Wissenschaftsgeschichte zukunftssicher
Görlitz-Zgorzelec. Das Kulturhistorische Museum Görlitz kann in den nächsten Jahren seine einzigartigen Sammlungen zur Wissenschaftsgeschichte konservieren und restaurieren. Dank der Förderung durch die Kulturstiftung des Bundes und die Kulturstiftung der Länder sowie mit Hilfe des Freistaates Sachsen wird damit ein besonderer Schatz der Städtischen Sammlungen für die Zukunft gesichert. Das Görlitzer Museum ist neben dem Museum Waldenburg eine der beiden Institutionen im Freistaat Sachsen, deren Anträge zur Aufnahme in das KUR-Programm zur Konservierung und Restaurierung von mobilem Kulturgut der Kulturstiftungen bewilligt wurden. Somit können von 2008 bis 2011 insgesamt 294.000 Euro in die Erhaltung, Restaurierung und wissenschaftliche Aufarbeitung der akut von Verfall bedrohten Bestände des Physikalischen Kabinetts, des Mineralien- und Naturalienkabinetts, des Altertümerkabinetts und des Graphischen Kabinetts sowie in zugehöriges Mobiliar fließen.
Großes Restaurierungsprojekt im Kulturhistorischen Museum Görlitz
In Kooperation mit ausgewiesenen Fachleuten und Partnerinstitutionen in Görlitz wie dem Schlesischen Museum und dem Staatlichen Museum für Naturkunde), in Dresden den Staatlichen Kunstsammlungen - Mathematisch-Physikalischer Salon, dem Kupferstich-Kabinett, den Staatliche naturwissenschaftlichen Sammlungen, dem Landesamt für Archäologie, dem Landesamt für Denkmalpflege, der Hochschule der bildenden Künste), in Freiberg mit der Bergakademie, in Berlin dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und anderen mehr werden zur Zeit die komplexen konservatorischen Maßnahmen vorbereitet. Bis 2011 sollen die Bestände sorgsam restauriert werden, damit sie dann mit erweiterten Erkenntnissen neu präsentiert werden können.
IN UNO MUSEUM - Museum in Einheit (von Kunst und Wissenschaft) oder frei übersetzt: Sitz aller Musen: Dieses Programm steht seit 1807 über dem Eingang des Hauses Neißstraße 30 in Görlitz, dem bedeutendsten Barockbau der Stadt. Seit dem gleichen Jahr befinden sich die kostbaren Sammlungen an diesem Ort. Daran knüpft das große Restaurierungsprojekt an.
Sein Ziel ist es, die historischen Sammlungen der 1779 gegründeten Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften als einzigartigen Schatz verstärkt ins Bewusstsein einer weiten Öffentlichkeit zu bringen: In exemplarischer Weise spiegeln sich in den Görlitzer Beständen - in Modellen und Instrumenten, Gesteinen, Bildern, Bildnissen und Tausenden von Büchern - Anspruch und Weitsicht großer Geister der Aufklärungszeit. Damit kann auf einmalige Weise Wissenschafts-, Kunst- und Museumsgeschichte vermittelt werden.
Dank der großzügigen Unterstützung wird es möglich sein, Teile der bis jetzt verborgenen Schätze bei der im Jahr 2011 in Görlitz stattfindenden 3. Sächsischen Landesausstellung konserviert und restauriert der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.
Kostbarster Besitz
Heute gehören die historischen Kollektionen der 1779 gegründeten Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zum kostbarsten Besitz des kommunalen Kulturhistorischen Museums Görlitz. Seit 1804 bzw. 1807 sind diese Bestände im Barockhaus Neißstraße 30 aufgestellt, das seit 1951 Teil des städtischen Museums ist. Die universal ausgerichteten Sammlungen der Gesellschaft umfassen neben großen Bücherbeständen, die in die heutige Oberlausitzische Bibliothek eingegangen sind, sowohl naturkundliche als auch kunst- und kulturgeschichtliche Kabinette. In den für die Sammlungen adaptierten Räumen des frühen 18. Jahrhunderts blieb damit – in eigens dafür gefertigten Behältnissen und ergänzt von weiterem zugehörigen Mobiliar sowie Gemälden - ein Ensemble von höchstem Rang erhalten.
