Wahlkampfzeiten sind aufschlussreich

Wahlkampfzeiten sind aufschlussreichGörlitz, 11. September 2021. Fürs Volk, das letztendlich die Konsequenzen der Bundespolitik zu (er)tragen hat, sind Wahlkampfzeiten immer aufschlussreich: Es sind Zeiten des großen Schaulaufens der Parteien. Der Wähler kann das als Orientierung nutzen und versuchen, hinter die Fassaden mehr oder weniger freundlich dreinguckender Kandidaten zu schauen.

Abb.: Zum Glück gibt es das nur an der Autobahn und nicht politisch: Am roten Ufer auf blauem Grund
Foto: © BeierMedia.de
Anzeige

A- und B-Noten für Politiker

Mehr noch: Warum nicht wie im Eiskunstlauf eine A- und eine B-Note vergeben? Im Anschluss an eine Runde mit den Direktkandidaten für den Deutschen Bundestag aus dem Landkreis Görlitz, die der Görlitzer Unternehmerverband vorgestern in der Markersdorfer Ortschaft Pfaffendorf veranstaltet hatte, wäre das aufschlussreich gewesen. B-Noten-Sieger wäre in diesem Fall eine Siegerin gewesen: Nur Annett Jagiela von den Bündnisgrünen schaffte es, ihre Standpunkte mit einem gewinnenden Lächeln zu vertreten. Die restlichen Teilnehmer der Runde, allesamt Herren der Schöpfung, machten großenteils ernste Gesichter, nur Harald Prause-Kosubek von der SPD war eine natürlich-lebendige Mimik zu attestieren. CDU-Mann Florian Oest hingegen setzte auf eine betonte Körpersprache, was er sich vielleicht vom Ministerpräsidenten abgeguckt hat; jedenfalls wirkte es gut.

Nun werden Volksvertreter ja nicht für ihre B-Note gewählt – oder doch? Dass die Art des Auftritts nicht unwichtig ist, musste Armin Laschet erfahren, der allerdings mit der Politik im Landkreis Görlitz nicht ganz so viel zu tun hat. Da ist es schon wichtiger, wer aus dem östlichsten Landkreis Sachsens und Deutschlands diesen im Bundestag vertritt und dafür sorgt, dass an der Lausitzer Neiße nicht ständig das Schlusslicht entzündet werden muss. Landrat Bernd Lange (CDU) hatte einem aktuellem Bundestagsmitglied aus dem Landkreis, dem AfDler und Parteicovorsitzenden Tino Chrupalla, auf dem CDU Sommerfest attestiert, keine Schwerpunkte zu setzen und dass es kaum Kommunikation des Abgeordneten mit dem Landratsamt gebe.

Womit wir bei der A-Note wären. Da ist es immer wieder interessant, wie sich die politischen Ränder selbst ins Aus setzen – ob nun wegen nationaler Scheuklappen nicht zu Ende gedachter Gedanken oder aus schlichtem Neid, wie er bei der Forderung nach einer Vermögenssteuer erkennbar ist. Die würde den Bestand von Familienunternehmen ganz real gefährden. Merke: Die Millionäre des Mittelstands haben ihr Vermögen gewöhnlich nicht als Bargeld herumliegen, sondern sie vermögen damit etwas zu tun, zum Beispiel in der Wirtschaft aktiv zu sein und damit für Beschäftigung zu sorgen. Vielleicht sollten die linken Parteien mal ihre Erfahrungen aus "DDR"-Zeiten, als sie noch als Einheitspartei regierten, ausbuddeln. Damals haben Enteignungen und extrem hohe Gewinnbesteuerungen für Private die Wirtschaft immer wieder zurückgeworfen und eine Mangelwirtschaft verstetigt. Wenn Unternehmertum keinen Spaß mehr macht, hört der Spaß für alle auf. Und wenn der andere polititische Rand auf Milchmädchenniveau rechnet und meint, Deutschland zahle zu viel an die EU, dann wird unterschlagen, dass Deutschland der wohl größte Profiteur der Europäischen Union ist. Fakten unterschlagen ist auch eine Form von Lügen.

Ausgegendert

Aber die Gesellschaft zeigt sich noch von ganz anderen Erscheinungen bewegt oder besser gesagt: erregt. Eine davon ist die Gendersprache, die von Berufsmitläufern dankbar aufgegriffen wurde, um sich über jene zu ereifern, die das nicht mitmachen. Dass die Verballhornung der Sprache mit Gendersternchen, Doppelpunkt und Unterstrich nicht gerade ein Ausfluss hellen Geistes ist, liegt auf der Hand: Teilt solcher Sprachgebrauch doch ständig die Menschen nach ihrem biologischen Geschlecht auf und wirkt damit gegen das Anliegen der Gleichstellung von Mann und Frau und aller anderen, die sich so eindeutig nicht definieren wollen oder können. Vielmehr schwingt in der Gendersprache und in der übertriebenen Betonung des Geschlechts stets mit: "Ich möchte darauf hinweisen, dass auch Frauen Menschen sind." Soll denn die ganze Epoche der Aufklärung umsonst gewesen sein? Gendersprache ist nicht gendergerecht, sondern schlichtweg frauenfeindlich, indem sie Frauen beständig eine Sonderrolle in der Gesellschaft zuweist.

