht nur Selbständigen in Kunst und Kultur bis hin zur wirtschaftlichen Existenzvernichtung zu schaffen macht.
Kreativwirtschaft mit hoher Wertschöpfung, aber nicht krisenfest
Die Daseinsberechtigung von Unternehmen speist sich aus zwei Quellen: Zunächst sind da jene Unternehmen, die Kunden haben, die ihre Leistungen so bezahlen, dass sie einen ausreichenden Gewinn erwirtschaften – vorausgesetzt natürlich immer, dass sich diese Unternehmen auf dem Boden von Recht und Gesetz bewegen und die für sie geltenden Vorschriften einhalten. Hier stellt sich die Frage nach der Relevanz des Unternehmens überhaupt nicht, im Gegenteil erfüllen sie ihre soziale Funktion, ob es sich nun um einen Solounternehmer handelt oder einen Konzern mit tausenden Angestellten, und zahlen Abgaben wie etwa die Gewerbesteuer zu Gunsten des Gemeinwesens.
Relevanz zubilligen kann man hingegen Unternehmen etwa auf dem Gebiet der kommunalen Dienstleistungen oder der Gesundheitswirtschaft: Ohne sie wäre die Lebensqualität schnell drastisch eingeschränkt. Allerdings sind diese Unternehmen auch in der Krise kaum wirtschaftlich bedroht, finanzieren sie sich doch zumindest zum allergrößten Teil durch Gebühren oder Krankenkassenbeiträge. Anders sieht es in den Bereichen der Kreativwirtschaft aus, die neben wirtschaftsnahen Dienstleistungen wie beispielsweise im Design vor allem für Kunst und Kultur steht inklusive der Veranstaltungswirtschaft steht. In Bezug auf die Bruttowertschöpfung lag die Kultur- und Kreativwirtschaft in Sachsen bis zur Coronakrise hinter dem Maschinenbau auf dem zweiten Platz, gefolgt von Energiewirtschaft und Chemischer Industrie. Doch dem Jubel folgte die Ernüchterung, denn als krisenfest in Zeiten von Corona erwies sie sich keineswegs.
Künstler müssen sich ihre Kunst leisten können
Das ist Wasser auf die Mühlen jener, die Kunst und Kultur als abhängige Folgeerscheinung von Wirtschaft definieren. "Kultur muss man sich leisten können", ist zwar nicht selten zu hören, dennoch kein Ausdruck höherer Intelligenz. Davon abgesehen, dass ohne Kultur im weitesten Sinne keine Wirtschaft möglich wäre, haben kluge Künstler und Leute im Kulturbereich längst erkannt: Wenn man seine Kunst ausüben möchte, muss man sich das leisten können – aber selbst. Dem entgegen glauben viele, Praktisch bedeutet das, entweder kann man von seiner Kunst leben oder man muss etwas tun, von dem man leben kann, um damit sein Künstlertum zu finanzieren. Mit solchen Aussagen provoziert man ein tausendfaches "Ja, aber…" und freilich gibt es Bereiche, die ohne Subventionen nicht auskommen. Dennoch: Von Eigeninitiative angestellter Schauspieler und Musiker, die in der Krise nach Hause geschickt wurden, auf eigene Kappe Geld zu verdienen, war nichts zu spüren.Da passt auf den ersten Blick ins Bild, dass auf der Webseite von "Kreatives Sachsen" zwar Hilfen für die Kultur- und Kreativwirtschaft aufgelistet werden. Wer etwas weiterstöbert, findet jedoch auch für die Selbstvermarktung hilfreiche Veranstaltungen, beispielsweise für Musiker. Hier erfolgt ein Wissensinput durch Insider; das ist tausend Mal besser als der organisierte Gedankenaustausch der Hilflosen.
Kulturbranche von Coronaauflagen besonders drangsaliert?
Beleuchtet die Situation der Branche näher, fallen zwei Eigentümlichkeiten ins Auge: So scheinen kulturelle Veranstaltungen besonders scharfen Auflagen im Zuge der Infektionsvermeidung zu unterliegen und es steht die Frage, ob sie wegen ihrer “Nichtrelevanz” zur Spielwiese der Risikovermeider geworden sind. Wem leuchtet ein, dass der touristische Massentransport in Gebiete mit höherer Ansteckungsgefahr als sie für viele zu Hause besteht möglich ist, für einen Theaterbesuch jedoch Auflagen bestehen, die einen Theaterbetrieb fast unmöglich machen.Ein Beispiel: In einem Theater müssen die ersten sechs Sitzreihen unbesetzt bleiben, dann dürfen jeweils nur zwei Besucher nebeneinander sitzen, mit Mindestabstand dann die nächsten, zwischen den auf diese Weise besetzten Sitzreihen bleibt jeweils eine leer. Warum geht das nicht flexibler? Familien, die in einer gemeinsamen Wohnung leben, Freundeskreise, die gemeinsam im Bus anreisen: Warum können wenigstens nicht die zusammensitzen? Bei Kunst und Kultur handelt es sich doch nicht nur um Amüsierbetriebe, sondern sie sind – und darum geht es – Plattformen für die gesellschaftliche Verständigung, wie sie gerade in der Krise dringend nötig sind.
