Preisverdächtige Lausitzer Innovationen

Preisverdächtige Lausitzer InnovationenWeißwasser / Běła Woda | Cottbus / Chóśebuz, 2. März 2020. Wo, ist noch unklar, nur der Termin steht fest: Am 10. Juni 2020 soll der "Lausitzer WissenschaftsTransferPreis" verliehen werden. Zweck des Preises ist es, die Potenziale der bestehenden Kooperationen und Wissenschaftstransferprozesse zwischen Hochschulen und Lausitzer Unternehmen herauszustellen.

Bei den Technologien der Zukunft reden gern viele mit. 2019 musste Vestas in der Rotorblätterfertigung für Windkraftanlagen in Lauchhammer (Landkreis Oberspreewald-Lausitz) 500 Stellen streichen, fast die Hälfte der Arbeitsplätze. Hintergrund sind energiepolitische Entwicklungen, die den Windkraftausbau in Deutschland im ersten Halbjahr 2019 fast zum Stillstand gebracht haben. Innovationspolitik sieht anders aus.
Archivbild: © Görlitzer Anzeiger
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Sieben Innovationsprojekte nominiert

Es sind sieben Innovationsprojekte aus der Lausitz, die eine Chance auf den Lausitzer WissenschaftsTransferpreis (LWTP) 2020 haben. Datiert ist der Preis mit insgesamt 10.000 Euro, ausgeschrieben von der Wirtschaftsinitiative Lausitz (WiL). Der erste Preis, der die Hälfte der Summe beansprucht, ist für das wettbewerbsjahr 2020 von der Sächsischen Aufbaubank gestiftet worden.

Jürgen Fuchs ist der Vorsitzende der Geschäftsführung der BASF Schwarzheide GmbH und zugleich Vorsitzender der Jury, die den Preis zuerkennt; er fasst das Anliegen der Preisverleihung zusammen: "Die in diesem Jahr der Jury vorgestellten Projekte für den Lausitzer WissenschaftsTransferpreis machen deutlich: Es gibt in allen Branchen und Regionen der Lausitz kleine und mittlere Unternehmen, die in Forschung und Entwicklung investieren und sich dazu starke Partner ins Boot holen. Genau diese Vielfalt von Innovationen brauchen wir in der Lausitz. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass es gerade für die KMU eine Herausforderung ist, neben dem Tagesgeschäft Zeit, Personal und Geld für Forschung und Entwicklung aufzubringen. Mit dem LWTP wollen wir gute und erfolgreiche Beispiele aufzeigen, die belegen, dass sich der Aufwand lohnt und damit Unternehmen ermutigen, es den heute vorgestellten Bewerbern gleichzutun."

Für den Lausitzer WissenschaftsTransferpreis 2020 sind nominiert:

    • Kreisel GmbH & Co. KG, Sitz Krauschwitz / Krušwica, mit der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg, Fachgebiet Werkzeugmaschinen:
      Entwicklung eines Prüfstandes zur Bestimmung des erosiven Verschleißes von Schüttgütern
      Der Anlagenbauer Kreisel in Krauschwitz / Krušwica ist das, was man einen Hidden Champion nennt. Hier beschäftigt man sich seit 1912 mit Prozessen rund um Schüttgüter. Mit dem neu entwickelten Prüfstand Förder- und Logistikprozesse weiter optimiert werden, da die Verschleißeigenschaften – sprich der Abtrag durch die transportierten Schüttgüter – direkten Einfluss auf die Lebensdauer der Anlagen haben. Kleiner Fauxpas im Projekttitel: Es geht demnach offenbar nicht um den Verschleiß von Schüttgütern, der während ihres Handlings eintritt, sondern um den Anlagenverschleiß durch Schüttgüter.

    • Duräumat-Agrotec Agrartechnik GmbH mit Sitz in Neupetershain Nord (Niederlausitz) mit BTU Cottbus-Senftenberg, Fachgebiet Werkzeugmaschinen:
      Automatisierung der Euterpflege
      Die Duräumat-Website stellt auf den ersten Blick klar,worum es geht: Vor dem Hintergrund fressender Kühe wird erklärt: "Im Zentrum unserer Arbeit steht Ihre Zufriedenheit. Ach so, "Ihre" ist ja großgeschrieben, also geht es um den Besucher des Internetauftritts. Um die Kühe geht es aber zweifelsohne bei der Euterpflege: Entwickelt wurde eine automatisierte Eutersprühvorrichtung, die es unabhängig von Ort und Zeit ermöglicht, die höchstpersönliche Zapfanlage jeder Kuh zu säubern. Das verbessert die Vorbeugung gegen Erkrankungen der Tiere und stabilisiert die Milchqualität.

