CDU zu Besuch auf dem Siemens Innovationscampus Görlitz
Görlitz, 13. August 2021. Von Thomas Beier. Logisch, dass sich die CDU als ausgewiesene Mittelstandspartei mit sozialen und grünen Ambitionen für die Wirtschaftsentwicklung im Strukturwandel interessiert. In der Lausitz steht dabei vor allem die Frage: Was kommt nach dem Kohleausstieg? Gestern hat CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak auf dem Siemens Innovationscampus Görlitz höchstpersönlich nachgeschaut, was da so läuft – und nicht nur er war tief beeindruckt.
HighTech in Görlitz
Natürlich kommt so ein General nicht alleine, weshalb unter anderem auch Landrat Bernd Lange, der Görlitzer Stadtrat Matthias Schöneich und Bundestags-Direktkandidat Florian Oest – selbstredend allesamt CDU – mit von der Partie waren.
Man kann solcherlei Besuchen ja mit dem Vorurteil des "Management by Helicopter" begegnen: Einfliegen, Staub aufwirbeln, Abflug. Bei Ziemiak passte das allerdings nicht. Der oberste CDU-Parteisoldat kam 1985 in Stettin (Szczecin) als Paweł Ziemiak zur Welt und übersiedelte erst drei Jahre später mit seinen Eltern nach Deutschland. Seine Vorfahren stammen aus Lemberg (Львів, לעמבערג) – das gerade für die Görlitzer wichtige Verständnis für den Osten darf man also erwarten. Vielleicht liegt Ziemiak die Zukunft der östlichsten Stadt des Vaterlandes deshalb besonders am Herzen, zumal sein unmittelbarer Einflussbereich eben nicht östlicher als Görlitz reichen kann.
Dass der Besuch zugleich als Schützenhilfe für den Bundestagskandidaten Oest daherkommt, wer will’s verdenken. Oest hat sich zur Wahl gestellt, um zur Stimme der Region im Bundestag zu werden. Weil eine Stimme allein aber nicht viel zählt ist es gut, dass die CDU eine gut verzahnte und damit handlungsfähige Macht darstellt, will sagen: Youngster Oest wird nicht alleingelassen. Abseits aller parteipolitischen Überlegungen werden jedoch bereits seit 2019 Fakten geschaffen auf dem Görlitzer Innovationscampus.
Umweltfreundlicher Schaumstoff aus Görlitz
Zwei der hier angesiedelten sogenannten Start-Up-Unternehmen galt besondere Aufmerksamkeit. Eines ist die eco-softfibre GmbH & Co. KG, bei der das Sagen allerdings eine Firma aus Herzogenaurach hat. Jedenfalls wollen die engagierten Gründer die eine echte Garagen-Erfindung aus Zittau im großen Stil in den Markt bringen. Es geht um Lederabfälle aus den zehn in Deutschland noch existierenden Gerbereien, die hier zu einem Schaum verarbeitet werden, der erdölbasierten Schaum aus Polyurethan (PUR) ersetzt und am Ende – anders als das Mikroplastik aus PUR-Müll – gefahrlos in die Weltmeere gelangen kann und als Collagen dort erstklassiges Fischfutter ist. Im Extremfall könnten an die rund 250 Kilogramm PUR, die statistisch in jedem Haushalt etwa in Möbelpolsterungen vorkommen, durch das naturbasierte und umweltfreundliche Produkt ersetzt werden.Noch ist die Produktion mit der neuen Technologie – etwa von Schallschutzmatten – bewerkstelligt von aktuell insgesamt sieben Leuten, recht übersichtlich. Kommt die Wachstumsfinanzierung noch wie geplant in diesem Jahr zustande, könnten es 2022 schon 25 Mitarbeiter werden. Und das Wachstum soll im enormen Umfang, skalieren heißt das im Gründersprech, weitergehen, ob nun an einer zentralen Produktionsstätte oder in der Nähe der Gerbereien.
Fahren für den Klimaschutz – je schneller, umso besser
Noch beeindruckender für den Technologielaien ist, was die Metaliq GmbH auf dem Innovationscampus erforscht und zusammenbaut. Das Schwierige in einfachen Worten: Man nehme Kochsalz, wie es in den Weltmeeren reichlich vorhanden ist, und spalte die Chloratome ab. Bringt man nun das verbleibende Natrium mit Wasser zusammen – das gesteuert hinzubekommen, ist das große Metaliq-Geheimnis – entstehen Wärme und Wasserstoff, der mögliche Universalenergieträger der Zukunft. Wer in der Schule nicht gerade krank war erinnert sich an die Reaktionsgleichung 2 Na + 2 H2O reagieren zu 2 NaOH + H2.Jetzt der Clou: Das Natriumhydroxid NaOH reagiert im Prozess mit dem bösen Kohlendioxid CO2 aus der Luft zu Natriumkarbonat Na2CO3 und Wasser, das jeder als H2O kennt.
Die Görlitzer Technologie schlägt demnach mit Hilfe des fast unbegrenzt zur Verfügung stehenden Natriums drei fette Fliegen mit einer Klappe:
- Wasserstoff wird dort erzeugt, wo er gebraucht wird; Transport und Lagerung entfallen.
- Kohlendioxid wird aus der Luft geholt.
- Das Endprodukt Natriumkarbonat kann einfach und gefahrlos, beispielsweise Untertage, entsorgt werden.
Mit dieser Technologie lassen sich Autos antreiben – und es erscheint paradox: Je schneller man fährt, von umso mehr Kohlendioxid wird die Atmosphäre befreit. Und dennoch ist die Reichweite um ein mehrfaches höher als bei Akku-gepowerten Kraftfahrzeugen. Mit einem Microreaktor kann Metaliq sogar Handys betreiben. Noch Fragen?
Geschäftsideen wollen verkauft sein
Überzeugend zu präsentieren haben die Gründer in Görlitz, die allerdings teils so neu im Geschäft nicht sind, schon gelernt – und dennoch: Wer von disruptiven Technologien spricht, muss damit rechnen, dass sich Gegenwehr aufbaut. Deshalb hat es viel für sich, mit Disruptionen erst dann zu argumentieren, wenn sie Realität sind. Für den Markterfolg reicht es nämlich bei weitem nicht aus, die bessere technische Lösung zu haben.Mehr:
- Christoph Schulze hat den Siemens Innovationscampus Görlitz auf futureSAX vorgestellt. Das ist die Innovationsplattform des Freistaates Sachsen, auf der sogar schon Zeitreisen möglich sind, wird doch der “nächste future-SAX-Gründerbrunch” für den 28. März 2020 angekündigt.
- Präsentation von Christoph Scholze: Siemens Innovationscampus Görlitz
- Hydrogen Lab Görlitz
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- Quelle: Thomas Beier | Fotos: © BeierMedia.de
- Erstellt am 13.08.2021 - 15:27Uhr | Zuletzt geändert am 26.11.2022 - 19:09Uhr
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