Ein Puppenhaus in Görlitz

Görlitz, 24. November 2015. Zu den Erfahrungswelten früherer Kindergenerationen halbwegs betuchter Eltern gehörten die Modelleisenbahn für die Jungs und das Puppenhaus für die Mädchen - wobei die Puppenhäuser selbstredend auf die längere Historie verweisen können (erste Puppenstuben gab es im 16. Jahrhundert). Ein "Puppenhaus zum Staunen" zeigt jetzt - bis Ende Februar 2016 - das Görlitzer Barockhaus in der Neißstraße 30. Das im Stile eine Görlitzer Gründerzeithauses errichtete Gebäude ist einen Meter sechzig mal zwei Meter groß und birgt immerhin 22 Zimmer. Bauherr war der im Sommer 2015 verstorbene Claus-Peter Kurt-Franken, der zehn Jahre an dem Puppenhaus gearbeitet, Möbel und Einrichtungsgegenstände, Bilder und Accessoires in Handarbeit geschaffen und die Beleuchtung installiert hatte. Sein Herzenswunsch war es, dass sein Miniaturhaus möglichst vielen Menschen Freude macht.

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Ein Puppenhaus-Rundgang vorab

Los geht's in der Backstube im Keller des Hauses. Hier wird fleißig gearbeitet. Während der Bäcker den Teig knetet und formt, räumt der Geselle den Backofen aus. Die nächsten Brote und Brötchen stehen schon bereit und warten darauf, in den heißen Backofen geschoben zu werden. Die fertigen Backwaren landen in der darüber liegenden Bäckerei, wo eine freundlich wirkende ältere Frau die Kundschaft bedient. Vielleicht ist es ihre Tochter, die das Café ein Stockwerk höher betreibt, das neben Kaffee, Milch und Schokolade auch Leckereien aus der Familienbäckerei oder -konditorei anbietet.

Im Erdgeschoss des Hauses findet sich ein Tante-Emma-Laden. Heute gibt es solche kleinen inhabergeführten Lebensmittel kaum noch. Hinter dem Verkaufstresen stand die Bedienung und brachte dem Kunden die gewünschten Waren – Getränke, Kaffee, Mehl und Obst aus Kisten, Zeitschriften und Waschmittel. Im Görlitzer Puppenhaus muss sogar der Sohn der Ladeninhaberin aushelfen, um die beiden Damen, die mit Körbchen und Einkaufsnetz bewaffnet sind, zu bedienen. Tante-Emma-Läden dienten nicht nur dem Konsum, sondern auch dem Klatsch und Tratsch und dem Verbreiten wichtiger Nachrichten.

Auf den ersten Blick wirkt die Gute Stube einer Familie im zweiten Obergeschoss etwas düster. Mutter und Vater sitzen am nachmittäglichen, mit dem "guten" Porzellanservice gedeckten Kaffeetisch, auf dem sich - wie könnte sie fehlen - eine gehäkelte Tischdecke befindet. Zwischen den Erwachsenen ist keine Unterhaltung im Gange, vielmehr studiert der Ehemann eine Zeitschrift. Der Familienhund wohnt dem Geschehen bei. Eines der vier Kinder beschäftigt sich am Schreibtisch an der Wand mit seinen Hausaufgaben, halbwegs unter der Aufsicht seiner Eltern. Zwei kleinere Kinder spielen im Alkoven. Der große grüne Kachelofen im Raum scheint behagliche Wärme auszustrahlen an diesem dunklen Nachmittag.

Zu den vielen geschäftlich genutzten Räumen des Hauses gehört ein Notariat, das sich ebenfalls im zweiten Obergeschoss befindet. Das Büro ist mit zwei Angestellten besetzt. Einer widmet sich gerade einem Kunden über einen Tresen hinweg, der andere Mitarbeiter sitzt am überfüllten Schreibtisch, einen Kaffeepott vor sich. Er hat die Zeit, sich dem Gespräch der beiden anderen Personen zuzuwenden. Sogar seinen Hund hat er mit ins Büro gebracht, einen großen Bernhardiner, der das Geschehen aufmerksam beobachtet.
An diesem Nachmittag ist viel los im Büro des Notars. Eine Dame muss warten, bis sie bedient wird und darf auf einer Bank Platz nehmen. Derweil hat sie ihren Schirm in der Ecke abgestellt. Es kann noch ein bisschen dauern bis sie an der Reihe ist. Aber der Raum wirkt warm und gemütlich. Auf dem Ofen in der Ecke wird eine Kaffeekanne warmgehalten. Der Bücherschrank an der Stirnseite und auch das Wandregal sind voller Aktenordner, Bücher und Unterlagen. Offensichtlich gibt es viele Klienten, die die Dienste des Notars in Anspruch nehmen. Das zeugt auch von der Beliebtheit des Büros.

Dies ist nur ein kleiner Eindruck des Geschehens in diesem großen Puppenhaus. Das Kulturhistorische Museum lädt große und kleine Besucher herzlich ein, die Geschichten, die das Haus erzählt, selbst zu entdecken.

Hingehen!
Dienstag, 1. Dezember 2015, 15 Uhr,
Dienstag, 15. Dezember 2015, 15 Uhr,
Barockhaus Neißstraße 30, 02826 Görlitz.
Familiennachmittage: Ines Haaser und Daniela Schüler erklären Puppenhaus.
Danach können die Besucher ihr eigenes Häuschen gestalten, das sich auch als originelle weihnachtliche Verpackung eignet.

Erweiterte Öffnungszeiten und Aktionen während des Schlesischen Christkindelmarktes:

Vom 4. bis zum 20. Dezember 2015 gewährt das Museum im Barockhaus Neißstraße 30 den Kindern freien und den Erwachsenen ermäßigten Eintritt.
In dieser Zeit werden die Öffnungszeiten erweitert:
Montag bis Donnerstag und Sonntag von 10 bis 16 Uhr,
Freitag und Sonnabend von 10 bis 18 Uhr.

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  • Quelle: red | © Kulturhistorisches Museum Görlitz, Foto: Dimitar Stoykow
  • Erstellt am 24.11.2015 - 10:09Uhr | Zuletzt geändert am 24.11.2015 - 10:45Uhr
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