    • Metalltechnik Großenhainer Maschinenbau GmbH mit BTU Cottbus-Senftenberg, Institut für Medizintechnologie und dem Lehrstuhl für Maschinenbau und Konstruktionstechnik:
      Lagesensorgesteuerter Leichtbau – Aktivlifter für den Einsatz im ambulanten Pflegebereich
      Am Projekt der findigen Großenhainer Matalltechniker und Machinenbauer ist als Lausitz-Komponente die BTU Cottbus-Senftenberg beteiligt. Entwickelt wurde ein 18 Kilogramm leichter Pflegelift, der mobil einsetzbar ist und bis zu 130 Kilogramm heben kann. In der ambulanten Pflege dürfte sich der Lift, der womöglich eine Marktlücke schließt, als ein wichtiges Hilfsmittel – etwa beim Transport Pflegebedürftiger – erweisen.

    • KommWohnen Service GmbH, Sitz Görlitz, mit der Hochschule Zittau/Görlitz, Institut für Gesundheit, Altern und Technik:
      Assistenztechnologien zur Erhöhung der Lebensqualität älterer Menschen in der Häuslichkeit, am Arbeitsplatz und bei der Pflege
      Der KommWohnen Service GmbH, Teil der städtischen KommWohnen-Unternehmensgruppe, geht es darum, technische Assistenzsysteme in den Alltag älterer Menschen zu integrieren, um deren Lebensqualität zu verbessern. Die entwickelten Technologien werden in einer Einrichtung für seniorengerechtes Wohnen getestet und weiter optimiert.

    • MB-LUX GmbH Rolladenbau, Sitz Wildau bei Berlin, mit Technische Hochschule Wildau, Fachgebiet Werkzeugkonstruktion:
      Machbarkeitsstudie zur Konstruktion einer mobilen Transportvorrichtung für Markisen und Terrassendächer
      Die Wildauer Rolladenbauer sind so etwas wie Beutelausitzer, weil der Landkreis Dahme-Spree, in dem die Stadt liegt, zum Einzugsgebiet der Wirtschaftsregion Lausitz gehört. Die hier entwickelte Innovation ist ein "mobiler Transportwagon", womit vermutlich ein Wagen gemeint ist, dessen Mobilität in der Natur der Sache liegt. Das wirklich Besondere an diesem Transportgerät ist jedoch, dass es für die Montage von Markisen und Terrassendächern ausgerüstet ist. Das erleichtert den Umgang mit großen und schweren Teilen und Baugruppen und spart Zeit.

    • GMB GmbH mit IURS e.V. und BTU Cottbus-Senftenberg:
      Projektentwicklung für nachhaltige Lausitzer Bergbaunachfolge
      Die GMB GmbH aus Senftenberg / Zły Komorow, das Institut für Umwelttechnik und Recycling Senftenberg e.V. (IURS) und die BTU haben unter anderem ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich saure Tagebaugewässer neutralisieren lassen. Im Vergleich zu den bisher eingesetzten Methoden soll es deutlich wirkungsvoller sein. Weitere neue technische Verfahren dienen der Rekultivierung von Tagebauen.

    • ETAPART AG mit BTU Cottbus-Senftenberg, Fachgebiet Polymerbasierter Leichtbau:
      Entwicklung eines neuartigen und modularen Leichtbau-Solar-Luft-Kollektor-Systems für Belüftungs- und Heizungsanlagen in monolithischer Kunststoffbauweise
      Die Bauart des neuartigen Solar-Luft Kollektors der ETAPART AG aus Rottenburg am Neckar, einem Spezialisten für Hallenheizungen, der seit 1991 eine Niederlassung in Tröbitz inmitten des Naturparks Niederlausitzer Heidelandschaft betreibt, soll eine optimale Aerodynamik bieten. Die Fertigung aus Kunststoff anstelle von Metall erspart bis zu 87 Prozent an Gewicht, wobei hoffentlich die Abwägung zwischen Gewichtsreduzierung und Umweltbelangen einbezogen wurde.

Mit dem Wort Innovation, das doch im engeren Sinne nur die Realisierung neuer Ideen umfasst, wird gern die Erwartung an einen technologischen Durchbruch, an einen Sprung zu ganz neuen technologischen Lösungen verbunden, weshalb man mit dem Begriff sparsam umgehen sollte. Die vorgestellten Projekte für den Lausitzer WissenschaftsTransferPreis sind allesamt ingenieurtechnische Entwicklungen, also der Job von Ingenieuren, deren Beruf auf "sinnreiche Erfindungen" (ingenium) ausgerichtet ist. Ingenium steht übrigens auch für Temperament, das so manchem trockenen Techniker zu wünschen ist, damit sich sein Genie (ingeniere) entfalten kann.

Der Wert des LWTP besteht ohne Zweifel darin, kleinere und mittlere Unternehmen zu ermutigen, mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen zusammenzuarbeiten. Gerade in Sachsen, einem deutschen Urland des technischen Fortschritts, heißt es, am Ball zu bleiben.

Mehr Lausitz:
Ein Essay von Cornelius Pollmer über Hoffnung und wider die Ideenlosigkeit und Inkompetenz, mit der von der Politik und ihren eingesetzten Akteuren die Chancen des sogenannten Strukturwandels und der Digitalisierung verspielt werden.

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  • Quelle: red | Foto: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 02.03.2020 - 08:29Uhr | Zuletzt geändert am 02.03.2020 - 11:22Uhr
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