Die Eröffnungsveranstaltung der Berlinale
Berlin. Der Görlitzer Nachwuchs-Regisseur Clemens Beier ist vom 10. bis 20. Februar 2011 als Filmkritiker für das Magazin "Das Kinoheft" und den "Görlitzer Anzeiger" auf der Berlinale unterwegs. Er berichtet von Impressionen, Kuriositäten und Gedanken zu den 61. Internationalen Filmfestspielen in Berlin.
Burghart Klaussner und das Geschenk der Meinungsfreiheit
Vor zwei Jahren habe ich meine ersten Erfahrungen an deutschen Filmsets gesammelt. Ich arbeitete als Produktionsfahrer bei der Filmproduktion "Das letzte Schweigen". Trotz dürftiger Entlohnung etwas ganz besonderes für mich. Einerseits habe ich in meinem Leben noch nie ein derart großes und wertvolles Auto anvertraut bekommen und andererseits konnte ich mit vielen routinierten und erfahrenen Darstellern, die ich bisweilen nur von der Leinwand kannte, sprechen.
Unter Ihnen war auch Burghart Klaussner. Am Set und im Wagen machte er zuweilen eine sehr eigene Figur. Das äußerte sich u.a. in langwierigen Auseinandersetzungen über die Vor- und Nachteile des Feuilletons einer großen deutschen Tageszeitung oder auch dadurch, dass er während einer Rotphase mitten auf der Kreuzung plötzlich aus dem Auto sprang, lauthals lamentierend, dass er sich von einem Auto nicht vorschreiben lasse, was er zu tun oder zu lassen habe. In diesem Fall zielte sein Argwohn auf den Gurtsensor des Pkw ab, der uns zu diesem Zeitpunkt bereits seit einiger Zeit durch ein durchdringendes Piepen darauf hinwies, dass Herr Klaussner sich nicht angeschnallt hatte. Statt der Aufforderung nachzugehen schloss er den Gurt hinter dem Sitz und setzte sich wieder in den Wagen - wir konnten weiterfahren. Zwar immer noch unangeschnallt, aber dafür ohne Piepen.
Am Eröffnungsabend der 61. Berlinale ist mir Herr Klaussner nach langer Zeit wieder einmal ins Auge gefallen. Dieses Mal jedoch aus gänzlich anderem Anlass.
Während der Eröffnungsfeier zur Berlinale 2011 musste mit großem Bedauern das Fehlen von Jafar Panahi verkündet werden. Der iranische Regisseur wurde in seiner Heimat wegen "Propaganda gegen das System" zu sechs Jahren Haft und zwanzig Jahren Berufsverbot verurteilt. Sein Platz als Juror während der Berlinale bleibt deshalb unbesetzt. Festivalintendant Dieter Kosslick hält deb Stuhl dennoch frei. Die Berlinale möchte ein Zeichen setzen. Für die Freiheit des Films und für den demokratischen Wandel, der sich derzeit in einigen Länder dieser Welt vollzieht.
Es ist dieser Moment, an dem alle Premierengäste aufstehen und ihre Zustimmung zu diesem Projekt durch tosenden Beifall bekunden, als Herr Klaussner ein Bild von eben diesem großartigen Künstler Jafar Panahi in die Luft reckt. Als nun eilig alle Kameras versuchen seinen entschlossenen Blick einzufangen, wurde mir sehr eindringlich bewusst, wie zerbrechlich doch das Geschenk der freien Meinungsäußerung ist. Ein jeder hat seine und die Freiheit seines Nächsten zu verteidigen. Sei es nun gegenüber einem tyrannischen Unrechtsstaat oder ein vorlautes Auto.
Der Protest auf der Berlinale war das korrekte Zeichen. Nun ist Jafar Panahi nur noch zu wünschen, dass ihm seine aufmunternden und bewegenden Worte, die er in Form eines Briefes an das Berlinale-Publikum richtete, nicht zum Verhängnis werden und weitere Repressionen durch die iranische Staatsdoktrin nach sich ziehen.
Von Clemens Beier
Geguckt und empfohlen!
True Grit (Joel & Ethan Cohen, USA 2010)
Margin Call (JC Chandor, USA 2011)
Almanya - Willkommen in Deutschland (Yasemin Samdereli, D 2010)
Stichwörter
Lesermeinungen (0)
Weitere Artikel-
Görlitzer Meridian Naturfilmpreis 2025 geht an Rita und Michael Schlamberger
Görlitz, 12. Oktober 2025. Der Görlitzer Meridian Naturfilmpreis wurde in seinem Jubil&aum...
-
Höllowum 2025: Grusel, Feuer und Fantasie in Turisede
Görlitz, 6. Oktober 2025. In der Geheimen Welt von Turisede wird es im Oktober abermals dunkel ...
-
Neue Publikation dokumentiert historische Steine in Görlitz
Görlitz, 1. Oktober 2025. Über mehrere Jahre hat die Sächsische Akademie der Wissensc...
-
Görlitz lädt zur Jacob-Böhme-Tagung 2025 ein
Görlitz, 23. September 2025. Die Stadt Görlitz richtet vom 8. bis 10. Oktober 2025 die 3. ...
-
Konferenz in Görlitz thematisiert Inklusion im Kulturbereich
Görlitz, 14. September 2025. In der RABRYKA Görlitz findet am 30. September die deutsch-po...
- Quelle: Clemens Beier
- Erstellt am 13.02.2011 - 23:15Uhr | Zuletzt geändert am 14.02.2011 - 12:16Uhr
Seite drucken