An erster Stelle ist das Physikalische Kabinett mit seiner einzigartigen Instrumentensammlung der Zeit um 1800 zu nennen: Mit Elektrisiermaschinen von den führenden europäischen Herstellern und reichhaltigem Zubehör geht der Bestand vollständig auf einen Gelehrten, Adolf Traugott v. Gersdorf, zurück und kann als Momentaufnahme sowie komplette Dokumentation der breit gefächerten Interessen eines wichtigen Forschers der späten Aufklärungszeit internationale Bedeutung beanspruchen.
Auf v. Gersdorf geht auch eine große Gesteinssammlung zurück, das Mineralienkabinett. Geographischer Schwerpunkt der Kollektion sind die Alpen und das Riesengebirge. Neben den entsprechenden Kollektionen in Freiberg (Bergakademie) sowie in Weimar/Jena (J. W. v. Goethe) handelt es sich hier um die dritte große Mineraliensammlung der deutschen Aufklärungszeit; in ihrer dokumentierten und weitgehend bewahrten Systematik sowie in ihrem Reichtum stellt sie ein herausragendes wissenschaftsgeschichtliches Monument dar. Von besonderer Bedeutung sind zudem drei maßstäbliche Alpenmodelle aus der Zeit um 1790.
Durch verfallsbedingte Verluste sowie Abgaben an andere Sammlungen hat das Naturalien-Kabinett erhebliche Teile eingebüßt. Die verbliebenen Reste mit einer Holzbibliothek, Herbarien und botanischen sowie zoologischen Tafelwerken sind jedoch noch immer bedeutsam und können durch einst zugehörige historische Bestände des Görlitzer Naturkundemuseums punktuell ergänzt werden.
Umfangreich bewahrt geblieben sind die Bestände des Altertümer-Kabinetts. Es enthält eine vorzügliche Sammlung von ur- und frühgeschichtlichen Funden der Lausitz. Darunter befinden sich die ersten archäologischen Fundstücke, die überhaupt aus dem Gebiet des heutigen Freistaates Sachsen bekannt sind. Einige dieser exzellent erhaltenen Objekte wurden bereits 1796 in einem repräsentativen Tafelwerk dokumentiert („Königswartha subterranea“), das den Ausgangspunkt systematischer archäologischer Forschung im Osten Deutschlands markiert. Ebenso gehören aber auch weitere historische Zeugnisse wie Münzen und Medaillen, Siegel und Urkunden dazu sowie Globen und Karten.
Im Graphischen Kabinett setzt sich die topographische Dokumentation in Tausenden von Veduten und Ansichten, Bildnissen und Historiendarstellungen fort. Zeichnungen überregional bedeutsamer Künstler und Druckgrafik vom 16.-18. Jahrhundert sind zu einem erheblichen Teil noch in den originalen Klebebänden der Zeit um 1800 zusammen gestellt. Sie bieten damit ein vorzügliches Bild von der damaligen Wissenssystematik und der geistigen Vernetzung.
Untrennbarer Bestandteil des Sammlungsensembles ist zudem weiteres Mobiliar für die Sammlungs- und Gesellschaftsräume. Ferner gehören dazu Bildnisse und andere Gemälde sowie einige plastische Porträts und Büsten.
Sicherung eines akut bedrohten Sammlungskomplexes von hoher Relevanz für die deutsche und europäische Kunst- und Kulturgeschichte
Konservierung und Restaurierung höchst dringlich
Der Zustand der Behältnisse und der Kollektionen selbst ist heute vielfach bedenklich. Bis 1945 waren die Sammlungen Eigentum der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaft und befanden sich damit in der Öffentlichkeit nur sehr beschränkt zugänglichem Privatbesitz. Seit dem mittleren 19. Jahrhundert war das Interesse daran innerhalb der Gesellschaft zusehends erloschen, so dass viele Objekte weggeräumt, in Kisten und auf dem Boden abgestellt und verwahrt waren.
