Görlitzer haben gesegnetes Rathaus
Görlitz, 7. Januar 2021. "Ich hatte schon Geld zurechtgelegt, aber die Sternsinger sind nicht gekommen!" – Wer als Katholik in die Diaspora der Region Görlitz umzieht muss erkennen, dass liebgewonnene Traditionen hier nicht in dem Maße gepflegt werden wie gewohnt. Da ist es beruhigend, dass wenigstens das Görlitzer Rathaus den Sternsingersegen abbekommen hat.
Abb.: Durfte gestern ausnahmsweise einen Aufkleber am altehrwürdigen Görlitzer Rathaus anbringen: Oberbürgermeister Octavian Ursu
Bildquelle: Stadtverwaltung Görlitz
Botschaft der Sternsinger erreicht Rathaus Görlitz trotz Corona-Pandemie

Da klebt er nun und verkündet: Die Verwaltung hat ihren Segen. Hoffentlich hält sie sich dran und übt sich in Compliance
Bildquelle: Stadtverwaltung Görlitz
Zuständig für die Katholiken und damit auch die Sternsinger vor Ort die Pfarrei Heiliger Wenzel in Görlitz. Traditionell machen die Sternsinger-Kinder dem Rathaus am Untermarkt und der Jägerkaserne ihre Aufwartung, indem sie singen und den christlichen Segen bringen. Dazu schlüpfen sie in die Klamotten der Heiligen Drei Könige. Die Story, die sich dahinter verbirgt, ist durchaus spannend: Dem Stern von Bethlehem folgend machten sich die drei Weisen aus dem Morgenland, die vermutlich als Sterndeuter ihr Geld verdienten, auf zum Stall in Bethlehem, ebenfalls im Morgenland gelegen, um ihrem neugeborenen König ihre Aufwartung zu machen.
Als Gastgeschenke hatten sie Weihrauch, Myrrhe und Gold in den Satteltaschen ihrer Trampeltiere. Unter Verweis auf Jesaja, den ersten großen Schriftpropheten der hebräischen Bibel, mutierten die Weisen im achten Jahrhundert zu Königen, hernach als die Heiligen Drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar bekannt. Im blaublütigen Trio war Caspar der Mohr und stand damit für Afrika, während die Bleichgesichter Melchior und Balthasar symbolisch Europa und Asien zugeordnet wurden – mehr Kontinente waren damals nicht bekannt. Die Schädel der drei Gratulanten werden im Dom zu Köln verwahrt und in jedem Jahr kann man sie am 6. Januar, dem Dreikönigstag, angucken.
Geheime Zeichen?
An den von Ihnen gesegneten Häusern bringen die Sternsinger ihr Zeichen an, entweder umweltfreundlich mit geweihter Kreide oder – ebenfalls geweiht, aber weniger nachhaltig – mit Aufklebern. Neben den Jahren, in denen der Segen erteilt wurde – die Sternsinger sind von Weihnachten bis zum Dreikönigstag, dem Epiphaniasfest, an dem die Erscheinung des Herrn gefeiert wird, auf Tournee – enthalten die Zeichen C+M+B, was gern als Caspar, Melchior und Balthasar gedeutet wird,aber für Christus mansionem benedicat, also Christus segne dieses Haus, steht.Die in Görlitz verwendete Schreibweise "20*C+M+B+21" ist die von der "Aktion Dreikönigssingen" empfohlene: Der Stern steht für jenen von Bethlehem und die drei Kreuze symbolisieren den dreifaltigen Gott in seiner Trinität aus Vater, Sohn und Heiligem Geist. Übrigens wär auch K+M+B durchaus richtig, dann steht das K für Kyrios, das griechische κύριος, also den Herrn.
Bitte online spenden
Weil in der Corona-Pandemie die Auftritte der Sternsinger samst distanzgefährdender Klapperbüchse nicht zu verantworten wären und sie deshalb auch nicht im Rathaus auftreten konnten, haben die Kinder ihre Botschaft per Video überbracht. Weil es dabei eben nicht ganz nebenbei um Spenden für notleidende Kinder auf der ganzen Welt geht, ist das diesmal online möglich. Weil jeder Beitrag, ob klein oder groß, hilft, sollten sich jeder und ausdrücklich auch jede angesprochen fühlen. Die Aktion läuft noch bis zum 28. Februar 2020, aber weshalb so lange warten?In Görlitz hat Oberbürgermeister Octavian Ursu am gestrigen 6. Januar 2020 – quasi last minute – selbst die Initiative ergriffen und das getan, was sonst schnell als Sachbeschädigung ausgelegt wird, nämlich einen Aufkleber, den der Sternsinger, über der Rathaustür angebracht. Er sagte dazu: "Gerade in dieser schwierigen Zeit ist der Segen der Sternsinger wichtiger denn je. Ich freue mich, dass die Görlitzer Sternsinger in diesem Jahr digital für unsere Stadtgesellschaft singen und Spenden für Kinder in Not sammeln." Da bleibt nur auf die Güte des Herrn zu hoffen, der dafür sorgt, dass das Ordnungsamt wegen des Aufklebers beide Augen zudrückt.
Tipp:
Es heißt Sternsinger und nicht Sternensinger – obgleich viele dieser Verwechslung obliegen.


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- Erstellt am 07.01.2021 - 08:05Uhr | Zuletzt geändert am 07.01.2021 - 09:21Uhr
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