Nun hat sich der Görlitzer CDU-Stadtverband entschlossen und folgt dem, was der Freistaat Sachsen im Kultusbereich bereits praktiziert: die Vermeidung von grammatikalisch falschen Wortverformungen in offiziellen Schreiben. Wer sich nicht an den Willen des Freistaats hält, braucht allerdings keine Sanktionen zu fürchten. Das wollen andere: Der Merkur zitiert saechsische.de, wonach die AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag weitergeht und ein Verbot der Gendersprache und Sanktionen fordert. Verbotspolitik im Sprachbereich? Im Osten nichts Neues, aber gottseidank überwunden.

Hier grenzt sich die CDU als Vernunftspartei ab: Jeder kann sprechen und denken, wie's ihm beliebt. Weil "jeder" sich im vorstehenden Satz auf den Menschen bezieht, kann nach dem Komma getrost aufs "ihr" verzichtet werden. Nur feministisch verquirlte Gehirne könnten unterstellen, mit "jeder" seien ausschließlich Männer gemeint. Wobei: "Mit jeder" ist nun auch wieder verfänglich, Mannomann. Zu beanstanden ist auf jeden Fall, dass selbst der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine grammatikalisch einwandfreie Sprache mehr verwendet und damit den Gegnern des gebührenfinanzierten und damit entgegen aller Behauptungen vom Staat entkoppelten Systems neue Munition liefert.

Druck etwa im Hochschulbereich, vorauseilender Gehorsam und die einsetzende Eigendynamik führten dazu, dass immer mehr Menschen die Gendersprache benutzt haben, obwohl eine Mehrheit der Bevölkerung dies ablehnt. Es ist genau diese Art von Bevormundung und gesellschaftlichem Zwang, der jenen Parteien, die nichts anderes können, als zu protestieren, Wählerstimmen zutreibt. Oder will jetzt jemand Schillers "Ode an die Freude", deren Beethoven-Melodei zur Europahyme wurde, angreifen? "Alle Menschen werden Brüder" heißt es dort – nun etwa Brüder*innen? Brüder und Schwestern zugleich können alle Menschen jedoch auch nicht werden. Es ist kompliziert, Fakt ist aber: Eine Vielzahl von Wählern akzeptiert die Gendersprache nicht. Warum Parteien ohne Not, sondern nur aus überheblicher Rechthaberei heraus auf diese Stimmen verzichten wollen, kann vielleicht die große Alice Schwarzer erklären.

Was der Vorstand des CDU Stadtverbands Görlitz beschlossen hat

So lautet der Beschluss vom 7. September 2021:
  1. Der CDU-Stadtverbandsvorstand beachtet die amtliche deutsche Grammatik und Rechtschreibung. Er verwendet in seinen Schriftstücken und Veröffentlichungen keine Gender-Sprache.
  2. Der CDU-Stadtverbandsvorstand spricht sich dafür aus, dass in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen keine Gender-Sprache verwendet wird.
  3. Der CDU-Stadtverbandsvorstand spricht sich gegen jede Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen aus, die keine Gender-Sprache verwenden möchten.
Selbstverständlich ist sich dabei der Vorstand, wie er betont, der Bedeutung der Gleichstellung der Geschlechter bewusst und erkennt diese an. Die Beibehaltung des generischen Maskulinums solle nicht ausgrenzen oder die Gleichberechtigung negieren, heißt es in einer Mitteilung, sie sei Ausdruck von Anerkennung der Deutschen Grammatik und Rechtschreibung.

Die CDU-Stadtverbandsvorsitzende Sylke Jennewein bringt es auf den Punkt: "Gendersprache fördert nicht die Gleichberechtigung in der Gesellschaft, sondern grenzt aus." Auch Jennewein argumentiert, die Gender-Sprache teile die Gesellschaft nach Geschlecht, sexueller Orientierung und weiteren Merkmalen in Gruppen und sehe nicht die Gesellschaft als Ganzes. Es sei eine Kunstsprache, die die Regeln der deutschen Grammatik und Rechtschreibung missachtet.

Außerdem moniert der Vorstand des CDU Stadtverbands, dass die Befürworter der Gender-Sprache aus seiner Sicht die damit verbundenen Probleme für andere Gruppen der Gesellschaft ignorieren. Als Beispiel wird angeführt, der Deutsche Blinden- und Sehbehindernden Verband spreche sich gegen die Nutzung von Sternchen und Bindestrichen aus, weil die Verwendung dieser Zeichen zu Schwierigkeiten bei der Erkennbarkeit für Sehbehinderte führt.

Jennewein fasst zusammen: "Privat kann jeder so sprechen und schreiben, wie er möchte. Wenn aber in staatlichen Einrichtungen ohne jegliche Grundlage und Legitimation ein orthografisch und grammatisch fehlerhafter Stil herrschen und in der offiziellen Kommunikation verwendet werden soll, droht eine ideologische Vereinnahmung der Sprache, der sich die CDU entgegenstellen muss. Und das hat der Stadtverbandsvorstand der CDU mit seiner Beschlussfassung untermauert."

Kommentare Lesermeinungen (1)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Finde den Fehler!

Von Seensüchtiger am 12.09.2021 - 12:16Uhr
So schrieb eine große Zeitung zum Triell:

"Es gab unter den drei Kandidaten nur eine Kandidatin!"

Wie man das wohl neudeutsch richtig schreiben müsste?

Schreiben Sie Ihre Meinung!

Name:
Email:
Betreff:
Kommentar:
 
Informieren Sie mich über andere Lesermeinungen per E-Mail
 
 
 
Weitere Artikel aus dem Ressort Weitere Artikel
  • Quelle: red | Foto: © BeierMedia.de
  • Erstellt am 11.09.2021 - 13:41Uhr | Zuletzt geändert am 11.09.2021 - 16:09Uhr
  • drucken Seite drucken
Anzeige