Künstler ohne Kunden? Das nennt man Hobby
Anders die Situation der Soloselbständigen: Viele von Ihnen sind nie den harten Weg der Akquisition gegangen, wie er ja bei Freiberuflern nicht üblich ist. Natürlich ist es bequemer, wenn ein Kunde kommt und etwas will, wenn man in Projekte involviert wird oder sich einem Verein anschließt, der den Förderstellen mundgerechte Projektanträge schreibt. Doch in der Krise zeigt sich, wer in der Lage ist, auf Kunden zuzugehen oder auf eingespielte Kundenbeziehungen setzen kann.Gerade für kleinere Betriebe ist es das A und O, die Kunst der Akquisition selbst zu beherrschen. Gern wird ausgewichen auf Werbung, raffiniertes Funnel-Marketing auf Webseiten oder Mailings – alles nur, um dem Kunden möglichst nicht direkt zu begegnen. Dabei ist es der effektivste Weg, einfach hinzugehen zum Wunschkunden, am besten ohne Terminvereinbarung. Der gern gelehrte Weg, erst seinen Anruf mit einem Brief anzukündigen, dauert viel zu lange. “Senden Sie es bitte noch einmal, schicken Sie doch erst einmal etwas Ausführlicheres – was die Hölle ist, wenn man noch gar nicht genau weiß, was der Kunde brauchen könnte – oder rufen sie in einem halben Jahr noch einmal an”, das sind typische Reaktionen, die letztlich zu nichts führen. Also einfach hingehen! Was soll schon schiefgehen? Entweder hat der Kunde Zeit für ein Gespräch, dann ist das Ziel des ersten Schrittes erreicht. Oder er hat eben keine Zeit, dann wird eben ein Termin vereinbart. Weshalb man dazu persönlich erscheint? Na, weil sich ein seriöser Verkäufer erst einmal vorstellt, bevor er einen Termin vereinbart.
In welchem Maße man so vorgeht, hängt vom Geschäft ab. Wer wenige Kunden mit großen Auftragsvolumina benötigt, für den ist die "Einfach-Hingehen-Methode" besonders praktikabel. Sind es hingegen viele Kunden, sollte man es gelegentlich dennoch tun, lernt man dabei doch viel über seine Kunden und deren Bedürfnisse. Vor allem aber, wenn man nicht nur relativ viele Kunden benötigt und die zudem noch weit entfernt sind, kommen Dienstleister für die Neukundengewinnung ins Spiel. Mit ihrer Hilfe gelingt es, die eigene Organisation überschaubar zu halten und zugleich externe Verkaufskompetenz zu nutzen.
Wer Einnahmen sichert, löst viele Probleme zugleich
Zurück zu Kunst und Kultur: Nicht nur hier fallen viele Gründungsvorhaben bei einem ersten Plausibilitäts-Check durch, weil zwar mit viel Fantasie aufgelistet wurde, was man alles tun könnte und die für das Geschäft entstehenden Kosten minutiös zusammengetragen und optimiert wurden, aber der springende Punkt, wie man den jemanden findet, der für die gebotenen Leistungen freiwillig Geld ausgibt, allenfalls nur vage umschrieben wird. Andersherum wird ein Schuh daraus: Sind der Absatz und damit die Einnahmen so plausibel dargestellt, dass sie grundsätzlich als gesichert angenommen werden können, dann kann über den Kostenrahmen nachgedacht waren. Primär immer nur an den Kosten zu sparen, das macht nämlich auch nicht glücklich.Dass es nicht einfach ist, sich gerade als Künstler oder in Kulturbereich zu vermarkten, liegt auf der Hand. Doch auch in anderen Branchen ist das so, Existenzgründer sollten kalkulieren, dass sie anfangs um die 40 Prozent ihrer Zeit für die Kundengewinnung aufbringen müssen – Zeit, die nicht bezahlt wird, aber Kosten verursacht. Umso wichtiger ist es, nicht allein über den Verkauf seiner Leistungen nachzudenken, sondern eine Markteinstiegsstrategie nach dem Zwei-Phasen-Modell zu entwickeln. Die alten Chinesen haben noch immer recht: Lerne und überlege – nach und nach kannst du tun, was du willst. Zum Beispiel Kunst machen.
Der Autor ist freiberuflicher Unternehmensberater und gewerblicher Digitalunternehmer.
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- Quelle: red | Foto: © Görlitzer Anzeiger
- Erstellt am 13.09.2020 - 08:33Uhr | Zuletzt geändert am 25.05.2022 - 21:48Uhr
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