Neue Maßstäbe für die Geschäftsgründung

Neue Maßstäbe für die GeschäftsgründungGörlitz, 6. Februar 2020. Von Thomas Beier. Nach mehr als 25 Jahren als selbständiger Unternehmensberater hat man so seine Erfahrungen, was geht und was nicht, wenn jemand ein Geschäft, vielleicht sogar in Görlitz, eröffnen möchte. Wobei: Die Branche, in der man loswirtschaften möchte, ist gar nicht so wichtig, es kommt vor allem auf eins an: Den Gründer oder die Gründerin selbst.

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Foto: © Görlitzer Anzeiger
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Unternehmer mit Anspruch auf Work-Life-Balance

Unternehmer mit Anspruch auf Work-Life-Balance
Der wahre Luxus besteht nicht in materiellem Reichtum, sondern in der Zeit, die man für seine Selbstverwirklichung zur Verfügung hat
Symbolfoto: Skica911, Pixabay License

Während früher neben Unternehmergeist auch die Frage nach der Bereitschaft stand, mehr Arbeitszeit einzusetzen als Angestellte, gibt es gerade hier neuere Entwicklungen: Unternehmensgründer erheben heute Anspruch auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Das bekommen vor allem jene Unternehmer zu spüren, die ihren Betrieb an ihre Kinder weitergeben möchten. Die sagen oft: "Nö, so krumm machen wie du wollen wir uns nicht. Wir suchen uns lieber einen Job mit geregelter Arbeitszeit und ohne diese drückende Verantwortung."

Vor diesem Hintergrund orientieren sich moderne Gründungskonzepte immer öfter an smarten Unternehmen, bei denen für den Unternehmer von Montag bis Freitag fünf oder sechs Stunden Arbeitszeit ausreichen, um den ganzen Laden zu schmeißen, wie man landläufig sagt. "Das geht doch gar nicht!", werden erfahrene Unternehmer einwerfen und daran denken, dass besonders in kleinen Unternehmen oftmals nur – wenn überhaupt – für die halbe Arbeitszeit eine Rechnung geschrieben werden kann, also nur wenige Stunden des Arbeitstages vergütet werden – der Rest der Zeit wird mit Tätigkeiten verbracht, die kein Geld bringen oder sogar Geld kosten und oft genug das Wochenende beanspruchen wie etwa Buchführung und Steuererklärungen, Angebote erstellen, Verträge formulieren, Rückfragen und Reklamationen bearbeiten, sich mit der Computertechnik herumärgern, fachlich am Ball bleiben und vieles andere mehr. Schon deshalb kann man übrigens den Stundensatz eines Unternehmers nicht mit dem eines Angestellten, der nach Anwesenheitszeit bezahlt wird, vergleichen.

Smarte Kleinunternehmen, die sehr stark die Lebensqualität des Unternehmers berücksichtigen, was auch seiner Familie zugute kommt, sind also hochinteressant. Doch wie realisiert man so etwas?

Das Unternehmen smart machen

Neben einer Geschäftsidee mit ausreichend hohen Ertragsaussichten stehen vor allem die Standardisierung und Rationalisierung von Geschäftsprozessen im Fokus. Hier haben Bestandsunternehmen, bei denen sich Abläufe teils über Jahrzehnte eingeschliffen haben, riesige brachliegende Potenziale. Will man solche Abläufe verändern (manchmal entfallen sie ganz), ist die Gegenwehr regelmäßig beträchtlich: "Das haben wir schon immer so gemacht, das hat sich bewährt! Das geht nicht anders!" Oftmals steckt hinter den Argumenten die Angst vor einem Kontrollverlust, weil etwas, das man physisch in der Hand halten konnte oder wenigstens am Bildschirm noch selbst steuern konnte, nun vom Computer selbsttätig übernommen wird. Oft gehört dazu, dass der PC ohne menschlichen Einfluss in der Cloud hinterlegte Daten oder Software nutzt oder Banken per HBCI-Banking Anweisungen erteilt.

Letztes Gegenargument ist dann häufig: "Das wird viel zu teuer, außerdem verlieren wir unsere Flexibilität!" – Ja, man muss schon überlegen, was man realisiert und was lieber nicht. Letztlich ist es gerade in kleineren Unternehmen eine Frage des praktischen Projektmanagements, erfolgversprechende und mit wenig Aufwand – oft reicht vorhandene oder kostenlos verfügbare Standardsoftware, eventuell ergänzt durch weitere Module – realisierbare Lösungen zu schaffen. Erste Ansätze bietet immer wieder die Verwaltung, vom Schriftverkehr über die Datenverfügbarkeit bis hin zur Buchhaltung. Der geschulte und erfahrene Blick des externen Beraters in Verbindung mit seiner Vorgehensmethodik lässt hier mehr erkennen als der oft verengte Blickwinkel des Unternehmers, der sich zudem kaum vom Alltagsstress freimachen kann.