Als 1950/1951 die Stadt Görlitz Eigentümerin der gesamten Bestände wurde, musste in vielen Fällen ein mangelhafter Erhaltungszustand konstatiert werden. Schon bei der Einrichtung des Hauses als Museum 1951 wurde deshalb auf eine Präsentation etlicher Objekte verzichtet - Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen waren damals nur in sehr beschränktem Umfang möglich. Seither schritt der Verfall infolge starker Beanspruchung durch Besucher und durch unzureichende Klima- und Lichtbedingungen sowohl in den Ausstellungs- wie in den Magazinräumen fort. Ein erheblicher Teil der historischen Sammlungen verblieb aus konservatorischen Gründen magaziniert und wurde nur in Ausnahmefällen konservatorisch behandelt.
Die fragilen Maschinen und der Hauptteil des zum Teil nur noch hier vorhandenen kleinteiligen Experimentierzubehörs des Physikalischen Kabinetts sind vielfach schwer geschädigt und in ihrem Bestand bedroht. Durch langjährige, schon auf das 19. Jahrhundert zurückgehende Missachtung und ungünstige Aufstellung in einem unzureichend ausgestatteten Magazingebäude hat auch die Mineraliensammlung gelitten. Die Gesteinsstufen und Einzelsteine sind zum Teil schwer verschmutzt, die originalen Papierkärtchen mit der Beschriftung Gersdorfs ebenso. Problematisch ist auch der Erhaltungszustand der weiteren naturkundlichen Objekte, insbesondere aber von Teilen des Altertümer-Kabinetts und darin insbesondere der historischen Siegel- und Abdrucksammlung.
Durch starke Beanspruchung und alte Schäden sowie den Einsatz unsachgemäßer Hilfsmaterialien (holzhaltige Pappen und Papier, schlechte Klebstoffe, oxidierende Tinten) befinden sich heute auch etliche der Einzelblätter sowie der im 18. Jahrhundert angelegten Klebebände des Graphischen Kabinetts mit vielfach historisch und kunsthistorisch höchst bedeutsamen Zeichnungen und herausragenden druckgrafischen Werken in einem beklagenswerten Zustand, der jeglichen aktiven Umgang mit diesen Objekten als unverantwortbar erscheinen lässt.
Mangelnde Pflege über Jahrzehnte, zum Teil auch noch kriegsbedingte Beeinträchtigungen sowie ungenügende Aufstellungsbedingungen haben darüber hinaus allen historischen Sammlungsmöbeln geschadet. Abgesehen von Anobien- und Pilzbefall, Wasserschäden und allzu deutlichen Abnutzungsspuren sind sie vielfach inzwischen auch konstruktiv geschwächt. So können sie nicht mehr guten Gewissens ihre ursprüngliche Funktion ohne Gefahr für die enthaltenen Bestände erfüllen und in den Schauräumen des Hauses aufgestellt sein.
Im Austausch mit verschiedenen Spezialmuseen, Hochschulinstituten und fachlich ausgewiesenen freien Restauratoren wurden bereits Prioritäten festgelegt und Konservierungsmaßnahmen vorbereitet.
Eine umfassende Umsetzung der Maßnahmen, die in diesem Fall aufgrund der engen Vernetzung und Verzahnung der Sammlungsbestände in hohem Maße fächer- und materialgruppenübergreifend geschehen muss und eine interdisziplinäre Koordination erfordert, war jedoch aus finanziellen Gründen bisher nicht möglich.
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- Quelle: /red
- Erstellt am 04.07.2008 - 09:19Uhr | Zuletzt geändert am 04.07.2008 - 09:37Uhr
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