Die smarte Geschäftsidee

Für Unternehmer in spe besteht die eigentliche Kunst jedoch darin, eine Geschäftsidee zu finden, die den eigenen Interessen und Potenzialen entspricht und so Spaß an der Arbeit verspricht – die "Qualen der Arbeit" sollte man getrost anderen Leuten oder noch besser Maschinen überlassen. Woran kann sich also orientieren, wer gern auf eigene Rechnung arbeiten möchte? Dazu eine Auswahl erfahrungsgemäß wichtiger Punkte (natürlich kann im Einzelfall alles ganz anders sein, es geht an dieser Stelle um grundsätzliche Überlegungen):
    • klein anfangen und mit seinen Kunden wachsen – wer am Anfang möglichst wenig investiert hat weniger Risiko, aufs falsche Pferd zu setzen und kann sein Unternehmen im Laufe der Zeit passgenauer nach den Erfordernissen der Kunden aufbauen
    • lieber Leistungen vermitteln als selber erbringen – viele Unternehmer suchen Aufträge und erreichen ihre möglichen Kunden nur schwach; wer sich jedoch auf die Kunden konzentriert (ergo andere Unternehmen die Leistung erbringen lässt), hat tendenziell mehr Erfolg beim Kunden, es entsteht eine arbeitsteilige Win-Win-Situation
    • auf Bereiche setzen, in denen möglichst viele individuelle Anforderungen bestehen, die von größeren Unternehmen nicht bedient werden können
    • die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit der Zielgruppe kritisch betrachten

Grau ist alle Theorie, deshalb Beispiele: Wer Schaumstoffeinlagen herstellt, kann die nötige Technik nach und nach anschaffen, mit Einzelstücken oder Kleinserien beginnen und sein Geschäft schrittweise ausbauen. Eingesetzt werden Einlagen und Formstücke aus Schaumstoff zur Produktpräsentation, für Ordnungszwecke wie etwa in Werkzeugkoffern oder für Aufbewahrungs- und Transportzwecke. Dämpfungseigenschaften machen sie unverzichtbar für Medizingeräte, Messtechnik und Elektrogeräte. Der Online Handel mit seinen Ansprüchen an einen sicheren Transport ohne Warenbeschädigung bis zum Endkunden hat die Nachfrage nach angepassten Lösungen auf diesem Gebiet weiter befeuert.

Das Gegenbeispiel lieferte ein angehender Fotograf, der meinte, er müsse erst einmal 20.000 bis 25.000 Euro investieren, bevor er sein Geschäft gründen könne. Allerdings hatte er noch keinerlei Vorstellungen, welche Aufträge auf ihn zukommen würden oder auf welche Fotografien er sich spezialisieren wollte. Es liegt jedoch auf der Hand, dass es ein grundlegender Unterschied ist, ob man im Studio Portrait- oder Sachaufnahmen anfertigen möchte, Architekturaufnahmen in der Stadt macht oder sich als Natur- oder Reportagefotograf versucht. Am allerentscheidensten ist jedoch die Notwendigkeit, überhaupt erst einmal Aufträge zu akquirieren und so sprichwörtlich den Fuß in die Tür bzw. den Markt zu bekommen. Es reicht anfangs also eine Grundausstattung, die zunächst nicht einmal besonders hochwertigen professionellen Ansprüchen genügen muss; wird doch einmal besondere Technik benötigt, kann man einen Verleih nutzen oder meist recht schnell die Anschaffung tätigen. Strategisch küger ist es also zu schauen, auf welchen Gebieten sich Aufträge einpegeln und erst dann die passende Technik anzuschaffen.

Die Preisfrage

Wer sein Unternehmen smart führen möchte, kann sich nicht auf Preiskämpfe einlassen – ganz im Gegenteil, hier sind gesunde Margen gefragt. Für hohe Preise reichen hochqualitative Produkte und Dienstleistungen jedoch nicht aus, sondern es kommen weitere Faktoren ins Spiel. Dazu gehört, sein Geschäft mit den Augen der Kunden zu sehen und deren Problemlösungen zu erkennen, selbst wenn die Kunden selbst noch gar nicht soweit denken. Außerdem muss der Unternehmer glaubwürdig, vor allem nicht nur oberflächlich freundlich sein. Besonderen Stellenwert haben Situationen, in denen der Kunde in Schwierigkeiten steckt: Wird ihm dann geholfen, entsteht hohe Kundentreue. Anders im Beispiel, das eine Autowerkstatt lieferte, die ihre Servicemitarbeiter zwar auf die Rituale des freundlichen Umgangs mit Kunden trainiert und ihre Kunden ständig nach ihrer Zufriedenheit befragt, aber völlig versagt, wenn der Kunde eine Panne hat und anruft. Was nützt die freundlichste Stimme, wenn die Auskunft an den Störfaktor Kunde lautet: "Die Kollegen machen gerade Schichtübergabe und rufen dann zurück!" (was im konkreten Fall nicht erfolgte) oder – gleiche Werkstatt, anderer Fall – die naseweise Auskunft kommt: "Da wird wohl was kaputt sein!"

Entscheidend ist es, sich an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren. Wer das versteht, erschließt sich immer einen Markt, denn die Bedürfnisse werden ja nicht weniger. Sie liegen jedoch nicht in der originären Leistung (die wird als selbstverständlich vorausgesetzt), sondern in Faktoren, die den Kunden rundum zufrieden machen und sogar begeistern. Dazu aber bedarf es weitergehender Kenntnisse auf dem Gebiet der Kundenpsychologie, die gut ausgebildete Berater für die Geschäfte ihrer Kunden anwenden.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto Laden: © Görlitzer Anzeiger, Foto Mädchen: Skica911, Pixabay License
  • Erstellt am 06.02.2020 - 09:20Uhr | Zuletzt geändert am 22.04.2022 - 13:33Uhr
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